Wettbewerbsrecht Ärzte-Bewertungsportal Jameda: Premiumfunktionen teilweise unzulässig

  • 4 Minuten Lesezeit

Die Diskussion um die bislang höchstrichterlich noch ungeklärte Frage, ab wann eine Bewertungsplattform die Rolle als „neutrale Informationsmittlerin“ verlässt und unzulässig in den Wettbewerb der zu bewertenden Dienstleistenden eingreift, ist aufgrund eines aktuellen Urteils des OLG Köln neu entflammt (OLG Köln, Urt. v. 14.11.2019, Az. 15 U 89/19 und 15 U 126/19). 

Geklagt hatten zwei Ärztinnen, die die Löschung der auf der Ärzte-Bewertungsplattform Jameda von ihnen ohne Einwilligung angelegten Profile verlangten. Nicht zum ersten Mal beschäftigt Jameda die deutschen Gerichte: Bereits 2014 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass Ärzte keinen Anspruch auf Löschung ihrer Basisdaten und Bewertungen auf dem Portal haben (Urt. v. 23.09.2014, Az. VI ZR 358/13). Im Februar 2018 entschied der BGH aber, dass das Portal dabei neutral bleiben muss (Urt. v. 20.02.2018 – Az. VI ZR 30/17). 

Das OLG Köln stellte im vorliegenden Urteil eine unzulässige unterschiedliche Behandlung von Basis- und Premiumkunden der Ärzteplattform fest und beanstandete insbesondere vier Funktionen. Jameda sei aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung „keine neutrale Informationsmittlerin“, weil sie zahlenden Ärzten Vorteile gewähre. Andere Funktionen erachtet das OLG jedoch, anders als das vorinstanzliche LG Köln, welche die gesamte Ausgestaltung für unzulässig befand, als zulässig.

Beide Kläger zählen zu sogenannten Basiskunden, deren Profil auf Jameda ohne ihre Einwilligung erstellt wurde und die im Gegensatz zu sogenannten Premium- oder Platinkunden kein Geld an die Plattform zahlen. Von den Klägern beanstandet wurde insbesondere der Verweis auf eine Liste mit weiteren Ärzten, die auf dem Profil von Basiskunden angezeigt wird. 

Bei Premiumkunden hingegen sind keine solchen Verweise auf Kollegen zu finden. Darüber hinaus werden zahlende Ärzte mit einem Bild gelistet, während Basiskunden lediglich als grauer Schattenriss angezeigt werden. Auf den Profilen von Basiskunden findet sich weiterhin ein Verweis auf Fachartikel von zahlenden Ärzten, während auf den Profilen der Premium- oder Platinkunden ein solcher Verweis unterbleibt. Schließlich sei auch der Hinweis auf eine Liste mit Ärzten für spezielle Behandlungsgebiete unzulässig, der ebenfalls auf den Profilen zahlender Ärzte nicht zu sehen ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei entscheidend, ob die Plattform ihre grundsätzlich geschützte Position als „neutrale Informationsmittlerin“ dadurch verlassen habe, dass sie den zahlenden Kunden „verdeckte Vorteile“ zukommen lasse. Das sei der Fall, wenn die ohne ihre Einwilligung aufgenommenen Basiskunden auf dem Portal als „Werbeplattform“ für Premiumkunden benutzt würden und letzteren durch die Darstellung ein Vorteil gewährt werde, der für die Nutzer nicht erkennbar sei. Dann diene das Portal nicht mehr allein dem Informationsaustausch zwischen (potenziellen) Patienten. In diesem Fall müssten Ärzte nicht hinnehmen, ohne ihre Einwilligung als Basiskunden aufgeführt zu werden. Mit den vorbeschriebenen Funktionen verlasse das Portal die Funktion als „neutraler Informationsmittler“.

In seiner Entscheidung unterzog das OLG jede der vier beanstandeten Funktionen der Plattform einer Einzelbetrachtung. Zunächst widmete es sich dem zwischenzeitlich abgeschafften Button, der es Nutzern erlaubte, sich auf dem Profil von Basiskunden weitere Ärzte in der Umgebung anzeigen zu lassen. Bei Premiumprofilen fehlte diese Funktion. Hierdurch, so das Gericht, entstehe der Eindruck, dass Premiumkunden keine Konkurrenz in ihrer näheren Umgebung hätten. Für Nutzer sei nicht ersichtlich, warum dieser als „Absprungplattform“ auf andere Arztprofile zu verstehende Button nur auf Basisprofilen angezeigt werde. Obwohl die Funktion zwischenzeitlich abgeschafft wurde, bejahte das OLG einen entsprechenden Unterlassungsanspruch der Kläger wegen Wiederholungsgefahr.

Auch die unterschiedliche bildliche Darstellung von Basis- und Premiumprofilen in Auflistungen der Plattform sei unzulässig, so die Richter. Das erhebliche „optische Gefälle“ zwischen beiden stelle einen lenkenden Eingriff von Jameda im Vorfeld der Arztwahl dar und gewähre Premiumprofilen einen verdeckten Vorteil.

Einen solchen unzulässigen Vorteil sieht das Gericht auch in dem Hinweis auf Fachbeiträge anderer Ärzte, der nur auf Basisprofilen erscheint und bei Nutzern den Eindruck entstehen lasse, dass Basiskunden keine entsprechenden Artikel veröffentlichen könnten. Tatsächlich könne diese Funktion aber nur bei Buchung eines Premiumpakets durch den Arzt genutzt werden. Jedenfalls wenn die eingeblendeten Artikel von zahlenden Ärzten stammten, die in einer Entfernung von bis zu 100 Kilometern zu nicht zahlenden Ärzten praktizierten, ergebe sich eine mögliche Konkurrenzsituation.

Ebenfalls ein unzulässiger verdeckter Vorteil sei der Hinweis auf andere Ärzte mit speziellen Behandlungsmethoden desselben Fachgebiets, welche sich wiederum ausschließlich auf Profilen von Basiskunden finden. Nutzern der Plattform werde dadurch suggeriert, dass der Arzt womöglich nicht ausreichend qualifiziert sei und sich die Suche nach einem qualifizierteren Spezialisten lohne.

Andere Funktionen wurden vom OLG Köln, anders als noch in der Vorinstanz, nicht beanstandet, etwa die Möglichkeit von Premiumkunden, Leistungen auf den eigenen Profilen in größerem Umfang vorzustellen als es Basiskunden möglich ist. Insoweit hatte die Berufung der beklagten Plattform Erfolg. Die Ansprüche der Kläger auf Löschung ihrer Profile wurden jeweils auf §§823 Abs.2, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 6 Abs.1 f) DS-GVO gestützt. Zusätzlich wurde festgestellt, dass sich die Bewertungsplattform nicht auf das sogenannte Medienprivileg der Datenschutzgrundverordnung (Art. 85 Abs. 2 DS-GVO) stützen kann. Das Geschäftsmodell der Plattform könne nicht als eigene meinungsbildende Tätigkeit aufgefasst werden, sondern allenfalls als ein Hilfsdienst zur besseren Verbreitung von (Dritt-)Informationen.

Noch immer sind die Kriterien, wann eine Bewertungsplattform ihre Rolle als „neutrale Informationsmittlerin“ verlässt, nicht höchstrichterlich geklärt. Da das OLG jedoch für beide Parteien die Revision zugelassen hat, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich in nächster Zukunft der BGH mit dieser sich immer drängender stellenden Frage befassen muss.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Kai Jüdemann

Beiträge zum Thema