Zu den Wartungskosten für ein Hilfsmittel (hier Beinprothese) in der privaten Krankenversicherung

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– zum Urteil des BGH vom 07.11.2018 – IV ZR 14/17 –

Der Versicherungsnehmer (VN), dessen linkes Bein am Oberschenkel amputiert ist, trägt seit mehreren Jahren eine Beinprothese, die mit einem computergesteuerten Kniegelenk im Wert von über 40.000 € ausgestattet ist. 

Mit dem Erwerb der Prothese war eine dreijährige Herstellergarantie für das Kniegelenk verbunden. Nach den Herstellervorgaben für das Gelenk war u. a. zur „Aufrechterhaltung der Betriebssicherheit und Garantie“ nach 24 Monaten eine Serviceinspektion erforderlich. Diese ließ der VN im Sommer 2015 in der Weise durchführen, dass das Kniegelenk von seiner Orthopädiewerkstatt ausgebaut, an den Hersteller zur Inspektion versandt und nach Rücksendung von der Orthopädiewerkstatt wieder eingebaut wurde. Dabei wurde auch ein sogenannter Gel – Liner mit Distalanschluss ausgewechselt, der der Verbindung zwischen dem Prothesenschaft und dem Beinstumpf dient und der für den passgerechten Halt sorgt, indem er den Beinstumpf in gleichmäßiger Form hält und Druckstellen vermeidet. 

Während die Herstellerinspektion im Kaufpreis der Prothese enthalten war, fielen bei der Orthopädiewerkstatt Montage- und Servicekosten, ferner die Kosten für den Gel-Liner und weitere Kosten für diverse Kleinteile an. Diese Kosten stellte die Orthopädiewerkstatt dem VN in Rechnung. Dafür verlangte er sodann die Kostenerstattung durch seinen privaten Krankenversicherer.

Der private Krankenversicherer verweigerte die Erstattung mit dem Argument, er sei leistungsfrei, weil die Prothesenwartung keine medizinisch notwendige Heilbehandlung und in der abschließenden Hilfsmittelliste des Tarifs – was zutreffend ist – die Wartung auch nicht aufgeführt sei. Im Übrigen seien Leistungen für Hilfsmittel gleicher Art nur einmal innerhalb von drei Kalenderjahren erstattungsfähig. Das gelte auch für die Neben- und/oder Betriebskosten. Außerdem habe der BGH – was zutrifft – im Jahr 2009 z. B. Batteriekosten für ein Implantat als nicht erstattungsfähig angesehen.

Der VN fühlte sich über diese Auslegung der vereinbarten Tarifbestimmung unangemessen benachteiligt. Die im Tarif versprochene Hilfsmittelversorgung sei nicht gewährleistet, wenn erhebliche Hilfsmittelkosten nur alle drei Jahre erstattet werden würden.

Der Versicherungsnehmer klagte und hatte zunächst keinen Erfolg, bis die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt wurde. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil aus zweiter Instanz aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Laut der mit dem VN vereinbarten Versicherungsbedingungen bietet der Versicherer Versicherungsschutz für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannte Ereignisse. Er erbringt, sofern vereinbart, damit unmittelbar zusammenhängende zusätzliche Dienstleistungen. Im Versicherungsfall erbringt der Versicherer in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen.

Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht.

In dem zwischen den streitenden Parteien vereinbarten Tarifbestimmungen war u. a. das Folgende vereinbart:

„Erstattungsfähig sind die Kosten für technische Mittel, die körperliche Behinderungen unmittelbar mildern oder ausgleichen sollen.“

Laut des mit dem VN vereinbarten Hilfsmittelkatalogs ist die Versorgung mit Sehhilfen, Arm- und Beinprothesen, Einlagen oder maßgefertigten orthopädischen Schuhen, Gummistrümpfen, Hörgeräten, Sprechhilfen, Kunstaugen, Schienenapparaten, einem handbetriebenen Krankenfahrstuhl, Umstandsleibbinden vereinbart.

Leistungen für Hilfsmittel gleicher Art sind einmal innerhalb von drei Kalenderjahren erstattungsfähig.

Der BGH hat Folgendes herausgearbeitet:

Wenn, wie hier, nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen der Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen ist und der Versicherungsfall mit der Heilbehandlung beginne und erst dann ende, wenn nach medizinischem Befund die Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht, dann komme es nicht auf das Erfordernis, eine Beinprothese in gewissen Zeitintervallen warten zu müssen, an, sondern darauf, dass das linke Bein des VN am Oberschenkel amputiert ist. Darin liege die behandlungsbedürftige, körperliche Beeinträchtigung. Dieser Versicherungsfall sei auch nicht nach der Erstversorgung des VN mit einer Beinprothese abgeschlossen, sondern dauere infolge des irreparablen Beinverlustes lebenslänglich fort.

Die aufgrund ärztlicher Verordnung erfolgte Versorgung eines beinamputierten VN mit einer Beinprothese ist medizinisch notwendig im Sinne der vereinbarten Bedingungen. Die dafür erforderlichen Kosten sind nach dem vereinbarten Tarif zu erstatten, soweit das eingesetzte Hilfsmittel im Hilfsmittelkatalog benannt ist. 

Hier waren Beinprothesen im Hilfsmittelkatalog vereinbart, siehe oben. Dass die grob gehaltene Hilfsmittelliste nicht allzu lang ist, so der BGH, wird der durchschnittliche VN, auf dessen Verständnismöglichkeiten es bei der Auslegung der Tarifbedingungen ankommt, in Bezug auf den Begriff der Beinprothese so verstehen, dass damit alle Teile gemeint sind, die in ihrer Gesamtheit die Beinprothese bilden und deren bestimmungsgemäße Nutzung als Körperersatzstück ermöglichen. Hierzu zähle auch der ausgetauschte Gel-Liner, der die Verbindung der Prothese mit dem verbliebenen Oberschenkelstumpf gewährleisten soll und der nach dem Verständnis des juristisch nicht vorgebildeten durchschnittlichen VN einen Teil der Prothese bildet.

Die Erstattungspflicht des Versicherers beschränke sich nicht auf die reinen Anschaffungskosten der Beinprothese, sondern erfasse auch die Kosten, die für die Aufrechterhaltung der bestimmungsgemäßen Funktion und den sicheren Gebrauch des Hilfsmittels erforderlich sind, mithin Wartungs- und Reparaturkosten sowie Kosten für den Austausch von Verschleißteilen. 

Wartungs-, Reparatur- oder Betriebskosten sind keine eigenständigen Hilfsmittel, noch andersartige Kosten, sondern Kosten für das technische Hilfsmittel Beinprothese. Dieses soll als Körperersatzstück das Fehlen des Beins unmittelbar ausgleichen.

Nun hat zwar der BGH bereits im Jahr 2009 (BGH, Beschluss vom 13.05.2009 – IV ZR 217/08) einmal entschieden, dass z. B. Batteriekosten für ein bestimmtes medizinisches Implantat nicht erstattungsfähig wären. Dort lag aber eine andere Tarifbestimmung zugrunde, die erstattungsfähige Nebenkosten für medizinische Hilfsmittel konkret und ausdrücklich benannte. Batteriekosten waren dort nicht enthalten. Aus der klaren Differenzierung unterschiedlicher Kostenarten in dem 2009 – er Fall hatte der BGH seinerzeit gefolgert, dass alles, was dort nicht genannt ist, auch nicht erstattungsfähig ist.

Hier, im Fall der computergesteuerten Beinprothese, war zu den möglichen Nebenkosten nichts im Hilfsmittelkatalog gesondert vereinbart.

Deshalb urteilte der BGH, dass die Frage, in welchem Umfang und innerhalb welcher zeitlichen Intervalle das verordnete Hilfsmittel zum Erhalt seiner Betriebssicherheit einer Wartung und ggf. einer Erneuerung von Verschleißteilen bedarf, keine Frage der bereits durch die ärztliche Verordnung des Hilfsmittels als solchem bejahten medizinischen Notwendigkeit des Hilfsmitteleinsatzes ist, sondern eine Frage nach dem technischen, für den sicheren Betrieb der Prothese objektiv Gebotenen sei, zu deren Beantwortung es keiner gesonderten ärztlichen Wartungs- oder Reparaturverordnung bedarf, sondern die im Streitfall von einem technischen Sachverständigen zu klären ist. Entscheidend sei letztlich, in welcher Häufigkeit, Art und Weise die Funktion dieses computergesteuerten Kniegelenks überprüft werden muss, um eine betriebssichere Verwendung des Gerätes zu gewährleisten.

Und erweise sich eine Wartung als technisch geboten, spiele es im Weiteren für die Erstattungsfähigkeit der Wartungskosten auch keine Rolle, ob der Hersteller an diese Wartung eine Verlängerung der Garantie knüpfe.

Der Erstattungsanspruch des VN scheiterte aus Sicht des BGH auch nicht daran, dass nach den Tarifbestimmungen für Hilfsmittel gleicher Art nur einmal innerhalb von drei Kalenderjahren Kosten erstattungsfähig wären. Denn es handele sich bei der Prothese nicht um ein Hilfsmittel gleicher Art, sondern um das ursprüngliche Hilfsmittel. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer würde diese Formulierung immer so verstehen, dass sie nur bei einer zweiten Versorgung oder Ersatzbeschaffung zu Anwendung komme, aber nicht um die Wartungskosten für das originäre ursprünglich bewilligte Hilfsmittel.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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