§ 29 BtMG - Betäubungsmittelgesetz - Besitz und Handeltreiben – Verhalten im Strafverfahren

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„(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1. Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,

2. eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,

3. Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein…“

§ 29 BtMG ist wohl das am meisten angewendete bzw. verwirklichte Gesetz im Betäubungsmittelrecht.

Der Besitz ist regelmäßig nachweisbar durch körperliche Durchsuchungen oder Durchsuchungen der Wohnung. Besitz ist die tatsächliche Gewalt über eine Sache. Die Eigentumsverhältnisse sind dabei unerheblich.

Oftmals versuchen die Strafverfolgungsbehörden dem Beschuldigten jedoch das Handeltreiben nachzuweisen. Damit ist nicht zu scherzen. Höchstrichterlich sind an die Erfüllung dieses Tatbestandes nämlich geringe Hürden anzusetzen.

Definition Handeltreiben.

Stellvertretend für viele: Bundesgerichtshof, Beschl. v. 22.07.2010, Az.: 4 StR 286/10: Handeltreiben im Sinne der §§ 29 ff. BtMG ist jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit.

Nach der Rechtsprechung des BGH umfaßt das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln alle eigennützigen Bemühungen, die darauf gerichtet sind, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern. Die Begriffsbestimmung ist sehr extensiv. Vollendetes Handeltreiben muß man schon dann annehmen, wenn der Verkäufer dem Kaufinteressenten ein verbindliches und ernsthaftes Verkaufsangebot unterbreitet hat. Jedoch ist es rechtlich unerheblich, ob es zu Umsatzgeschäften tatsächlich gekommen ist oder nicht. Auch ist es unerheblich, ob der Täter über das angebotene Rauschgift verfügen konnte oder ob er eine gesicherte Lieferantenzusage hatte. So reicht es für die Vollendung des Tatbestands aus, daß der Täter das Stadium der allgemeinen Anfrage verlässt und sich mit gewinnbringender Weiterveräußerungsabsicht ernsthaft an einen Anbieter oder einer Person wendet, die nach seiner Vorstellung als Verkäufer oder Vermittler in Betracht kommt, um Rauschgibt zu erwerben.

Zur Erfüllung des Tatbestandes kommt es nicht darauf an, ob Rauschgift überhaupt vorhanden ist, es verschafft werden kann oder man den Kaufpreis auftreiben kann. Vollendetes Handeltreiben liegt auch vor, wenn es sich um Rauschgift handelt, das bereits in Obhut der Polizei ist. Ein versuchtes Handeltreiben liegt lediglich dann vor, wenn der Täter in der ernsthaften Absicht an einen vermeintlichen Lieferanten herangetreten ist, um eine bestimmte Menge Rauschgift zu erwerben, die Lieferanten jedoch nicht bereit oder in der Lage waren, dem Anfragenden Betäubungsmittel zu verschaffen.

Entscheidend ist der Eigennutz. Deshalb muß im Urteil zum Merkmal der Eigennützigkeit eine konkrete Feststellung getroffen werden.

Da der Tatbestand des Handeltreibens Eigennutz voraussetzt, liegt er nur vor, wenn das Handeln des Täters vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder er sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht, durch den er materiell oder immateriell besser gestellt wird. Ein immaterieller Vorteil kommt aber nur dann in Betracht, wenn er einen objektiven messbaren Inhalt hat und den Empfänger in irgendeiner Weise tatsächlich besser stellt.

Zum Handeltreiben genügt weder die Menge an Betäubungsmitteln, noch, daß der Täter den Eigennutz eines anderen unterstützen will. 

An der Eigennützigkeit fehlt es, wenn beispielsweise der Beschuldigte aus Freundschaft gehandelt hat. Eigennützigkeit liegt auch dann nicht vor, wenn die Drogen verschenkt oder zum Einkaufspreis weiterverkauft werden. Die reine Menge an Betäubungsmitteln läßt keine Rückschlüsse auf Handeltreiben zu.

Die wesentlichen Elementen der Strafverteidigung: Schweigen, das Recht auf anwaltliche Vertretung und Akteneinsicht.

Die Ermittlungsbehörden haben den gesetzlichen Auftrag zur Verfolgung von Straftaten. Sie sind nicht Ihr Freund. Sie suchen einen Täter für eine vermutete oder festgestellte Straftat.

Es ist naiv zu glauben, der Strafprozess führe zur Wahrheit. Maßgebend für die richterliche Überzeugungsbildung ist die freie richterliche Beweiswürdigung. Dabei ist nicht auf bestimmte Beweisregeln abzustellen. Der Tatrichter muß für seine Überzeugung lediglich einen für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit nachweisen, der letzte Zweifel nicht ausschließt, aber schweigen lässt.

Der Wahrheitsgehalt des polizeilichen Ermittlungsverfahrens und des staatsanwaltlichen Vorverfahrens: Mutmaßungen und Verfolgungseifer.

Im schriftlichen Vorverfahren enthält die Strafakte lediglich ein zwischen zwei Aktendeckeln befindliches Konstrukt der Wahrheit, welches i. d. R. einseitig durch die Ermittlungsbehörden geprägt ist. Die Staatsanwaltschaft nimmt für sich in Anspruch, die „objektivste Behörde der Welt" zu sein, da sie nach dem Gesetz den Sachverhalt objektiv in alle Richtungen und nicht nur zu Lasten des Beschuldigten zu ermitteln habe. Oftmals und zunehmend treiben das Verfahren jedoch Mutmaßungen, Verfolgungseifer, Belastungstendenzen und „Erfahrungswerte“ an.

Die Wahrheitsfindung im Hauptverfahren.

Entscheidend für das Urteil ist, wie der Richter seine subjektive Überzeugung in eine juristisch vertretbare Form gießt. Das Urteil muß nur aus sich heraus verständlich, logisch und vollständig sein und darf keine Widersprüche enthalten. Erst wenn die Beachtung der Denkgesetze, allgemein anerkannten Erfahrungssätze und somit die Mindestanforderungen der Logik verlassen werden, wird das Urteil auf die Tatsachenfeststellung bezogen angreifbar. Dabei wird grundsätzlich nach Aktenlage entschieden, bzw. geben die Ermittlungsakten eine wesentliche Marschrichtung vor.

Nur bei erstinstanzlichen Verfahren vor dem Amtsgericht existiert ein Wortprotokoll.

Insbesondere bei erstinstanzlichen Urteilen der großen Strafkammern und der Schwurgerichte ist problematisch, daß kein Wortprotokoll, sondern nur ein rein formales Protokoll existiert, und sämtliche Aussagen z.B. von Zeugen oder Sachverständigen lediglich aus dem Urteil ersichtlich sind. Die Frage, ob das Urteil die tatsächlichen Aussagen der Beweisaufnahme zutreffend wiedergibt, kann kaum beantwortet werden.

Beauftragen Sie einen Strafverteidiger.

Die vorstehende Darstellung zeigt, daß bereits bei der Vermutung, sich einer Straftat schuldig gemacht zu haben bzw. bei Kenntnis der Ermittlungen durch Staatsanwaltschaft oder Polizei, der erste Schritt der Gang zum Strafverteidiger sein sollte. Ihr Strafverteidiger stellt die "Waffengleichheit" im Verfahren her und setzt Ihre Beschuldigtenrechte durch. Machen Sie konsequent von Ihrem Schweigerecht Gebrauch, zumindest, bis Ihr Rechtsanwalt Akteneinsicht genommen und die Ermittlungsakte mit Ihnen besprochen hat. Sprechen Sie insbesondere bei schwerwiegenden  Tatvorwürfen mit niemandem außer mit Ihrem Verteidiger über den Sachverhalt. Freunde und Bekannte, selbst Familienangehörige, können zu Belastungszeugen werden.

Im sozialen Leben sind Sie vorverurteilt, wenn gegen Sie ermittelt oder gar Anklage erhoben wird. Hier ist die vielzitierte Unschuldsvermutung nichts wert. Insbesondere die öffentliche Anklage, die der Wahrheitsfindung und der Rechtsstaatlichkeit dienen soll, erweist Ihnen diesbezüglich einen Bärendienst.

Festnahme oder Durchsuchung.

Im Falle einer Festnahme beharren Sie auf Ihrem Recht, einen Verteidiger zu beauftragen. Dieses Recht haben Sie in jedem Verfahrensstadium. Man muß Ihnen die Möglichkeit geben, sich mit einem Rechtsanwalt in Verbindung zu setzen. Schweigen Sie.

Seien Sie freundlich, aber unterlassen Sie "Small-Talk" mit den ermittelnden Personen. Solche Äußerungen finden sich oft als „informelle Mitteilung“ in der Ermittlungsakte.

Alles, was Sie äußern, kann gegen Sie verwendet werden. Gerade Ihr Verhalten zu Beginn der Ermittlungen kann entscheidend sein für den weiteren Gang des Verfahrens.


Rechtsanwalt Holger Hesterberg

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein.


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