Zum Entwurf der Begründung des Kleinanlegerschutzgesetzes vom 10.11.2014

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Das Kleinanlegerschutzgesetz folgte auf die Insolvenzen von Prokon (Itzehoe) und Infinus (Dresden). Es führt zu Änderungen im Vermögensanlagengesetz, Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz, Wertpapierhandelsgesetz, Wertpapierprospektgesetz, Kapitalanlagegesetzbuches und dazugehörigen Gesetzen.

Nach dem Kleinanlegerschutzgesetz kann die BaFin Anordnungen zur Verhinderung und Beseitigung von Missständen gegenüber Einrichtungen treffen, die von ihr nach verschiedenen Gesetzen (z.B. WpHG, KAGB u.a.) beaufsichtigt werden, § 4 Abs. 1 a FinDAG neu. 

Produktintervention

Ähnliches gilt für die „Produktintervention“ nach § 4 b WpHG im Vorgriff auf die MiFID II. „Die Produktintervention hat keinen bestimmten Adressaten und betrifft daher auch freie Finanzvermittler und den Direktvertrieb von Finanzinstrumenten und strukturierten Einlagen. Die Produktintervention kann daher im Wege der Allgemeinverfügung erfolgen und sich dann an einen gegebenenfalls noch unbestimmten Adressatenkreis richten. Daneben können auch einzelnen konkreten Marktteilnehmern mittels eines individuellen Verwaltungsakts z.B. bestimmte Finanzpraktiken untersagt werden“, Seite 63 des Entwurfes der Begründung des Kleinanlegerschutzgesetzes vom 10.11.2014.

Wesentlicher Unterschied zwischen KAGB und Vermögensanlagengesetz

Ein bezeichnender Unterschied zwischen dem Vermögensanlagengesetz vom 01.06.2012 und dem Kapitalanlagegesetzbuch vom 22. Juli 2013 besteht darin, dass das Vermögensanlagengesetz für Unternehmen aus dem operativen Geschäft (Realwirtschaft) gilt, die Finanzinstrumente emittierten. Hierfür gibt es im Wesentlichen nur eine Prospektpflicht. Finanzinstrumente nach dem KAGB gelten nicht für Unternehmen mit einem operativen Geschäft. Bei KAGB-Einrichtungen sollen die vertraglichen Gestaltungen (zur schuldrechtlichen und dinglichen Sicherung) einer behördlichen Prüfung unterworfen werden.

Nach dem KAGB sind alle Vertragskonstruktionen genehmigungspflichtig (im Gegensatz zum Vermögensanlagengesetz, wo es nur eine Prospektpflicht gibt). Das KAGB ist dem früheren Investmentgesetz nachgebildet. Darin sind die früheren PublikumsKGs erfasst. Diese heißen jetzt AIFs (Alternative Investmentfonds). Altfonds (PublikumsKGs) genießen Bestandsschutz („Alt-AIFs“).

Die vertraglichen Gestaltungen zwischen den drei Stellen Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG), Verwahrstelle und Fonds nach dem KAGB werden von der BaFin geprüft, wie ausgeführt. Bisher sind nur sehr wenige AIFs genehmigt worden. Soweit der Vergleich zum KAGB.

Zurück zum Kleinanlegerschutzgesetz. Das Kleinanlegerschutzgesetz regelt u.a. die Mindestlaufzeit von Vermögensanlagen (2 Jahre) nach dem Vermögensanlagengesetz. Die Gültigkeit des Verkaufsprospektes wird auf 12 Monate beschränkt. Es besteht die Verpflichtung zur Angabe der Kündigungsmöglichkeit bereits ausgegebener Anteile und eine Bekanntgabe des Datums der Fälligkeit der Rückzahlung der Vermögensanlagen.

Auch bei Investmentvermögen nach dem KAGB sind Laufzeiten bis zu 20 Jahren möglich, die auf 30 Jahre durch Gesellschafterbeschluss verlängert werden können.

KAGB-Anlagebedingungen von geschlossenen Publikumsfonds (AIF) sind ohne Grundlaufzeit nicht genehmigungsfähig. Sonst würde der Anleger nie etwas zurück erhalten, weil nichts fällig wäre. Bei geschlossenen AIFs nach dem KAGB sind die ordentlichen Kündigungsrechte des Anlegers ausgeschlossen. Es besteht nur ein außerordentliches Kündigungsrecht. Eine Laufzeit soll daher wegen des Anlegerschutzes gegeben sein.

Es ist eine maximale Verlängerung bei KAGBs um bis zu 50 % der Grundlaufzeit möglich. Die Summe aus der Grundlaufzeit und der Verlängerung darf nicht mehr als 30 Jahre betragen. Die KAGB-Anlagebedingungen sollen das Zustimmungserfordernis der Gesellschaftsversammlung mit mindestens einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen vorsehen müssen. KAGB-Anlagebedingungen und KAGB-Satzung sollten daher wegen der Fristen aufeinander abgestimmt werden.

Auch bei Altfonds vor dem 22. Juli 2013, bei denen die Anlagebedingungen an das KAGB angepasst werden müssen, darf die Summe aus Grundlaufzeit und Verlängerung nicht mehr als 30 Jahre betragen.

Nachträgliche ad-hoc-Mitteilung nach dem Vermögensanlagengesetz

Das Kleinanlegerschutzgesetz sieht die Pflicht vor, auch nach Beendigung des öffentlichen Angebots für Vermögensanlagen bestimmte Informationen mitzuteilen. Jede Tatsache muss mitgeteilt werden, wenn sie geeignet ist, die Fähigkeit des Emittenten zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber dem Anleger erheblich zu beeinträchtigen. Die Verpflichtung entfällt mit der vollständigen Tilgung der Vermögensanlage, Seite 12 des Entwurfes der Begründung des Kleinanlegerschutzgesetzes vom 10.11.2014. Es gilt die Pflicht zur Ad-Hoc-Mitteilung nach Angebotsbeendigung, § 11 a Vermögensanlagengesetz.

Fristablauf am 30. Juni 2015 für partiarische Darlehen und Nachrangdarlehen

Vom Vermögensanlagengesetz erfasst werden ab dem 30. Juni 2015 bislang vom Gesetz noch nicht betroffene Vermögensanlagen, nämlich partiarische Darlehen (Gewinn statt Zinsen), Nachrangdarlehen und sonstige Anlagen, die einen Anspruch auf Verzinsung und Rückzahlung gewähren oder im Austausch für die zeitweise Überlassung von Geld einen vermögenswerten auf Barausgleich gerichteten Anspruch vermitteln (Vermögensanlagengesetz, § 1 S. 2). Es gilt dann im Wesentlichen die Prospektpflicht für diese Anlagen. Vorher soll keine Prospektpflicht gelten.

Materielle Prospektprüfung

Es findet eine materielle Prospektprüfung nach dem Kleinanlegerschutzgesetz statt. Dem § 8 Abs. 1 Vermögensanlagengesetz wird folgender Satz angefügt:

„Bei der Prüfung der Kohärenz prüft die Bundesanstalt insbesondere, ob für das laufende und das folgende Geschäftsjahr die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten, die Geschäftsaussichten sowie ihre Auswirkungen auf die Fähigkeit des Emittenten, seinen Verpflichtungen gegenüber dem Anleger nachzukommen, im Verkaufsprospekt widerspruchsfrei dargestellt werden.“

Dieses könnte heißen, dass bereits vor der Emission die Ertragsfähigkeit des Unternehmens in Bezug auf die Gewinne aus den Vermögensanlagen gesichert sein müsste, quasi wie nach einer Kreditprüfung.

Werbung und VIB

Die Werbung soll nur noch in der Presse oder in Wirtschaftsmedien möglich sein, jedenfalls nicht mehr mit Flyern und Straßenbahnwerbung.

In Bezug auf den Risikohinweis muss der Anbieter dafür sorgen, dass in den Werbemaßnahmen der folgende deutlich hervorgehobene Hinweis aufgenommen wird: „Der Erwerb einer Vermögensanlage ist mit nicht unerheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen. Grundsätzlich gilt: Je höher die Rendite oder der Ertrag, desto größer das Risiko eines Verlustes“, Seite 12 des Entwurfes der Begründung des Kleinanlegerschutzgesetzes vom 10.11.2014. 

Ferner ist eine Warnung der Anleger durch verpflichtende Unterzeichnung des Vermögensanlagen-Informationsblatts vorgesehen (VIB). 

Sonderprüfungsbefugnis

Nach dem Kleinanlegerschutzgesetz besteht eine Befugnis der Bundesanstalt zur Anordnung einer Sonderprüfung der Rechnungslegung von Emittenten von Vermögensanlagen. Diese Prüfungsbefugnis ist nach dem Wortlaut des Vermögensanlagengesetzes möglich bei Namensschuldverschreibungen. Sie dürfte auch bei Emittenten von Inhaberschuldverschreibungen gelten. „Absatz 5 enthält eine Ermächtigungsgrundlage, die es der Bundesanstalt ermöglicht, eine Prüfung der Rechnungslegung des Emittenten von Vermögensanlagen anzuordnen, soweit konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften vorliegen. Konkrete Umstände tatsächlicher Art, die die Anordnung einer Sonderprüfung möglich machen, können sich etwa aufgrund Eingaben Dritter, insbesondere seitens des künftigen Finanzmarktwächters oder einer Schlichtungsstelle, oder anderen Quellen ergeben.

Die Prüfungsanordnung ist ihrem Umfang nach auf die Punkte, hinsichtlich derer Anhaltspunkte für eine unrichtige Rechnungslegung bestehen, zu beschränken; eine Vollprüfung wird daher regelmäßig nicht anzuordnen sein. Die Bundesanstalt ist aber nicht gehindert, den Umfang der Prüfung zu erweitern, wenn ihr zum Beispiel im Laufe der Prüfung Anhaltspunkte bekannt werden, aus denen sie einen weitergehenden Prüfungsbedarf schlussfolgert. Die inhaltliche Prüfung ist nicht von der Bundesanstalt selbst, sondern durch eine von ihr bestellte Einrichtung oder Person vorzunehmen; in diesem Sinne kommen dabei insbesondere als Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Sonderprüfer in Betracht“, Seite 12 des Entwurfes der Begründung des Kleinanlegerschutzgesetzes vom 10.11.2014).

Verbot der Nachschusspflicht

Zu § 5 b Vermögensanlagengesetz wird in der Entwurfsbegründung ausgeführt: „Mit dem Verbot von Vermögensanlagen, die eine über den eingezahlten Anlagebetrag hinausgehende Haftung des Anlegers vorsehen, sollen Anleger vor Nachforderungen geschützt werden. Für die Reichweite des Verbots ist dabei irrelevant, ob sich Nachschusspflichten aus der Rechtsform der Vermögensanlage oder aus einer positiven vertraglichen Bestimmung ergeben. Mit dieser Regelung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Erwerber von Vermögensanlagen in der Regel keinen Einfluss auf die Geschäftsführung haben und daher Entscheidungen, die zu einer solchen Nachschusspflicht führen können, regelmäßig nicht beeinflussen können“, Seite 50 des Entwurfes der Begründung des Kleinanlegerschutzgesetzes vom 10.11.2014. Damit hat der Entwurf auch eine Bedeutung für die derzeitigen Klagen von Fonds oder Insolvenzverwaltern wegen Rückforderungen aus den verschiedensten überholten Gründen.

Produktfreigabeverfahren – Product-Governance-Prozess

Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Finanzinstrumente zum Verkauf konzipiert, muss ein Produktfreigabeverfahren nach § 33 WpHG unterhalten mit der Gewährleistung einer regelmäßigen Kontrolle der Zielmarktbestimmung. Eine Bewertung der Verlust- und Ausfallrisiken ist von Bedeutung, ebenso die regelmäßige Überprüfung der Bedürfnisse des Zielmarktes und der Vertriebsstrategie (Product-Governance-Prozess). Dazu heißt es in der Entwurfsbegründung: „Mit den durch das Kleinanlegerschutzgesetz in das Wertpapierhandelsgesetz eingefügten Regelungen (§ 33 Absatz 3b bis 3d WpHG) zum Product-Governance-Prozess, werden Regelungen der Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II) und der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 (MiFIR) umgesetzt. Die Regelungen sind in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II) ab dem 3. Januar 2017 erstmals anzuwenden. Damit wird sichergestellt, dass eine nationale Abweichung von den europäischen Vorgaben nicht erfolgt“, Seite 33 des Entwurfes der Begründung des Kleinanlegerschutzgesetzes vom 10.11.2014.

Der erste Satz der vorstehend zitierten Entwurfsbegründung enthält ein Komma an falscher Stelle, ein Flüchtigkeitsfehler, wie er vorkommen kann.

Tilgungsmitteilung und Nachtragspflicht

Die neue Vorschrift 10 a (neu) Vermögensanlagengesetz enthält eine Verpflichtung des Anbieters, die Beendigung des öffentlichen Angebots sowie die vollständige Tilgung der Vermögensanlage der Bundesanstalt (BAFin) unverzüglich anzuzeigen, verbunden mit einer gesetzlichen Fiktion der Fortdauer des öffentlichen Angebots oder der Tilgung der Anlage bis zum Eingang der betreffenden Anzeige, Seite 52 des Entwurfes der Begründung des Kleinanlegerschutzgesetzes vom 10.11.2014. 

Konkretisierung der Nachtragspflicht

11 Absatz 1 Satz 2 Vermögensanlagengesetz konkretisiert die Nachtragspflicht und benennt Regelbeispiele, für die in jedem Fall ein Nachtrag vom Anbieter zu veröffentlichen ist. § 11 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 verlangt insbesondere die Veröffentlichung eines Nachtrags bei Geschäftsvorfällen, die zumindest auf das laufende Geschäftsjahr erhebliche Auswirkungen haben und geeignet sind, die Fähigkeiten des Emittenten zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber dem Anleger erheblich zu beeinträchtigen, Seite 52 des Entwurfes der Begründung des Kleinanlegerschutzgesetzes vom 10.11.2014. 

Ausnahme von der Prospektpflicht - Crowdfunding bis 1 Mio. Euro erlaubt

Das Einsammeln von partiarischen Darlehen und Nachrangdarlehen im Sinne von Crowdfundig (über Internet) ist nach dem Kleinanlegerschutzgesetz frei von einer Prospektpflicht, wenn die Gesamtheit sämtlicher Vermögensanlagen 1 Mio. Euro nicht übersteigt. Dadurch soll die Gründung von  kreativen Projekten und Start-ups erleichtert werden, Seite 64 des Entwurfes der Begründung des Kleinanlegerschutzgesetzes vom 10.11.2014. 

Allerdings benötigen Internetplattformen, die diese Vermögensanlagen vertreiben, zukünftig eine Erlaubnis als Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach dem Kreditwesengesetz oder als Finanzanlagenvermittler nach der Gewerbeordnung. 

Sofern von einem Anleger ein Betrag von über 1000 Euro in Vermögensanlagen desselben Emittenten investiert werden sollen, ist dies daher nur dann zulässig, wenn der Anleger entweder über ein frei verfügbares Vermögen in Form von Bankguthaben und Finanzinstrumenten von mindestens 100.000 Euro verfügt oder er maximal den zweifachen Betrag seines durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens investiert. In jedem Fall ist die Einzelanlage auf 10000 Euro begrenzt“, Seiten 47, 48 des Entwurfes der Begründung des Kleinanlegerschutzgesetzes vom 10.11.2014.

Crowdfunding nur über genehmigte Internetplattformen möglich

„Neben einer Begrenzung des Gesamtemissionsvolumens auf 1 Million Euro ist dabei Voraussetzung, dass die Anlagen im Wege der Anlageberatung oder Anlagevermittlung über Internetplattformen vertrieben werden, die zur Prüfung verpflichtet sind, ob bestimmte Einzelanlageschwellen nicht überschritten werden“, Seite 64 des Entwurfes der Begründung des Kleinanlegerschutzgesetzes vom 10.11.2014.

Es bestehen weitere Vorschriften nach dem Kleinanlegergesetz, ebenso auch Ausnahmen von der Prospektpflicht, die sich aus dem Entwurf selbst ergeben.


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