Welche rechtlichen Vorteile bietet die amtliche Feststellung einer Schwerbehinderung?

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Nach dem Gesetz gelten Menschen als behindert, wenn  ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen.

Dies muss mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate der Fall sein und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigen.

Als schwerbehindert nach dem Gesetz gilt man, wenn ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt ist.

Mit der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft sind vor allem folgende rechtlichen Vorteile verbunden:

1. Die Altersrente  früher

Die Altersrente kann früher, ggf. bereits ab dem 60.Lebensjahr bezogen werden.

2. Besonderer Kündigungsschutz   

Im Arbeitsleben stehende Schwerbehinderte genießen einen besonderen Kündigungsschutz.  Sie können nur mit vorheriger Zustimmung des Integrationsamts gekündigt werden. Anderenfalls ist die Kündigung unwirksam. Zudem muss stets eine Kündigungsfrist von mindestens 4 Wochen eingehalten werden.  

3. Schutz vor Mehrarbeit

Auf Verlangen sind Schwerbehinderte von jeglicher Form der Mehrarbeit freizustellen.   

4. Anspruch auf Zusatzurlaub 

Schwerbehinderte haben einen zusätzlichen bezahlten Urlaubsanspruch von 5 Arbeitstagen jährlich.   

5. Steuerermäßigungen 

Schwerbehinderten Menschen können bei der Einkommensteuer Freibeträge gestaffelt nach ihrem Grad der Behinderung geltend machen. Steuerermäßigungen gelten teilweise auch für Menschen, die noch nicht als schwerbehindert zählen, weil der Grad der Behinderung unter 50 liegt.   

Ab 2021 gelten deutlich angehobene Pauschbeträge, die der Bundestag kürzlich erst beschlossen hat:

Ab einem Grad der Behinderung von mindestens 20 ein Pauschbetrag in Höhe von 384 Euro,

Ab einem Grad der Behinderung von mindestens 30 ein Pauschbetrag in Höhe von 620 Euro,

Ab einem Grad der Behinderung von mindestens 40 ein Pauschbetrag in Höhe von 860 Euro,

Ab einem Grad der Behinderung von mindestens 50 ein Pauschbetrag in Höhe von 1140 Euro,

Ab einem Grad der Behinderung von mindestens 60 ein Pauschbetrag in Höhe von 1440 Euro,

Ab einem Grad der Behinderung von mindestens 70 ein Pauschbetrag in Höhe von 1780 Euro,

Ab einem Grad der Behinderung von mindestens 80 ein Pauschbetrag in Höhe von 2120 Euro,

Ab einem Grad der Behinderung von mindestens 90ein Pauschbetrag in Höhe von 2460 Euro,

Ab einem Grad der Behinderung von 100 ein Pauschbetrag in Höhe von 2840 Euro.

Bei behinderten Menschen, die infolge der Behinderung hilflos sind sowie für Blinde erhöht sich der Pauschbetrag nochmal deutlich.  

6. Weitere Nachteilsausgleiche 

Darüber hinaus gibt es im Falle der Merkzeichen „H“ (Hilflosigkeit), „Bl“ (Blind)und „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) eine Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer.

Beim Merkzeichen „ G“ für die einfache Gehbehinderung werden eine ermäßigte Kraftfahrzeugsteuer bzw. einkommensabhängige Vergünstigungen im ÖPNV gewährt.

Behinderten Menschen mit dem Merkzeichen „G“ und „B“  haben Anspruch auf eine kostenlose Beförderung einer Begleitperson im ÖPNV.

Im Falle der Merkzeichen „Bl“ und „aG“ gibt es Parkerleichterungen im öffentlichen Straßenraum.

Daneben sind vor allem verschiedene Hilfen zur Förderung im Arbeitsleben vorgesehen.  

7. Fazit: Es kann sich lohnen, die Schwere der Behinderung formell feststellen zu  lassen. 

Dazu ist ein Antrag an das Versorgungsamt (oder Integrationsamt) erforderlich. Wichtig sind dabei  Angaben möglichst über alle gesundheitlichen Beeinträchtigungen idealerweise mit fachärztlichen/m Befundbericht(en).

Sollte der Grad der Behinderung vom Versorgungsamt zu niedrig bewertet worden sein, ist ein Widerspruch dagegen sinnvoll.

Oft wird die Entscheidung nicht begründet, so dass nicht klar ist, wie das Amt  zu seiner Einschätzung gekommen ist. 

Sollte trotz entsprechender ärztlicher Befundberichte auch im Widerspruchsverfahren keine befriedigende Entscheidung getroffen werden, kommt eine Klage in Betracht.  

Denn auch im Widerspruchsverfahren wird  das Amt seiner Pflicht zur sorgfältigen Überprüfung des Gesundheitszustands des Betroffenen oft nicht ausreichend gerecht.

Die Chancen dann im Klageverfahren sein Recht zu bekommen, stehen allgemein nicht schlecht.

angehobene Pauschbeträge, die der Bundestag kürzlich erst beschlossen hat:


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