Vertrauen ist gut… Rückforderung von Überbrückungshilfen- Teil I

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Ein Beitrag von Rechtsanwältin | Steuerberaterin Elisa Roggendorff


Am 30.09.2024 soll nunmehr die Frist zur Einreichung der Schlussabrechnung, die im Einzelfall noch bis dahin verlängerbar ist, enden. Wohl etwa 75 % der Anträge wurden lediglich auf Plausibilität geprüft und dann verbeschieden (sogenannte Dunkelverarbeitung). Die Einzelüberprüfung der einzelnen Fixkostenpositionen wurden größtenteils in die Schlussabrechnung verlagert, Bescheide im Erstantragsverfahren daher unter den Vorbehalt der Nachprüfung in der Schlussabrechnung gestellt. Auch ohne den Vorbehalt kann die Behörde Zahlungen auf der Grundlage von Art. 48, 49, 49a BayVwVfG zurückfordern. Artikel 48, 49 BayVwVfG regelt die Rücknahme von rechtswidrigen bzw. rechtmäßigen Verwaltungsakten. Hierzu im Einzelnen:


I.          Abgrenzung rechtmäßiger und rechtswidriger Verwaltungsakt

Ein Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn er ohne Rechtsgrundlage erlassen worden ist oder die durch ihn getroffene Regelung gegen Gesetze oder sonstiges Außenrecht verstößt. Ein Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften ( wie die FAQ zu der jeweiligen ÜBH) genügt nur, wenn diese aufgrund ständiger Praxis über die Selbstbindung der Verwaltung normähnliche (Außen-)Wirkung erlangt haben (BVerwG NVwZ 2003, 1384; OVG Münster NVwZ-RR 1997, 585.


Die Bewilligungsbehörde stellt sich derzeit noch auf den Standpunkt, dass sie die alleinige Interpretationshoheit über die FAQs hat. Somit vertritt die Behörde bisher den Standpunkt, dass Bescheide im Widerspruch zu Ihrer derzeitigen Verwaltungsauffassung rechtswidrig sind. Ob diese Rechtsauffassung gerichtlich gestützt wird, bleibt abzuwarten.


II.         Rückforderung von Geldleistungen bei rechtswidrigen Verwaltungsakten

Grundsätzlich regelt Artikel 48 Abs. 2 BayVwVfG, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden darf, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist.

Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.         den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,

2.         den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren,

3.         die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.

§ 48 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG U.E.n.

Unter Angaben sind alle schriftlichen oder mündlichen Erklärungen über das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines bestimmten Sachverhalts zu verstehen. Angaben sind sowohl ausdrückliche (schriftliche oder mündliche) als auch konkludente Gedankenerklärungen. Gemacht sind die Angaben, wenn sie im Rahmen des Subventionsverfahrens der zur Entgegennahme bestimmten zuständigen Behörde, Stelle oder Person zugegangen sind. Die Angaben, die zu einer subventionserheblichen Tatsache gemacht werden, müssen entweder unrichtig oder unvollständig sein.

Unrichtig ist eine Angabe dann, wenn sie subventionserhebliche Tatsachen objektiv, also unabhängig von der Vorstellung des Erklärenden, unzutreffend widerspiegelt. So beispielsweise, wenn objektiv gegebene Tatsachen nicht als solche dargestellt oder wenn nicht gegebene Tatsachen als gegeben dargestellt werden. Hierzu muss der objektive Erklärungswert der Aussage ermittelt werden und sodann mit der Wirksamkeit verglichen werden, stimmen sie nicht überein ist die Angabe unrichtig.

Unvollständig hingegen ist eine Angabe dann, wenn sie einen einheitlichen Lebenssachverhalt zutreffend widerspiegelt, allerdings aufgrund des Weglassens wesentlicher Tatsachen durch diese Angaben ein falsches Gesamtbild vermittelt wird.

Diesbezüglich drängt sich bereits die Frage auf, ob „Angaben“ in einem Antragsverfahren, welches im Wesentlichen auf Prognosen beruht, falsch sein können. Vor allem aber können die „Angaben“ bzgl. der Coronabedingtheit nicht falsch oder unvollständig sein, da die Bewilligungsbehörde die alleinige Interpretationshoheit innehaben will und der Antragsteller keinerlei Möglichkeit hat, diese Interpretation im Vorfeld abschließend zu ergründen.

Zunächst steht der Annahme, dass der Antragsteller auf den Bestand des Bescheides vertraut hat, nicht entgegen, dass der Abschlagszahlungsbescheid als auch der Erstbescheid unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung erging. Denn das Vertrauen wird durch Hinweise in dem Verwaltungsakt auf Möglichkeiten der Aufhebung, Ersetzung oder Änderung nicht schlechthin ausgeschlossen,  Vgl. Kopp/Ramsauer/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage 2019, § 48 Rn. 95.

Soweit der Antragsteller die Angaben vollständig und wahrheitsgemäß gemacht hat, die  nun   aufgrund der Interpretationshoheit und möglicherweise bestehenden Verwaltungspraxis der Bewilligungsbehörde als „unrichtig“ verworfen. Dies konnte aber nur nachträglich festgestellt werden und nicht zum Zeitpunkt der Angabe, weswegen der Antragsteller u.E.n. keine falschen Angaben gemacht haben kann. 


Auffassung Bewilligungsbehörde:

Vertrauensschutz sei insbesondere auch deswegen nicht gegeben, da in dem Abschlagszahlungsbescheid klar darauf hingewiesen worden sei, dass der Bescheid unter Vorbehalt der vollständigen Prüfung des Antrags und der endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid ergehe. Aufgrund dieses Vorbehalts im Verwaltungsakt könne der Antragssteller nicht damit rechnen können, dass dieser dauerhaft und endgültig bestehen bleibe.

Zum anderen sollte das Bewilligungsverfahrens als Massenverfahren im Interesse der zahlreichen Antragsteller eine schnelle Entscheidung liefern. Ein anzuerkennender Vertrauensschutz in Richtung eines endgültigen Behaltendürfens nach der Natur der Sache scheide deshalb aus, selbst, wenn das vorgelegte Zahlenmaterial und die gemachten Angaben in sich stimmig und zutreffend sind. Zudem habe die Bewilligungsbehörden in den Nebenbestimmungen des Bewilligungsbescheides darauf hingewiesen, dass Förderleistungen zu erstatten seien und der Bescheid zurückgenommen werden könne, soweit eine abweichende Feststellung der Höhe der Billigkeitsleistung getroffen werde.


§ 48 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG

Vertrauensschutz scheidet auch bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Rechtswidrigkeit aus, Artikel 48 VwVfG Abs. 2 Nr. 3. Entscheidend ist dabei, ob dem Antragsformular hinreichend anzumerken ist, dass das jeweilige Kriterium entscheidend für die Gewährung der Billigkeitsleistung ist. Dies ist letztlich durch Auslegung zu ermitteln.


Ermessensausübung

Der Rückforderungsbescheid sollte erkennen lassen, dass sich die Bewilligungsbehörde mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift auseinandergesetzt hat. Ermessen kann jedoch noch bis zum Schluss einer mündlichen Verhandlung nachgeholt werden. Insofern ist ein Ermessensausfall selten streitentscheidend. In allen vorgenannten Fällen entfällt nicht nur die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, sondern es folgt zudem in der Regel eine Reduzierung des Rücknahmeermessens. Der in der Haushaltsordnung verankerte Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwendung öffentlicher Mittel gebietet regelmäßig die Rücknahme rechtswidriger Subventionsbescheide, damit öffentliche Mittel sparsam und effektiv verwendet werden.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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