Vorsicht, Falle - Erst- oder Veränderungsantrag im Schwerbehindertenrecht

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Wenn die Feststellung des Grades der Behinderung unzutreffend ist, gehen viele Betroffene vor Gericht. Ein solches Klageverfahren kann Monate, unter Umständen Jahre dauern. Häufig verschlechtert sich der Gesundheitszustand während des Prozesses und / oder es kommen neue Leiden hinzu. Mit Erfolg können diese meist nicht vorgetragen werden, denn das Gericht legt für die Entscheidung ein Sachverständigengutachten zugrunde, das sich fast immer auf den Antragszeitpunkt, der evtl. sehr lange zurückliegt, bezieht.

Wenn also Verschlimmerungen geltend gemacht werden, die erst in neuerer Zeit aufgetreten sind, müsste der Richter beurteilen, ob sie mindestens sechs Monate vorliegen werden – erst dann liegt eine Behinderung i. S. d. Schwerbehindertenrechts vor – und das wird kein Richter tun. In der Regel erfolgt dann der „Tipp“ an den Kläger: „Nehmen Sie die Klage zurück und stellen Sie einen Veränderungsantrag bei der Behörde!“. Hat natürlich den Vorteil für den Richter, dass er die Akte als „erledigt“ weglegen kann. Aber erstens will das der Kläger gar nicht. Er will eine Beurteilung „von Anfang an“. Und zweitens hört er nicht das Wort „Veränderungsantrag“, sondern „Verschlimmerungsantrag“. Eine Behinderung, die schon lange vorliegt und immer noch schmerzt, muss doch einfach schlimmer geworden sein, nicht wahr?

Häufig sieht es aber ganz anders aus. Es werden neue ärztliche Befundberichte eingeholt. Wenn die auch nur eine Tendenz zu einer Besserung erkennen lassen, dann fällt die Neubewertung „besser“ aus, der GdB wird geringer, der alte GdB ist „futsch“ und nicht etwa, wie erhofft, höher. Alles geht von vorne los: Widerspruch, Klage. Schlimmstenfalls endet die dann wieder mit dem richterlichen Rat: „Nehmen Sie die Klage zurück und stellen Sie einen Veränderungsantrag bei der Behörde!“
Anders aber möglicherweise, wenn die Klage nicht zurückgenommen wird, sondern der Kläger ein abweisendes Urteil riskiert und damit in die Berufung geht. Dann kann es nämlich durchaus sein, dass noch ein Gutachten eingeholt wird und vielleicht fällt das ja eher im Sinne des Klägers aus.

So ein Gutachten könnte von Amts wegen eingeholt werden, wenn das Gericht den Sachverhalt als nicht ausermittelt ansieht.

Der / Die KlägerIn kann aber auch – wenn er / sie übergenügend finanzielle Mittel (oder eine Rechtsschutzversicherung) verfügt, selbst ein Gutachten nach § 109 SGG in Auftrag geben. Diese Vorschrift ermöglicht es, einen Arzt seiner / ihrer Wahl zu beauftragen. Entsprechende Adressen sind vom Gericht oder im Internet erhältlich. Nach Möglichkeit sollte nicht auf den Hausarzt zurückgegriffen werden. Die meisten Hausärzte können sozialmedizinische Gutachten nicht schreiben. Ein unverwertbares Gutachten „zählt“ trotzdem, der Kläger kann kein zweites einholen. Zudem gilt ein behandelnder Arzt als befangen.

Daher: Wenn schon das Geld für ein (teures) Gutachten aufgebracht wird, bitte sorgfältig den Gutachter auswählen. Und: Nicht vorschnell im Vertrauen auf einen „Verschlimmerungsantrag“ eine Klage zurücknehmen!


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