Wüstenrot Bausparkasse AG unterliegt vor dem Landgericht Stuttgart, Urt. v. 24.11.2015, 12 O 97/15

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Die Wüstenrot Bausparkasse AG unterliegt vor dem Landgericht Stuttgart – Urt. v. 24.11.2015 – Az. 12 O 97/15

Mit Urteil vom 24.11.2015 – Az. 12 O 97/15 hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart zugunsten der Bausparer entschieden, dass die bei der Beklagten bestehenden Bausparverträge durch die Wüstenrot Bausparkasse AG nicht wirksam gekündigt wurden und deshalb zu unveränderten Bedingungen fortbestehen.

Streitgegenstand waren vier noch nicht voll angesparte Bausparverträge, die durch die Wüstenrot Bausparkasse AG unter Berufung auf ein Kündigungsrecht gem. § 489 Abs.1 Nr. 2 BGB gekündigt wurden.

Nach Ansicht des Landgerichts Stuttgart steht der Beklagten kein Kündigungsrecht aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu, da es an den Tatbestandsvoraussetzungen im Kündigungszeitpunkt fehle.

Gem. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB werde vorausgesetzt, dass das Darlehen „vollständig empfangen“ ist. Ein „Empfang“ des Darlehens liege vor, wenn der Darlehensgeber an den Darlehensnehmer einen Geldbetrag zu dessen Verfügung leistet, um das Darlehen zu valutieren. „Vollständig“ sei der Empfang dann, wenn es für den Darlehensgeber nicht mehr möglich ist, dem Darlehensnehmer einen weiteren Betrag als Darlehens zuzuwenden, zum Beispiel weil er seine Schuld erfüllt hat.

Entgegen der Ansicht der Beklagten, stellt das Landgericht Stuttgart für die Beurteilung der Vollständigkeit daher nicht auf den Zeitpunkt der Zuteilungsreife ab. Der Bausparer bleibe nämlich bis zum Beginn der Auszahlung der zugeteilten Bausparsumme zu weiteren Sparleistungen verpflichtet und trotz Zuteilungsreife bestehe für den Bausparer weiterhin die Möglichkeit Sparleistungen auf den Bausparvertrag zu leisten.

Auch die Besonderheiten des Bausparens streiten – nach gerichtlicher Beurteilung – gegen ein Abstellen auf die Zuteilungsreife. Die Zuteilungsreife sei regelmäßig dann gegeben, wenn eine bestimmte Bewertungszahl erreicht ist, welche von dem jeweiligen Tilgungsbeitrag des Bausparers und damit mittelbar von der Laufzeit des Bauspardarlehens abhängig ist. Dieser Zeitpunkt sei damit von dem Bausparer durch Änderung des Tilgungsbeitrags vor jeder Auszahlung quasi selbst bestimmbar. Dies führe dazu, dass der Bausparkasse keine Planungssicherheit verbliebe.

Auch widerlegt das Landgericht Stuttgart den Einwand der Beklagten, die Bausparkasse sei mit Zuteilungsreife dem Risiko ausgesetzt, für einen von ihr unbeeinflussbaren Zeitraum nicht marktgerechte Zinsen zahlen zu müssen. Dies verdeutliche der Wortlaut des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB („vollständig“), wonach eindeutig hervorgehe, dass der Gesetzgeber demjenigen, der sich auf diese Norm berufen möchte, ausdrücklich zumute, unter Umständen auch über 10 Jahre hinaus nicht markgerechte Zinsen zahlen zu müssen, wenn sich die Ansparphase bis zum vollständigen Empfang des Darlehens über einen längeren Zeitraum hinzieht.

Tauglicher Höchstdarlehensbetrag sei hingegen die Bausparsumme. Dieser stelle den einzigen Betrag dar, der parteiintern fest vereinbart ist und daher Planungssicherheit gewährleiste. Zudem stelle die Bausparsumme im Bausparvertrag die maßgebliche Bezugsgröße dar, sodass nach Ansicht des Landgerichts allein hierauf zurückzugreifen ist.

Auch sei kein Rückgriff auf §§ 313, 314 BGB möglich, da § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB als speziellere Norm vorgehe. Zwischen den Parteien habe sich lediglich das Risiko einer langen Bindung verwirklicht, das jedoch einzig auf die Höhe der Bausparsumme zurückzuführen sie. Hierauf habe sich die Beklagte freiwillig eingelassen, sodass § 313 BGB keine Anwendung finden könne. Auch die Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus sei kein nach § 313 BGB zu berücksichtigender Umstand, sondern werde bereits durch die Regelung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB hinreichend berücksichtigt.

Weiter führte das Landgericht aus, dass kein überwiegendes Interesse der Bausparkasse gegeben sei. Bei einem hohen Sparzins des Bausparvertrags steige im Vergleich zum allgemeinen Zinsniveau das Interesse des Bausparers an der Aufrechterhaltung des Vertrags im gleichen Maße, wie das Interesse der Bausparkasse, sich von diesem zu lösen.

Zudem liege kein Missbrauch des Bausparvertrags als reiner Sparvertrag (§ 242 BGB) vor, der eine Kündigung rechtfertige. Gem. § 1 Abs. 2 S. 1 BauSparkG ist ein Bausparvertrag gesetzlich definiert als ein Vertrag durch den der Bausparer nach Leistung von Bauspareinlangen einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens erwirbt. Im Ergebnis erwerbe der Bausparer also nur einen Anspruch auf das Bauspardarlehen, sodass das Gesetz dem Bausparer den Spielraum, den Anspruch nicht geltend zu machen, belässt.

Dieses Urteil verdeutlicht erneut die guten Erfolgsaussichten für Bausparkunden, die von einem gekündigten Bausparvertrag betroffen sind.

MPH Legal ServicesRA Dr. Martin Heinzelmann, LL.M. (Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht) – vertritt bundesweit Bausparkunden (u. a. der BHW, Wüstenrot und LBS) gegenüber Bausparkassen.


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