Was machen mgl. Erben bei Schulden? Risiken für Erben

  • 9 Minuten Lesezeit

1. Nachlass: Guthaben und Schulden zählen

Zum Erbe gehörten nur die Vermögenswerte wie Bankguthaben, Wertpapiere, Grundstück sondern auch die Verbindlichkeiten, z. B. Bestattungskosten, Kredite, Unterhaltsrückstände etc.
Das Gesetz sagt: „Das Vermögen geht als Ganzes über", § 1922 BGB. Man spricht von Gesamtrechtsnachfolge im Unterschied zum Vermächtnis, bei dem nur ein einzelner Gegenstand zugewendet werden soll. 
Grundsätzlich haftet der Erbe nach Annahme der Erbschaft oder nach Ablauf der sechswöchigen Ausschlagungsfrist gemäß § 1944 Abs.1 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt. 
Gläubiger des Nachlasses haben dann Zugriff auf den Nachlass einerseits und das Eigenvermögen des Erben andererseits. Wie man diese Haftung vermeiden kann, wird nachfolgend auszugsweise ausgeführt. Eine individuelle Beratung kann die nachfolgenden Zeilen nicht ersetzen. Auch übernimmt der Verfasser keinerlei Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit des Beitrages, der nicht ständig aktualisiert wird.

2. Wer wäre Erbe?

Vorrangig muss geklärt werden, wer überhaupt Erbe wäre.
Das erste Prinzip des gesetzlichen Erbrechts ist das sog. Parentelsystem:
Solange ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung vorhanden ist, sind die Verwandten nachfolgender Ordnung von der Erbschaft ausgeschlossen (§ 1930).
Es gehören zur

  • 1. Ordnung:
    die Abkömmlinge des Erblassers § 1924 Abs.1 BGB.
    An die Stelle des weggefallenen Abkömmlings treten dessen Abkömmlinge
  • 2. Ordnung:
    die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge § 1925 Abs.1 BGB
  • 3. Ordnung:
    die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge § 1926 Abs. 1 BGB
  • 4. Ordnung:
    die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge § 1928 Abs. 1 BGB

3. Kann man das Erbe ausgeschlagen?

Wenn sicher ist, dass man gar nicht erben will oder das Nachlass eindeutig überschuldet ist, kann man das Erbe ausschlagen. Die Ausschlagung erfolgt in schriftlicher Form.
Die Unterschrift muss von einem Notar beglaubigt werden
Danach ist diese Erklärung dem Nachlassgericht vorzulegen.
Die Ausschlagung kann auch zur Niederschrift des Nachlassgerichts erklärt werden.
Eine Ausschlagung darf nicht unter einer Bedingung erklärt werden (z. B. um einer bestimmten Person das Erbe zukommen zu lassen).
Es empfiehlt sich, die Gründe der Ausschlagung (z. B. Überschuldung des Nachlasses) in der Erklärung anzugeben.
Ferner kann es zweckmäßig sein, die Ausschlagung ausdrücklich „aus allen Berufungsgründen", das heißt, aufgrund gesetzlicher und auch testamentarischer Erbfolge, zu erklären.

4. Welche Frist gilt für die Ausschlagung?

Die Ausschlagung ist nur wirksam, wenn die Erklärung innerhalb einer Frist von sechs Wochen dem Nachlassgericht zugeht. Fristbeginn ist der Zeitpunkt, in dem der Erbe von dem Anfall der Erbschaft und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt hat.
Wie die Kenntnis erlangt wurde, ist nicht von Bedeutung. Es ist also nicht erforderlich, dass ein Schreiben des hiesigen Gericht vorliegt. Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) berufen, so beginnt die Frist nicht vor Eröffnung der Verfügung von Todes wegen durch das Gericht.
Für einen Erben, der erst durch die Ausschlagung einer zunächst zur Erbschaft berufenen Person Erbe geworden ist, beginnt die Frist mit Kenntnis dieser Tatsache.

5. Welches Gericht ist für die Ausschlagung zuständig?

Als Nachlassgericht ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte. Maßgeblich ist der tatsächliche - nicht nur kurzfristige - Aufenthalt.

6. Wie läuft die Erbausschlagung für Minderjährige?

Für minderjährige Kinder oder Betreute können nur die gesetzlichen Vertreter, die die Vermögenssorge innehaben (beide sorgeberechtigten Eltern, der Vormund oder Betreuer), die Erbschaft ausschlagen. Es gelten die oben benannten Form- und Fristvorschriften.
In der Regel ist zur Ausschlagung durch den gesetzlichen Vertreter die Genehmigung des Vormundschaft- oder Familiengerichts erforderlich, die auch innerhalb der obengenannten Frist bei dem Nachlassgericht eingegangen sein muss.
Hier ist zu beachten, dass der Ablauf der Frist während der Bearbeitungszeit beim Familiengericht gehemmt ist. Sobald die familiengerichtliche bzw. vormundschaftsgerichtliche Genehmigung an den vertretungsberechtigten Elternteil zugestellt ist, läuft die Frist jedoch weiter. Die gerichtliche Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn das Kind erst durch die Ausschlagung des zunächst erbberechtigten Elternteils Erbe geworden ist, der das Kind auch gesetzlich vertritt.

7. Welche Wirkung hat die Ausschlagung?

Grundsätzlich ist die Ausschlagung unwiderruflich.
Die Wirkungen der Ausschlagung sind in § 1953 BGB geregelt:

  1. Wird die Erbschaft ausgeschlagen, so gilt der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt. 
  2. Die Erbschaft fällt demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte; der Anfall gilt als mit dem Erbfall erfolgt. 
  3. Das Nachlassgericht soll die Ausschlagung demjenigen mitteilen, welchem die Erbschaft infolge der Ausschlagung angefallen ist. 

Einfacher ist die rechtliche Folge der Ausschlagung nachfolgend ausgedrückt:
Der Ausschlagende wird quasi so behandelt, als sei er bereits verstorben, sein Erbteil geht (mit Ausnahmen in Spezialfällen) an seine Erben.

8. Beschränkung der Haftung auf den Nachlass

Wenn die Verbindlichkeiten das Vermögen überwiegen oder nur Verbindlichkeiten vorhanden sind, gibt es die Möglichkeit, die Haftung auf die Höhe des Nachlasses zu beschränken.
Dies ist möglich durch

  1. Anordnung der Nachlassverwaltung 
    (Bei der Nachlassverwaltung übernimmt ein Dritter die gesamten Geschäfte des Erben zur Abwicklung des Nachlasses treuhänderisch)
  2. die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens.

Die Nachlassverwaltung wird vom Nachlassgericht auf Antrag der Erben eingeleitet.
Zu beachten ist, dass die Beantragung der Nachlassverwaltung nicht mehr möglich ist, wenn der Erbe bereits unbeschränkt haftet.
Das Nachlassgericht bestellt zunächst einen Nachlassverwalter, vorausgesetzt der Nachlass deckt zumindest die Kosten der laufenden Verwaltung und der Bestellung.
Ansonsten würde die Nachlassverwaltung mangels Masse abgelehnt werden.
Wenn eindeutig feststeht, dass der Nachlass immer mehr Schulden als Masse bietet, also überschuldet ist, muss zur Vermeidung der unbeschränkten Haftung der Erben unverzüglich bei dem zuständigen Amtsgericht Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gestellt werden.

9. Nachlassinsolvenzverfahren

Der Nachlass als Sondervermögensmasse kann gemäß § 11 Abs.2 Nr. 2 InsO Gegenstand eines eigenständigen Insolvenzverfahrens sein. Das Nachlassinsolvenzverfahren ist in den §§ 315 bis 334 InsO und in den §§ 1975 BGB ergänzend geregelt. Für Erben und Nachlassgläubiger bringt ein Nachlassinsolvenzverfahren eine Reihe von Besonderheiten und Risiken mit sich.
Das Nachlassinsolvenzverfahren hat das Ziel, sowohl das Eigenvermögen des Erben vor dem Eingriff der Nachlassgläubiger zu schützen, also auch eben diesen Zugriff auf die Vermögenswerte des Nachlasses zu ermöglichen, vgl. Braun/Bauch, InsO, 5. Auflage, Vorbem. § 315 Rz.45. 
Wenn dem Erben bekannt wird, dass der Nachlass zahlungsunfähig und/oder überschuldet ist, unterliegt er der Insolvenzantragspflicht gemäß § 1980 Abs.1 Satz 1 BGB. 
Diese Insolvenzantragspflicht besteht auch für den Nachlassverwalter, soweit ein solcher eingesetzt wurde, §§ 1980 Abs.1, 1985 Abs.2 BGB.

10. Risiken für Erben

  • Inventarfrist versäumen
    Versäumen der gerichtlich festgesetzten Frist zur Erstellung eines Inventars, § 1994 Abs. BGB Folge: unbeschränkte Haftung des Erben
  • Inventaruntreue
    Inventaruntreue, § 2005 Abs.1 S.1 BGB: Folge: unbeschränkte Haftung des Erben
  • Versicherung nicht abgeben
    Verweigerung der Abgabe des eidesstattlichen Versicherung gemäß § 2006 InsO. Folge; unbeschränkte Haftung des Erben.
  • Veräußerung von Vermögensgegenständen
    Der Erbe gilt ab Erbfall bis zur Erbschaftsannahme gemäß § 1978 Abs.1 Satz 2 BGB als Geschäftsführer ohne Auftrag, §§ 677 BGB. Soweit der Erbe Nachlassgegenstände veräußert hat, ergibt sich die Ersatzpflicht für die Veräußerung gemäß der §§ 667, 668 und 681 BGB. Der Erbe hat kein Zurückbehaltungsrecht an einzelnen Vermögenswerten.
  • Befriedigung von Nachlassgläubigern
    Erfolgt die Befriedigung einzelner Nachlassgläubiger in Kenntnis der Unzulänglichkeit des Nachlasses, so handelt der Erbe in seiner Stellung als Beauftragter oder als Geschäftsführer ohne Auftrag pflichtwidrig und es besteht eine Ersatzpflicht gemäß § 1978 Abs. 2 BGB.
  • Insolvenzanfechtungsrechte des Insolvenzverwalters: Der Insolvenzverwalter kann gemäß der §§ 129 ff InsO sowohl Rechtshandlungen des Erblassers als auch Rechtshandlungen des Erben anfechten, sofern diese Rechtshandlungen die Gläubiger unangemessen benachteiligen.
    Voraussetzung ist, dass der befriedigte Gläubiger Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatte.
    Gemäß § 322 InsO sind die Leistungen des Erben, welche dieser vor der Eröffnung des Verfahrens erfüllt hat, anfechtbar; dazu gehören die Erfüllung von Vermächtnissen, Auflagen und die Begleichung von Pflichtteilsansprüchen, vgl. Sladek/Heffner/Graf Brockdorff Insolvenzrecht 2013/2014 Deutscher Sparkassenverlag S. 20.
    Bei der Anfechtung ist auch der Schenkungstatbestand des § 134 i.V.m. § 146 InsO zu beachten, wonach unentgeltliche Leistungen, die nicht früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind, anfechtbar sind.

11. Exkurs: Das Vermächtnis

Ein Vermächtnis kann vom Erblasser in einem Testament angeordnet oder in einem Erbvertrag vereinbart werden.
Beim Erbe ist das ganze Vermögen betroffen und der Erbe wird Rechtsnachfolger. Der Vermächtnisnehmer erhält dagegen nur einen bestimmten Vermögensgegenstand und wird dadurch aber nicht Rechtsnachfolger. Der Vermächtnisnehmer ist daher nicht Erbe, vielmehr kann er von dem Erben, die Herausgabe verlangen. Ein Vermächtnis ist gemäß § 1939 BGB Zuwendung einer Vermögensvorteils aus dem Nachlass.
Gegenstand eines Vermächtnisses können sein

  • Einzelne Gegenstände z. B. persönliche Gegenstände oder wertvolle Antiquitäten
  • Tiere (die ausdrücklich keine Sachen sind, § 90a BGB)
  • Sachgesamtheiten - wie ganze Betriebe
  • Immobilien
  • Forderungen (Kaufpreisansprüche, Rückzahlungsforderungen aus Darlehn u. a. Werklohn)
  • Nutznießung und Rechte (Wohnrechte, Erträge, aus vermieteten Wohnungen oder Renditen aus Wertpapieren u. a.)
  • Handlungen (Tun oder Unterlassen z.B. Erlass von Forderungen und Verzichte)
  • Dienstleistungen.

Gesetzliche Regelungen: §§ 2147 ff. BGB 

Der Vermächtnisnehmer erhält nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Verschaffung des Zugewendeten gegen denjenigen, der nach dem Willen des Erblassers den Anspruch des Vermächtnisnehmers aus dem Nachlass erfüllen soll, also meist der Erbe oder mehrere Erben.
Es kann aber auch ein anderer Vermächtnisnehmer seinerseits mit einem Vermächtnis (sogenanntes Untervermächtnis) beschwert werden, § 2147 BGB.
Abzugrenzen ist das Vermächtnis von der Auflage, die in § 2192 ff. BGB geregelt ist. Während das Vermächtnis dem Begünstigten einen eigenen, einklagbaren Anspruch auf Erfüllung einräumt, ist dies bei der Auflage nicht der Fall.

Formulierung eines Vermächtnisses:  

Die Aussetzung eines Vermächtnisses ist einfach, zumal es eine gesetzliche Auslegungsregel gibt in § 2087 BGB. Nach dieser Auslegungsregel liegt in der Zuwendung nur einzelner Gegenstände im Zweifel die Anordnung eines Vermächtnisses. 

Beispiel1: Meine Glashütter Armbanduhr erhält mein Sportfreund Ben Schuhmacher, Glashütterstraße 101a Dresden, alles andere erbt mein Sohn. Der Sohn ist Erbe und der Freund Vermächtnisnehmer. Das bedeutet, dass der Freund einen Anspruch gegen den Sohn als Erben auf Verschaffung des Eigentums und Herausgabe der Armbanduhr hat.

Beispiel 2: Meine Tochter T soll als Vermächtnis das Betriebsgrundstück erhalten. Mein Sohn S soll Alleinerbe sein.

Beispiel 3 (Hausratsvermächtnis): Mein Ehepartner erhält als Vermächtnis sämtliche in unserem gemeinsamen bewohnten Einfamilienhaus zum Zeitpunkt meines Todes befindlichen und in meinem Eigentum stehenden Gegenstände einschließlich meines privaten Pkw.  

Es gibt verschiedene Formen von Vermächtnissen:

  1. Ersatzvermächtnis: Für den Fall, dass der Bedachte den Eintritt des Erbfalles nicht erlebt, kann der Erblasser einen Ersatz anordnen (sogenanntes Ersatzvermächtnis gemäß § 2190 BGB).
  2. Nachvermächtnis: Ferner ist die Anordnung eines Nachvermächtnisses möglich. Bei diesem soll der Nachvermächtnisnehmer dann nach Eintritt eines Ereignisses von dem Vorvermächtnisnehmer den Gegenstand fordern können.
  3. Verschaffungsvermächtnis: Beim Verschaffungsvermächtnis muss der mit dem Vermächtnis Beschwerte den Gegenstand aus den Mitteln des Nachlasses erwerben und dem Vermächtnisnehmer verschaffen. 
  4. Wahlvermächtnis: Bedachter hat die Wahl
  5. Zweckvermächtnis: Erblasser legt fest, dass Bedachter nur Zahlung erhält, wenn er z.B. Studium aufnimmt.

Abtretung und Abtretbarkeit?

Da es sich bei dem Vermächtnis um einen schuldrechtlichen Anspruch handelt, unterliegt dieser den allgemeinen Regeln der Abtretung. 

12. Fazit: Rechtzeitige Regelung hilft

  • Teufel im Detail: Beim Erben und Vererben, Nachlassverbindlichkeiten, Erbausschlagung, Nachlassverwaltung steckt der Teufel im Detail. Eine Begleitung durch einen erfahrenen, besonnenen Rechtsanwalt ist daher sinnvoll, ja sogar notwendig. Dieser muss sich mit Erbrecht, Insolvenzrecht, den Risiken und der Haftungsbeschränkung auskennen. Er muss auch in der Lage sein, zu prüfen, ob der Nachlass überschuldet ist.
  • Qualifizierter Berater mit Spezialkenntnissen und Fähigkeiten erforderlich: Wenn Firmen im Nachlass des Erblassers sind, sind auch kaufmännische und betriebswirtschaftliche Zusatzkenntnisse des Beraters unumgänglich. Verhandlungsgeschick des Beraters ist hilfreich, um jahrelange Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
  • Testamentsvollstreckung eine Alternative: Die Testamentsvollstreckung bietet eine Möglichkeit zur Durchsetzung des letzten Willens und kann im Testament angeordnet werden, § 2197 BGB.

Ein Spezialist kann helfen, alles richtig zu gestalten, zu erklären und eine Haftung und Streit zu vermeiden.


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