Zur täterschaftlichen Haftung des Anschlussinhabers bei Filesharing-Abmahnung

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Haftet der abgemahnte Inhaber eines Internetanschlusses stets als Täter für die über seinen Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzungen?

Tag für Tag verschicken Kanzleien wie etwa Waldorf Frommer Rechtsanwälte aus München, die Rechtsanwaltsgesellschaft WeSaveYourCopyrights aus Frankfurt oder aber die Rechtsanwälte Rasch aus Hamburg im Auftrag ihrer jeweiligen Mandanten zahllose Abmahnungen an Inhaber von Internetanschlüssen. Den Anschlussinhabern wird vorgeworfen, urheberrechtlich geschützte Werke anderen Teilnehmern einer Internettauschbörse über ihren Anschluss zum Download angeboten zu haben.

Die Empfänger einer solchen Abmahnung fallen nicht selten aus allen Wolken. Viele diese abgemahnten Anschlussinhaber wissen überhaupt nicht, was eine Internettauschbörse ist, geschweige denn, wie eine solche funktioniert. Gleichwohl unterstellen die abmahnenden Kanzleien eine täterschaftliche Haftung des Anschlussinhabers für die vorgeblich über seinen Internetanschluss begangenen Urheberrechtsverletzungen. Der abgemahnte Anschlussinhaber sieht sich Ansprüchen auf Unterlassung, Schadensersatz und Kostenerstattung ausgesetzt.

Dies, obgleich bei Urheberrechtsverletzungen, die über einen bestimmten Internetanschluss begangen wurden, die Täterschaft eines beklagten Internetanschlussinhabers als anspruchsbegründende Tatsache nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen zuvorderst vom klagenden Rechteinhaber darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen ist.

Wird ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus öffentlich zugänglich gemacht, die zu einem bestimmten Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, woraus sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers ergibt, vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2010 - I ZR 121/08, MIR 2010, 083 - Sommer unseres Lebens; OLG Köln, Urteil vom 23.12.2009 - 6 U 101/09, MIR 2010, Dok. 007; OLG Köln, Urteil vom 23.03.2012 - 6 U 67/11. Diese tatsächliche Vermutung führt aber weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Internetanschlussinhabers, dem Gegner alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen, vgl. BGH, Beschluss vom 26.10.2006 - III ZB 2/06. Vom Anschlussinhaber kann im Rahmen des Zumutbaren lediglich das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsachen unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden, vgl. BGH, Urteil vom 17.01. 2008 - III ZR 239/06; OLG Frankfurt, Urteil vom 13.08.2010 - 11 U 7/10.

Die sekundäre Darlegungslast geht nicht so weit, dass der Anschlussinhaber durch eigene Nachforschungen aufzuklären hätte, wer denn nun Täter der Rechtsverletzung ist, vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 27.10.2011 - I-22 W 82/11. Erst recht obliegt ihm nicht der Beweis des Gegenteils in dem Sinne, dass er sich bei jeder über seinen Internetzugang begangenen Rechtsverletzung vom Vorwurf der täterschaftlichen Begehung entlasten oder exkulpieren muss, vgl. OLG Köln, Urteil vom 16.05.2012 - 6 U 239/11.

Die tatsächliche Vermutung der Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers für Rechtsverletzungen, die über den ihm zugeordneten Internetanschluss begangen wurden, beruht nämlich nicht auf einer gesetzlichen Wertung, sondern auf der Annahme eines der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs, wonach in erster Linie der Anschlussinhaber seinen Internetzugang nutzt, jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Diese Annahme wird dann erschüttert und die Vermutungsgrundlage beseitigt, wenn Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs, nämlich die Alleintäterschaft eines anderen Nutzers, ergibt. Dafür wird es regelmäßig genügen, wenn Dritte, wie zum Beispiel Hausgenossen, Ehegatten oder Lebensgefährten des Anschlussinhabers selbständig auf den Internetanschluss zugreifen können, vgl. OLG Köln, Beschluss vom 24.03.2011 - 6 W 42/11, MIR 2011, Dok. 033.

Kommt der abgemahnte Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast entsprechend nach und kann er folglich einen Geschehensablauf darlegen, aus dem sich die Möglichkeit der Täterschaft eines anderen Nutzers seines Internetanschlusses ergibt, scheidet die täterschaftliche Haftung des Anschlussinhabers für die vorgeblich über seinen Internetanschluss begangene Urheberrechtsverletzung aus. Kann der Anschlussinhaber zudem darlegen, keine Verkehrssicherungspflichten verletzt zu haben, haftet der Anschlussinhaber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt auf Schadensersatz.

Nach Erhalt einer Filesharing-Abmahnung lohnt der Weg zum Anwalt. Dieser wird es durch Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung verstehen, ein einstweiliges Verfügungsverfahren sowie ansonsten zu befürchtende Folgeabmahnungen zu vermeiden und nach den Umständen des Einzelfalls unberechtigte Forderungen des abmahnenden Rechteinhabers abzuwehren.


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