Zollaussetzung jetzt beantragen!

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Vorsprung im Import von Rohstoffen und Halbfertigerzeugnissen durch Aussetzungsmanagement –

von Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Sievert, Hamburg, www.zoll-aktuell.de

Für Rohstoffe, Halbfertigwaren und Bauteile, welche in der EU überhaupt nicht oder nicht in erforderlicher Qualität oder Menge erhältlich sind und deshalb importiert werden müssen, kann beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BMWi eine sogenannte autonome Zollaussetzung beantragt werden. Bei der autonomen Zollaussetzung handelt es sich um eine Abweichung vom Regelzollsatz aufgrund EU-Verordnung. Die Zollaussetzung ermöglicht Unternehmen, die Abweichung von der Anwendung der Drittlandszollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs entweder mengenmäßig unbegrenzt aber zeitlich begrenzt (Zollaussetzung) oder mit limitiertem Volumen (Zollkontingent). Sinn und Zweck der Zollaussetzung ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Verarbeitungsindustrien gegenüber Drittlandsimporten von Fertigwaren zu verbessern. Deshalb bleiben Antidumping-Zölle unberührt. Meiner Erfahrung nach sind Importeuren trotz der erheblichen finanziellen Entlastungen aufgrund von Zollaussetzungen weder die Möglichkeiten der Neubeantragung von Zollaussetzungen noch die Möglichkeiten der Nutzung bestehender Zollaussetzungen bekannt und werden viel zu wenig genutzt. Nur rund 60 Neuanträge auf Zollaussetzungen werden jedes Halbjahr in Deutschland gestellt.

Rechtsgrundlage einer gewährten Zollaussetzung ist die Verordnung (EU) Nr. 1344/2011. Im Anhang dieser Verordnung sind alle Waren aufgelistet, die derzeit bereits von Zöllen wegen bestehender Zollaussetzung befreit werden. Die 86 Seiten umfassende Liste ist deutlich unfangreicher, als es ein erstes Begriffsverständnis der Warenkategorien Rohstoffe, Halbfertigwaren und Teile vermuten lassen würde, denn beispielsweise werden auch bestimmte Videomonitore als durch Zollaussetzung privilegiert aufgeführt. Wer die Zollbefreiungen bei der Einfuhr in Anspruch nehmen will, muss auf der Zollanmeldung den für die jeweiligen Waren vorgesehenen TARIC-Code verwenden (die 9. und 10. Stelle der Warennummer sind anzupassen). Eine Reihe von Zollaussetzungen werden nur dann gewährt, wenn die begünstigte Ware einer bestimmten Verwendung zugeführt wird.

So heißt es für die beispielsweise für die Zollaussetzung Nickelhydrid-Akkumulatoren betreffend: „Nickelhybrid-Akkumulatoren zum Herstellen von wiederaufladbaren Batterien“.

Die Zulassung einer Zollabfertigung unter Inanspruchnahme dieser Zollaussetzung bzw. dieses Zollkontingents bedarf einer vorherigen Bewilligung durch das zuständige Hauptzollamt. Werden die begünstigt eingeführten Waren an einen anderen übertragen, muss auch der Übernehmer Inhaber einer entsprechenden Bewilligung sein. Alle Zollaussetzungen müssen nach der bereits erwähnten Verordnung (EU) Nr. 1344/2011spätestens nach fünf Jahren überprüft werden.

Der Überprüfungstermin jeder einzelnen Zollaussetzung ist in dem Dokument „Liste der zur Zeit bestehenden Zollaussetzungen“ in der Spalte "Überprüfungsdatum" angeführt. Damit Aussetzungen über den in der Spalte "Überprüfungsdatum" angeführten Termin hinaus verlängert werden, muss bei der Europäischen Kommission eine Verlängerung beantragt werden. Ein derartiger Verlängerungsantrag muss spätestens Ende Januar vor dem jeweils angegebenen Enddatum beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unter Verwendung des dafür vorgesehenen Formulars eingereicht werden.

In Deutschland werden die Anträge über das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gestellt. Dort findet eine sogenannte nationale Vorprüfung statt. Auf der Internetseite des BMWi sind detaillierte Informationen über Sinn und Zweck, Antragsverfahren und Ablauf unter der folgenden Adresse abrufbar: http://www.bmwi.de. Das BMWi ist auch zuständig für Einwände deutscher Unternehmen gegen beantragte Zollaussetzungen.

Die Mitgliedsstaaten leiten die Zollaussetzungsanträge weiter an die EU-Kommission, die darüber regelmäßig berät und halbjährlich entscheidet, welche Waren innerhalb welchen Zeitraums bei der Einfuhr in die EU vom Zoll befreit sein sollen. Deshalb ist jeder Importeur gut beraten rund zwei Monate vor der halbjährlichen Weiterleitung der Aussetzungsanträge an die EU, seinen Aussetzungsantrag beim BMWi gestellt zu haben. Spätere Anträge können bis zum 30.06. bzw. 31.12. nicht mehr im Rahmen der nationalen Vorprüfung bearbeitet werden.

Für die Neuanträge von Unternehmen gelten folgende Voraussetzungen:

  1. Die einzuführende Ware wird nicht oder in nicht ausreichender Menge oder Qualität innerhalb der EU hergestellt.
  2. Die einzuführende Ware dient der Weiterverarbeitung durch produzierende Unternehmen in der EU.
  3. Die jährliche Zollbelastung je Produkt erreicht eine Größenordnung von mindestens 15.000 Euro.

Insbesondere bei Produkten für die es keine Hersteller in der EU gibt, die identische oder gleiche Produkte in der EU herstellen, lohnt es sich also, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.

Die in Brüssel nach einer nationalen Vorprüfung eingehenden Anträge werden gebündelt unter einem Vorsitz der EU-Kommission frühzeitig vor der Runde zum 1. Januar oder zum 1. Juli beraten (die jeweilige Diskussionsrunde ist abhängig vom Zeitpunkt des Eingangs der Anträge bei der Kommission). Die Aussetzungen werden dabei nach eingehender Prüfung der wirtschaftlichen Gründe, aus denen sie beantragt werden, vorgeschlagen, und zwar nur dann, wenn mit einem Vorteil für die Wirtschaft der Union zu rechnen ist. In bestimmten Wirtschaftszweigen sind ermäßigte Zölle zur Förderung des Wettbewerbs notwendig, wie z. B. im Pharmasektor und in der Informationstechnologie.

Aufbauend auf den Beratungsergebnissen erstellt die EU-Kommission ihren VO-Vorschlag zur Beschlussfassung durch den EU-Ministerrat. Mit einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von gut zwölf Monaten bis zur Ratsverordnung muss gerechnet werden.

Falls Sie in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat der EU ein Produkt herstellen, für welches eine Zollaussetzung oder ein autonomes Zollkontingent besteht, können Sie gegen diese Zollaussetzung bzw. gegen dieses Zollkontingent mit einem formlosen Schreiben oder per E-Mail an das BMWi Einspruch einlegen. Sie können auch dann Einspruch einlegen, wenn ein von Ihnen in der EU hergestelltes Produkt in direkter Konkurrenz zu einem Produkt steht, für welches eine Zollaussetzung oder ein autonomes Zollkontingent besteht. Ein derartiger Einspruch hat in der Regel zur Folge, dass der Zollsatz für das entsprechende Produkt auf das nach internationalen Abkommen höchstzulässige Ausmaß angehoben wird.

Weiterhin erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass auch die Möglichkeit besteht, Zollaussetzungen unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich in Anspruch zu nehmen.

Meines Erachtens ist für jeden rechnenden im Außenhandel tätigen Kaufmann die Beschäftigung mit Zollaussetzungsanträgen zwingend. Betrugen doch beispielsweise in den Fällen von importierten Videorekordern die Zolleinsparungen teilweise 14 %.

Dr. jur. Frank Sievert

Rechtsanwalt, Hamburg

www.zoll-aktuell.de



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