Wer vor dem Strafrichter gesteht, haftet auch zivilrechtlich?

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Nicht ohne weiteres. So sieht es der BGH in seinem Urteil vom 26. August 2021, Az.: III ZR 189/19.

DER FALL

Der Kläger K investierte in ein Anlagemodell der XY AG. Laut Modell sollte er Eigentümer einer bestimmten Anzahl an Teakbäumen in Costa Rica werden, die zwanzig Jahre nachhaltig gepflegt, dann gefällt und verkauft werden sollten. Der Erlös sollte K als steuerfreie Rendite zufließen.

Angeblich. Geld sollte der Kläger tatsächlich keines sehen, denn anstatt an einem nachhaltigen Ökoprojekt hatte er sich an einem Betrugskonzept beteiligt. Es folgten Strafanzeige, Einstellung des Vertriebs und Insolvenz der Gesellschaft. Der einschlägig vorbestrafte Initiator und Alleinvorstand der XY AG wurde rechtskräftig wegen gewerbsmäßigem Betrug verurteilt.

K möchte nun sein Geld zurück und hat deshalb den Beklagten B zivilrechtlich auf Schadensersatz verklagt. Dieser war zwar nicht aktiv am Betrugsgeschehen beteiligt; im Strafverfahren war ihm aber Beihilfe zu den Taten des Initiators vorgeworfen worden, unter anderem weil B Räume zur Verfügung gestellt, bei einer weiteren Finanzierung und beim Vertrieb geholfen haben soll. B wurde wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt. Ausschlaggebend hierfür war eine schriftliche „persönliche Erklärung“, in den Augen des Strafgerichts ein Geständnis.

Im zivilrechtlichen Verfahren behauptete B dann, nichts von dem Betrug gewusst zu haben. Das strafrechtliche Geständnis widerrief er. Die „persönliche Erklärung“ habe sein Verteidiger formuliert und sei von B allein aus dem Grund abgegeben worden, um aus der U-Haft entlassen zu werden. Die Vorinstanzen blieben davon unbeeindruckt und verurteilten B ohne Beweisaufnahme zur Zahlung von Schadensersatz an K, letztlich gestützt auf die strafrechtliche Verurteilung.

DAS URTEIL DES BGH

Der BGH stand nun vor der Frage, ob der Zivilrichter strafrechtliche Feststellungen unbesehen und ohne eigene Prüfung übernehmen darf.

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Nein, befanden die Karlsruher Richter. Das strafrechtliche Urteil und im dortigen Verfahren getroffene Feststellungen seien für den Zivilrichter nicht bindend. Vielmehr müsse sich dieser selbst sein Urteil bilden, wozu er jedoch wiederum die Strafakten samt Urteil grundsätzlich als Beweismittel heranziehen dürfe. Bei einem engen rechtlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen beiden Verfahren müsse sich das Zivilgericht mit den Feststellungen des Strafgerichts auseinandersetzen und daraus seine eigenen Schlüsse ziehen.

Was bedeutet ein Geständnis im Strafprozess für die Schadensersatzklage? 

Beim zivilrechtlichen Geständnis nach § 288 ZPO – Gegner gesteht im Prozessverlauf vom Anspruchsteller behauptete Tatsachen zu – erübrigt sich eine Beweisaufnahme.

Anders ist die Wirkung des strafrechtlichen Geständnisses auf das Zivilverfahren: Eine Beweisaufnahme ist hier gerade nicht überflüssig, denn das Geständnis wurde nicht innerhalb des relevanten Verfahrens abgegeben, es ist lediglich ein Indiz.

Nur im Einzelfall könne ein strafrechtliches Geständnis so große Beweiskraft entfalten, dass es auch für eine zivilrechtliche Verurteilung reiche, selbst dann, wenn es das einzige Beweismittel sei und selbst dann, wenn es – wie hier – widerrufen wurde. Wann dieser Einzelfall konkret vorliegt, verrät der BGH leider nicht.

Wer muss was beweisen? 

Im entschiedenen Fall hatte der Kläger schlüssig unter Heranziehung des Strafurteils alles Notwendige vorgetragen. Nun war der Beklagte am Zug gewesen, der seinerseits alles aufs Tapet gebracht hatte, um die Behauptungen des Klägers zu entkräften.

Nun wäre es wiederum Sache des Klägers gewesen, zu beweisen, dass das strafrechtliche Geständnis richtig war.

Das OLG hätte nicht einfach, wie geschehen, wegen des Strafurteils den B zur Zahlung von Schadensersatz verurteilen dürfen. Vielmehr hätte es über den vom Kläger behaupteten Gehilfenvorsatz Beweis erheben müssen. Da dies nicht geschehen ist, hob der BGH das vorinstanzliche Urteil auf und verwies es zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.

Foto(s): @canva


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