Welche Arten von Behandlungsfehlern gibt es? Wann muss der Arzt Schadensersatz leisten?

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Der behandelnde Arzt greift in die körperliche Integrität seines Patienten ein und ist dementsprechend zu besonderer Sorgfalt verpflichtet. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass diese Sorgfalt missachtet wird und dem Arzt Behandlungsfehler unterlaufen. Alleine im vergangenen Jahr mussten sich nur die Gutachterkommissionen der deutschen Ärztekammern mit rund 10.000 Fällen beschäftigen. Dabei gibt es verschiedene Arten von Behandlungsfehlern, die jeder für sich zu einem Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld führen können.


Jeder Behandlung vorangestellt ist die Diagnose. Auch bei diesem ersten Schritt der ärztlichen Tätigkeit kann es bereits zu gravierenden Fehlern kommen, die den Genesungsprozess des Patienten in ganz erheblicher Art und Weise beeinflussen und zu weiteren Behandlungsfehlern führen können. Oftmals stellt sich ein Diagnosefehler erst bei der Einholung einer weiteren Meinung eines anderen Arztes oder im Rahmen des Behandlungsverlaufs heraus. Diagnosefehler sind durchaus häufig, entscheidend ist aber, ob diese vermeidbar gewesen wären. Der BGH stellt darauf ab, ob die falsche Interpretation von Befunden und sich daraus ergebende Diagnosen vertretbar waren oder der Arzt die Symptome und Befunde entgegen der aktuellen wissenschaftlichen Kenntnis völlig falsch eingeordnet hat. Damit schützt der BGH die Ärzte in den Fällen, in denen die Symptome und Befunde nicht einem klassischen Krankheitsbild zugeordnet werden können. Gleichzeitig ist aber hinsichtlich der Einschätzung eines Diagnosefehlers immer darauf abzustellen, zu welchem Ergebnis ein objektiver dritter Arzt gelangt wäre. Hätte der Arzt entsprechend den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu der korrekten Diagnose kommen müssen, liegt ein Behandlungsfehler vor, wenn er eine abweichende Diagnose stellt. Es handelt sich dann um einen groben, fundamentalen Diagnosefehler. Dies ist zum Beispiel gegeben, wenn ein Röntgenbild falsch ausgewertet wird oder nicht alle Befunde berücksichtigt wurden. 

Auch die unterlassene Befunderhebung kann zu einem Behandlungsfehler führen. Der BGH erkennt, wie gravierend ein solcher Fehler sein kann und der Arzt bei einer unterlassenen Befunderhebung nicht nur seine Sorgfaltspflicht verletzt, sondern damit auch in Kauf nimmt, dass dem Patienten nicht die notwendige Behandlung zuteil wird, die bei korrekter Stellung der Diagnose aber notwendig wäre. 

Daraus wiederum kann sich ein Therapiefehler ergeben, der aber natürlich auch ohne die falsche vorhergehende Diagnose möglich ist. Ein solcher liegt vor, wenn der behandelnde Arzt gegen die Regeln der ärztlichen Kunst handelt. In Betracht kommt die Wahl einer Behandlungsmethode, die nicht passend ist oder gar das Krankheitsbild des Patienten noch verschlechtert oder die fehlerhafte Durchführung einer im Prinzip korrekten Behandlungsmethode, was insbesondere oftmals bei operativen Eingriffen der Fall ist und in der Folge der Patient weitere Gesundheitsschäden erleidet. Ärzte argumentieren oftmals damit, dass ihnen eine Therapiefreiheit zustünde. Der behandelnde Arzt ist in der Wahl der Behandlungsmethode und Therapie aber nur insoweit frei, als dass für die Therapie des Krankheitsbildes mehrere gleichwertige Methoden zur Verfügung stehen, die insbesondere auch hinsichtlich der Nebenwirkungen sich in einem ähnlichen Rahmen halten. Wenn der Arzt sich auf Grund des Krankheitsbildes des Patienten dazu entscheidet eine andere Therapiemethode anzuwenden oder von der Regel-Dosierung abzuweichen, so muss dies mit dem Patienten vorher eingehend besprochen und diesem die Vor- und Nachteile dieser Therapiemethode offenbart werden. Nur so ist gewährleistet, dass der Betroffene ein mündiger Patient bleibt und in die Lage versetzt wird, eine für ihn weitreichende Entscheidung zu treffen, ohne seine Entscheidungsfreiheit gänzlich unwissend in die Hände des Arztes legen zu müssen. 

Die Aufklärung des Patienten ist zentraler Bestandteil des Arzt-Patientenverhältnisses, welcher auch die Rechtsprechung innerhalb der letzten Jahre immer größere Bedeutung beimisst, sodass auch der alleinige Aufklärungsfehler an sich zu einer Haftung des Arztes führen kann. Dabei muss die Aufklärung umfassend und spezifisch sein. Der Arzt muss den Patienten genau über das Krankheitsbild und dessen Folgen bei Behandlung und Nichtbehandlung aufklären, ebenso über die Möglichkeiten der Behandlungsmethoden und deren Risiken und Nebenwirkungen. Insbesondere muss die Aufklärung des Patienten einzelfallbezogen sein und rechtzeitig erfolgen. Erfolgt dies nicht, kommt eine Haftung des Arztes insbesondere dann in Betracht, wenn der Patient bei Kenntnis von anderen Behandlungsmöglichkeiten oder der eingetretenen Nebenwirkungen sich gegen die durchgeführte Behandlung entschieden hätte.


Es zeigt sich also, dass es viele verschiedene Formen von Behandlungsfehlern gibt, die oftmals zusammenhängen und zu weiteren Fehlern führen können. Deswegen ist es bei dem Verdacht des Bestehens eines Behandlungsfehlers so wichtig, sich an einen auf diese Thematik spezialisierten Rechtsanwalt zu wenden, sämtliche Behandlungsunterlagen auswerten zu lassen und mit aktuellen medizinischen Erkenntnissen in Kontext zu setzen, um Behandlungsfehler aufzudecken und so Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche durchsetzen zu können.


DIE KANZLEI Nadolny steht Ihnen daher in diesem sensiblen Bereich bundesweit zur Seite. Wir beraten und vertreten Sie in allen Angelegenheiten des Medizinrechts.



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