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Zur Haftung des Trägers der freien Jugendhilfe auf Schadensersatz bei Unfällen in einem Mutter-Kind-Haus

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Eine pädagogische Fachkraft im Mutter-Kind-Haus hat nicht dieselben Aufsichts- und Obhutspflichten, wie eine Betreuerin in einer Kindertagesstätte. Zu diesem Ergebnis kommt das Amtsgericht Bückeburg in einem Beschluss vom 27.03.2013.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Eine minderjährige Mutter war mit ihrem damals acht Monate alten Sohn in einer Mutter-Kind-Einrichtung untergebracht. Am Vormittag des Unfalltages war sie gemeinsam mit ihrem Sohn in der Stadt gewesen. Zur Mittagszeit kam sie in die Einrichtung zurück. Die Bewohner der Einrichtung einschließlich der einen anwesenden Fachkraft hatten das Mittagessen vorbereitet. Im Backherd der Küche befand sich ein Auflaufgericht. Die Mutter deckte in der angrenzenden Diele den Mittagstisch, während das Kind krabbelte. Dabei gelangte es von der Diele in die Küche. Dort war es kurzzeitig unbeaufsichtigt. Eine weitere, ebenfalls anwesende Mutter hatte die Küche kurz verlassen. Die im Haus anwesende pädagogische Fachkraft befand sich zum fraglichen Zeitpunkt im Büro und führte eine Besprechung. Das Kind richtete sich am Backofen auf, fasste an das heiße Sichtfenster und erlitt Verbrennungen an der Hand. Es wurde sofort mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht und fachgerecht versorgt. Die Heilung erfolgte komplikationslos.

Der zuständige Landkreis als Amtsvormund machte Schadensersatzansprüche (Schmerzensgeld) gegen den Träger des Mutter-Kind-Hauses, einem privaten Träger der freien Jugendhilfe, wegen einer Aufsichtspflichtverletzung durch die pädagogische Fachkraft geltend. Zur Vorbereitung einer Schadensersatzklage wurde zunächst ein Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt. Diesen Antrag wies das Amtsgericht Bückeburg jedoch durch Beschluss vom 27.3.2013 (30 C 55/13) mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage zurück.

Die zum Zeitpunkt des Unfalls im Hause anwesende pädagogische Fachkraft habe keine Sorgfaltspflichten verletzt. Fachkräfte in einer Mutter-Kind-Einrichtung haben nicht dieselben Obhutspflichten, die Betreuer in einer Kindertagesstätte beachten müssen. Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte sei es, die pädagogischen Ziele der Leistungsbeschreibung umzusetzen. Weil die Mütter, anders als in einer Kindertagesstätte oder einem Kindergarten, die ganze Zeit über mit ihren Kindern zusammen seien, bestehe auch Ihre Erziehungsverantwortung fort und werde nicht auf Mitarbeiter der Einrichtung übertragen. Daran ändere auch die für das Kind bestehende Amtsvormundschaft nichts. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe die Mutter des Kindes die alleinige Verpflichtung gehabt, das Kind zu beaufsichtigen und diese Verpflichtung möglicherweise nicht ausreichend ausgeübt, so dass es zu dem Unfall habe kommen können.

Zwar habe die Einrichtung gegenüber den Bewohnern eine generelle Obhuts- und Aufsichtspflicht. Diese erstrecke sich auf Verkehrssicherungspflichten etc. Darum gehe es hier jedoch nicht. Der Betrieb eines Backherdes stelle keine besondere Gefahrenquelle dar, die einer besonderen fachlichen Beaufsichtigung bedürfe. Der Einrichtung sei auch kein Vorwurf daraus zu machen, dass die anwesende Fachkraft während des Betriebs des Backherdes nicht permanent unmittelbar anwesend gewesen sei, sondern sich in einem Nebenzimmer aufgehalten habe. Die Fachkraft sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Mutter des Kindes nach ihrer Rückkehr aus der Stadt auf den in Betrieb genommenen Backherd hinzuweisen. Dies würde die Sorgfaltsanforderungen an die Einrichtung im Rahmen der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichten überspannen. Selbst wenn die Mutter bei ihrer Rückkehr nicht gewusst haben sollte, dass der Backherd in Betrieb war, habe die anwesende Fachkraft darauf vertrauen dürfen, dass die Mutter anhand der Vorbereitungen des Mittagessens, an denen sie selbst beteiligt gewesen sei, mit hiervon ausgehenden möglichen Gefahren für ihr Kind in der Küche rechnen und ihre Aufsichtspflicht nachkommen würde.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die angekündigte Schadensersatzklage wurde deshalb zurückgewiesen.

Den Beschluss des Amtsgerichts Bückeburg vom 27.3.2013 (30 C 55/13) finden Sie auf unserer website unter:
www.rkb-recht.de/tl_files/rkb-recht/pdf/AG_Bueckeburg_27.03.2013_30_C_55.13.pdf

Dieser Beitrag dient zur allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine individuelle Beratung wird dadurch nicht ersetzt. Jeder einzelne Fall erfordert fachbezogenen Rat unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände. Ohne detaillierte Beratung kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.


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