Zu den komplexen Finanzinstrumenten nach der MiFID II

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Gemäß Art. 25 Abs. 10 der Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II) ist die ESMA verpflichtet, bis zum 03. Januar 2016 Leitlinien für die Bewertung von Finanzinstrumenten vorzulegen. Danach dürften komplexe Finanzinstrumente den Privatkunden ohne Anlegerberatung und ohne Angemessenheitsprüfung (also über den execution-only-Weg) nicht mehr angeboten werden. Die ESMA (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) hatte dazu am 24. März 2015 ein Konsultationspapier vorgelegt.

Nur Anleihen und ähnliche Schuldtitel, die zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind oder an einem gleichwertigen Drittlandsmarkt oder auf einer MTF („multilaterale Handelsplattform“) können potenziell gemäß den MiFID-II-Bestimmungen als nicht-komplex angesehen werden („Only bonds and similar debt instruments which are admitted to trading on a regulated market or on an equivalent third country market or on a MTF can potentially be deemed non-complex by the MiFID II provisions“), Seite 5 des Konsultationspapiers der ESMA). Hiernach käme es u.a. auf den Rechtsbegriff des „Handels an einem geregelten Markt“ an. Die EU-Auslegung kann nationales Recht beeinflussen.

In die nicht abschließend dargestellte Negativliste der komplexen Instrumente in dem Konsultationspapier gehören forderungsbesicherte Wertpapiere (Asset-backed securities and asset-backed commercial papers, Seite 11 des Konsultationspapiers).

In dem Konsultationspapier wird u.a. dazu ausgeführt: „The following types of debt instruments, which are non-exhaustive, are generally deemed to be complex by virtue of the above: i. Asset-backed securities and asset-backed commercial papers. The holder of an asset-backed security or asset-backed commercial paper relies directly and solely on the quality of the underlying assets – typically real property loans or consumer loans – for the repayment of the principal amount of the instrument. Such instruments, regardless of whether they are tranched or not, and regardless of their credit rating (if any), should be regarded as incorporating a structure that makes it difficult for the investor to understand the risk involved. They will accordingly always be complex for the purposes of Article 25(4) of MiFID II. Examples of ABS include Residential Mortgage Backed Securities (RMBS), Commercial Mortgage Backed Securities (CMBS) and Collateralised Debt Obligations (CDOs)”, Seite 11 des Konsultationspapiers.

Gemeint sind damit vor allem Anleihen, die durch Realkredite und durch Konsumentenkredite gesichert sind. Bei weiter Auslegung könnten aber auch Unternehmensforderungen unter den Begriff der forderungsbesicherten Anleihen fallen.

Mit komplexen Instrumenten sind ebenso Schultitel mit Nachrang gemeint (Subordinated debt instruments). Dazu heißt es auf Seite 12 des Konsultationspapiers: „The holder of a subordinated debt instrument (or subordinated commercial paper) is in a less favourable position than the holder of an ordinary debt instrument, since the reimbursement of the latter is not subordinated to the prior reimbursement of the debt held by others. This less favourable position is difficult to understand for the average retail investor. The prospectus and/or legal documentation of such securities is also challenging to understand. Such securities should therefore be regarded as complex”, Seite 12 des Konsultationspapiers.

Darunter dürften etwa Nachrangdarlehen fallen, ebenso nachrangige Schuldverschreibungen.

Erfasst sind ebenfalls Schuldtitel mit einem Emittentenermessen (Debt instruments with issuer discretion). Dazu wird in dem Konsultationspapier ausgeführt: „Where under the terms and conditions an issuer enjoys the right to modify significantly the cash flows related to the security, for example the payment of interest, the security should be considered complex, regardless of whether or not it may be deemed to embed a derivative”, Seite 12 des Konsultationspapiers.

Schuldverschreibungen mit den Möglichkeiten der Änderung der Anleihebedingungen durch Beschlüsse von Anleiheversammlungen aufgrund wesentlicher Einflussnahme durch den Emittenten könnten darunter fallen. In Betracht käme danach das Produktuniversum nach dem Schuldverschreibungsgesetz 2009 mit seinen nachträglichen schuldrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in Richtung Forderungsverzicht.

„Debt instruments with an unfamiliar or unusual underlying“ sind Schuldinstrumente, bei denen die Rückzahlung von einer komplexen Variablen oder von einer Kombination derselbigen abhängt, Seite 12 des Konsultationspapiers.

Bei „Schuldtitel mit komplexen Rückzahlungsgarantien“ (Debt instruments with complex guarantees of repayment of principal), Seite 14 des Konsultationspapiers, übernimmt eine dritte Partei Garantien in einer Weise, die nicht eindeutig erkennen lässt, wie die Mechaniken der Garantien funktionieren.

Durch die MiFID II wird der Kreis derjenigen Finanzinstrumente, die ohne eine Angemessenheitsprüfung an Privatkunden (im Gegensatz zum professionellen Kunden) vertrieben werden können, eingeengt. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Anleger über die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, ihre Anlageentscheidung und deren Risiken zu verstehen.


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