Zulässigkeit der Kündigung von Online-Verträgen per Brief

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Zulässigkeit der Kündigung von Online-Verträgen per Brief


Verträge über das Internet werden in der Regel sehr schnell und unkompliziert abgewickelt – ob Online-Angebote wie Streaming-Dienste, Zeitschriften-Abonnements oder die Mitgliedschaft in der Online-Partnervermittlung. Schließlich will man den zahlenden Kunden keine lange Bedenkzeit geben, in der es sich den Vertragsabschluss noch einmal anders überlegen könnte. Vielmehr wollen die DSL-, Kabel- und Mobilfunk-Anbieter oder die Strom- und Gas-Versorger den Kunden möglichst rasch „einsacken“ und nicht mehr aus ihren Fängen lassen.  Will der Kunde nun doch später einmal kündigen, ist es vorbei mit dem vorherig in Anspruch genommenen Komfort. Viele Unternehmen stellen hohe Anforderungen bezüglich der Kündigung auf und fordern von ihren kündigungswilligen Kunden, die Kündigungsfristen einzuhalten, die richtige Adresse zu benennen und nicht zuletzt die richtige Form zu finden. Bei vielen Verbrauchern herrscht allerdings große Unklarheit bezüglich dieser Kündigungsmodalitäten, was letztlich dazu führt, dass viele Verbraucher schlechtweg auf die altbewährte Schriftform zugreifen und ein ausgedrucktes Kündigungsschreiben per Einschreiben absenden. Es stellt sich daher die Frage, ob Verträge, die ausschließlich über das Internet geschlossen wurden, auch jenseits des Internets – also unter anderem per Briefform – rechtswirksam gekündigt werden können.


Differenzierung zwischen Schriftform und Textform: Textform ist nicht gleich Schriftform

Verbraucher sollten zunächst einen Blick in die AGB werfen. Hieraus ergibt sich nämlich, in welcher Form eine Kündigung eingereicht werden muss. In der Regel muss eine Kündigung in Schriftform oder in Textform erfolgen. 

Eine vorgeschriebene Textform bedeutet, dass die Kündigung nur schriftlich erfolgen muss. Eine eigenhändige Unterschrift ist nicht zwingend notwendig. Ein lesbarer Text, aus dem eindeutig hervorgeht, wer und was erklärt bzw. gekündigt werden soll und der mit dem Namen des Absenders schließt, genügt bereits, um der Textform zu genügen. Somit werden neben den klassischen Briefen auch E-Mails ohne Unterschrift erfasst, vielmehr sogar auch SMS-Nachrichten sowie Telefax-Nachrichten. 

In den allermeisten Fällen ist bei einer Kündigung jedoch die Schriftform vorausgesetzt. Dann ist wiederrum eine eigenhändige Unterschrift notwendig. Liegen die technischen Voraussetzungen vor, kann auch ein Dokument, zum Beispiel eine E-Mail, mit einer elektronischen Signatur zulässig sein. Dazu benötigt man allerdings einen Signaturschlüssel, ein dazugehöriges Kartenlesegerät und eine PIN-Nummer. 


Gesetzesänderung zur vereinfachten Kündigung von Online-Verträgen – Gesetzgeber schreitet ein

Allerdings müssen bei diesen Anforderungen etwaige Benachteiligungen des Verbrauchers berücksichtigt werden. So hat zum Beispiel nicht jeder einen Drucker zu Hause oder die richtige Postadresse lässt sich teilweise nur schwer finden. Ist ein Unternehmen ausschließlich online aktiv, indem sowohl Vertragsschluss als auch sonstige Interaktionen, beispielsweise Vertragsänderungen, weitere Kommunikation, problemlos online erfolgen, dann darf für die Kündigung von Verträgen nichts anderes gelten. Vielmehr darf ebenso kein Ausschluss der E-Mail-Kündigung in den AGB festgelegt werden. Sodann kam es ab dem 01. Oktober 2016 auch zu einer entsprechenden Gesetzesänderung, welche normiert, dass keine strengere Form als die Textform für eine Kündigung verlangt werden darf. Diese macht es daher den Verbrauchern zukünftig leichter, sich von Verträgen und Mitgliedschaften zu lösen. In den AGB dürfen die Kündigungen nur noch maximal an die Textform gebunden werden. Verbrauchern ist es also grundsätzlich ermöglicht worden, solche Verträge per E-Mail zu kündigen.


Fallstricke, Lücken und Schwächen der neuen Regelung

Der Verbraucherschutz bezogen auf Kündigungen wird durch die Änderung jedoch nicht uneingeschränkt gewährleistet. So werden bei einem genauen Blick viele Lücken und Schwachpunkte ersichtlich, die es den Unternehmen ermöglichen, den Verbrauchern die Kündigung zu erschweren. Viele Anbieter werden nämlich weiterhin versuchen, Kündigungen zu verschleppen, indem sie zum Beispiel Mailadressen auf den Webseiten verstecken und bewusst kompliziert gestalten. Manche E-Mail-Adressen umfassen rund um die 39 Zeichen und müssen zusätzlich manuell abgetippt werden, da sie nicht kopiert werden können. Das ist nicht nur mühselig, sondern das sind womöglich auch 39 potenzielle Tippfehler, die einem Verbraucher unterlaufen können, wodurch die Kündigung den Empfänger niemals erreichen wird mangels ordnungsgemäßer Zustellung. 

Weitere Bedenken bestehen hinsichtlich der Beweispflicht über die Kündigung, die nach wie vor beim Verbraucher liegt. Er muss also nachweisen, dass die Kündigung fristgerecht beim Anbieter eingegangen ist. Bei einem Brief gibt es dazu das Einschreiben und beim Fax das Sendeprotokoll. Bei einer Kündigung per E-Mail, WhatsApp oder SMS – welches seit der Gesetzesänderung theoretisch mögliche Kündigungsformen darstellen – hingegen ist der Nachweis schwer erbringbar. Hierzu braucht es nämlich einer Empfangsbestätigung, die allerdings von dem Gesetzgeber in seiner neuen Regelung nicht berücksichtigt wurde. Dadurch sind die Verbraucher auf die Kundenfreundlichkeit der Anbieter angewiesen. So liegt es nämlich in deren Ermessen, eine Eingangsbestätigung zu versenden – eine Pflicht besteht bislang nicht. Zwar lässt sich vermuten, dass beispielsweise eine E-Mail-Kündigung angekommen ist, da über jene E-Mail-Adresse bereits aktiv und regelmäßig kommuniziert wurde. Es verbleibt allerdings immer ein Restrisiko, dass der Erhalt vom Empfänger bestritten wird.


Die Kündigung von Online-Verträgen per Brief

Weiterhin sollte nun aber beachtet werden, dass die gesetzliche Einräumung einer einfachen Kündigungsform nicht zwangsläufig dazu führt, dass Verbraucher hieran zwingend gebunden sind. Es steht ihnen vielmehr weiterhin frei, sich für eine Form zu entscheiden und können für die Kündigung somit auch die klassische Briefform wählen. Dies entschied unter anderem das Landgericht Hamburg nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (Urteil vom 29.04.2021, Az.: 312 O 94/20) und erklärte, dass Unternehmen ihren Kunden nicht vorschreiben dürfen, dass sie bei Online-Verträgen ausschließlich auf elektronischem Wege kommunizieren dürfen. In diesem Streitfall waren insbesondere die AGB eines Energieanbieters umstritten. So hieß es dort: „Diese Lieferverträge sind reine Online-Verträge, d.h. die Kommunikation erfolgt ausschließlich auf elektronischen Kommunikationswegen“. Diese Klausel schließe nach Ansicht der Bundeszentrale die Möglichkeit des Kunden der Kündigung per Einschreiben mit Rückschein aus, um den Zugang sicher nachweisen zu können. Aus dem allgemeinen Sprachgebrauch der Regelung ginge nämlich nichts anderes hervor, als dass jede andere als eine elektronische Kommunikation mit dem Unternehmen ausgeschlossen sei. Der durchschnittliche Vertragspartner sei daher völlig darüber im Unklaren, wie und in welcher konkreten Form er eine wirksame Kündigungserklärung abgeben könne. Entsprechende Klauseln in den Geschäftsbedingungen seien daher unwirksam. Kein Kunde solle diskriminiert werden, weil er am bewährten Brief bei einer Kündigung festhält. Eine solche Regelung benachteilige Kunden somit unangemessen. Daher gilt: Selbst im Falle einer durch eine AGB-Klausel vorgeschriebenen Textform können Verbraucher sich ihrer Kündigung der Schriftform bedienen.  


Fazit und Ausblick

Schließlich zeigt sich, dass trotz der Gesetzesänderung, die vorrangig den Verbraucher schützen soll, noch viele Gefahren der Kündigung in Textform bestehen, die dadurch zu verhindern sind, indem sich Verbraucher an die Schriftform halten. Verbrauchern ist daher zu empfehlen, nach wie vor per Fax oder Brief zu kündigen – und dies zumindest so lange, bis eine akzeptable Lösung für die Nachweispflicht besteht.

Foto(s): Rechtsanwalt Patrick Baumfalk

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