Vorvertragliche Obliegenheiten – was ist das?

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Bereits vor dem Zustandekommen eines Versicherungsvertrages unterliegt man als Versicherungsnehmer bestimmten vorvertragliche Obliegenheiten. Das sind Verhaltensvorschriften, die beachtet werden müssen, bevor der Vertrag in Kraft tritt.

Werden sie verletzt, kann das in bestimmten Konstellationen den Verlust des Versicherungsschutzes bedeuten. Vor allem bei der privaten Kranken- oder Berufsunfähigkeitsversicherung haben diese Obliegenheiten einen hohen Stellenwert und sind oft der Grund für juristische Auseinandersetzungen.

Anzeigepflicht

Die wichtigste Obliegenheit ist die vorvertragliche Anzeigepflicht, die besagt, dass der Versicherungsnehmer alle Fragen des Versicherers bei der Antragstellung beantworten muss. § 19 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) sagt hierzu: „Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen.“

Erheblich ist grundsätzlich alles, wonach bei der Antragstellung gefragt wird. Das bedeutet, dass Sie als Versicherungsnehmer Ihrer Anzeigepflicht nachkommen und alle Fragen, die der Versicherer stellt, wahrheitsgemäß beantworten müssen.

Gerade bei Berufsunfähigkeits- und Krankenversicherungen werden Sie mit einer ganzen Reihe von Fragen über ihre gesundheitliche Situation konfrontiert, die sich meist auf die letzten fünf bis zehn Jahre vor Antragstellung beziehen.

Und genau da liegt später oft der Knackpunkt. Wenn Sie z.B. einen Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung stellen, fordert der Versicherer plötzlich das Vorerkrankungsverzeichnis, Behandlungsunterlagen des Hausarztes und ähnliches an, um zu prüfen, ob Sie vor Antragstellung tatsächlich gesund und fit waren.

Stellt sich heraus, dass solche Angaben im Antrag fehlen, wird zunächst die Leistung verweigert. Der Versicherer hat das Recht, vom Vertrag zurückzutreten, wenn die Nichtanzeige vorsätzlich oder grob fahrlässig war. Selbst wenn das nicht der Fall ist, kann der Versicherer den Vertrag binnen eines Monats kündigen.

Was tun beim Vorwurf der Verletzung der vorvertraglichen Obliegenheiten?

Sie haben jedoch verschiedene Möglichkeiten, dagegen anzugehen. Wurde der Antrag von einem Vertreter der Versicherung aufgenommen und haben Sie ihm zum Beispiel von einer Bandscheiben-Operation vor vier Jahren berichtet, gilt die Auge-und-Ohr-Rechtsprechung, denn der Vertreter des Versicherers ist Auge und Ohr des Versicherers. Wenn Sie ihm bei Antragstellung die gesundheitliche Situation offengelegt haben, haben Sie Ihre Anzeigepflicht erfüllt.

Auch bei dem Merkmal des vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verschweigens können Sie ansetzen. Haben Sie zum Beispiel einfach nur eine Grippe nicht angegeben, die Sie vor acht Jahren hatten, dafür aber andere, unter Umständen weitaus schlimmere Erkrankungen, wird es für den Versicherer schwer, nachzuweisen, dass Ihre Nichtanzeige der Grippe vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig war.

Hinweis- und Belehrungspflicht des Versicherers

Im Übrigen hat auch der Versicherer schon vor Vertragsschluss eine Hinweis- und Belehrungspflicht Ihnen gegenüber. Er muss Sie bei Antragstellung auf Ihre Anzeigepflicht hinweisen und insbesondere auf die Folgen einer Verletzung dieser Pflicht. Dieser Hinweis muss durch eine gesonderte Mitteilung in Textform erfolgen. Das bedeutet nicht zwingend, dass dieser Hinweis auf einem gesonderten Blatt Papier stehen muss. Aber er muss im Antragstext zumindest deutlich vom restlichen Text hervorgehoben sein. Hat der Versicherer den Hinweis einfach nur in einen Fließtext eingebaut, aber nicht durch Umrahmungen, Markierungen oder ähnliches vom übrigen Schriftbild abgehoben, ist dies nicht als gesonderte Mitteilung anzusehen.

Der Bereich der Verletzung vorvertraglicher Obliegenheiten ist mit vielen Regelungen, Ausnahmen von diesen Regelungen und Ausnahmen von den Ausnahmen sehr komplex. Wirft man Ihnen eine Verletzung vorvertraglicher Pflichten vor, sollten Sie auf jeden Fall einen Rechtsanwalt aufsuchen, der Spezialist für Versicherungsrecht ist.

 Sandra Deller, Rechtsanwältin


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