Abmahnung erhalten

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Ein häufiges Zuspätkommen, das unentschuldigte Fehlen oder ein Verstoß gegen das Rauchverbot: Es gibt aus Sicht des Arbeitgebers zahlreiche Gründe, um eine Abmahnung auszusprechen.

Was kann abgemahnt werden?

In jedem Fall muss eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten vorliegen. Der Arbeitnehmer kann nur für von ihm steuerbares Verhalten wirksam abgemahnt werden. Denn nur ein solches Verhalten kann der Arbeitnehmer in der Zukunft auch bewusst ändern.

Unerheblich ist allerdings, ob der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt hat. Kommt der Arbeitnehmer etwa einige Male zu spät zur Arbeit, weil sein Zug wegen heftigen Schneetreibens wiederholt Verspätung hatte, hindert dies den Arbeitgeber nicht daran, die Unpünktlichkeit des Arbeitnehmers abzumahnen. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer zukünftig sicherzustellen, pünktlich zur Arbeit zu erscheinen, etwa indem er einen früheren Zug nimmt oder auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigt.

Gleichwohl, um welchen Verstoß es sich in der Praxis handelt: Mit einer Abmahnung weist der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer auf dessen arbeitsvertraglichen Pflichten hin und macht ihn gleichzeitig auf die Verletzung einer solchen Pflicht aufmerksam.

Die Abmahnung hat eine Warnfunktion. Der Arbeitnehmer wird mittels der Abmahnung dazu aufgefordert, sich zukünftig vertragstreu zu verhalten, da er bei einer erneuten Pflichtverletzung mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen muss. Denn bei einer Abmahnung handelt es sich um die Vorstufe zu einer verhaltensbedingten Kündigung. Sofern der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten erneut verletzt, obwohl bereits eine wirksame, einschlägige Abmahnung ausgesprochen wurde, kann der Ausspruch einer Kündigung gerechtfertigt sein. Die Kündigung darf sich also nur auf einen Umstand stützen, der bereits Gegenstand einer Abmahnung war.

Abgrenzung zur Ermahnung

Im Unterschied zur Abmahnung ist die Ermahnung eine Erinnerung des Arbeitsgebers an den Arbeitnehmer, seine arbeitsvertraglichen Pflichten einzuhalten. Mit der Ermahnung wird der Arbeitnehmer gerügt, ohne dass ihm gleichzeitig angedroht wird, dass das ermahnte Verhalten im Wiederholungsfall zu einer Kündigung führen kann. Der Ermahnung fehlt es somit an einer Warnfunktion.

Ein Anspruch auf Entfernung einer solche Ermahnung aus der Personalakte besteht nur in Ausnahmefällen, etwa wenn sie ehrverletzende Äußerungen enthält.

Gelten nur schriftliche Abmahnungen?

Die Abmahnung bedarf – anders als die Kündigung – nicht zwingend der Schriftform. Sie kann also sowohl mündlich als auch schriftlich ausgesprochen werden. Es wäre falsch, als Arbeitnehmer zu glauben, keine wirksame Abmahnung erhalten zu haben, nur weil diese nicht schriftlich erfolgt ist.

Eine wirksame Abmahnung ist jedoch in der Regel Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen vertragswidrigen Verhaltens. Der Arbeitgeber trägt für die Wirksamkeit der Abmahnung die Darlegungs- und Beweislast, weshalb diese in der Praxis häufig schriftlich ausgesprochen wird.

Ausnahmsweise müssen Abmahnungen zwingend schriftlich erfolgen, wenn dies durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag vorgesehen ist. Der Betriebsrat hat demzufolge die Möglichkeit, über sein Initiativrecht auf eine entsprechende Betriebsvereinbarung hinzuwirken.

Muss das Wort „Abmahnung“ darüberstehen?

Zudem muss eine Abmahnung nicht ausdrücklich als eine solche betitelt sein. Solange aus ihr hervorgeht, dass sie eine solche darstellen soll und die inhaltlichen Anforderungen erfüllt sind, steht die fehlende Bezeichnung der Abmahnung als eine solche deren Wirksamkeit nicht entgegen.

Wie muss eine Abmahnung inhaltlich aussehen?

Die inhaltlichen Anforderungen der Abmahnung lassen sich in drei Wirksamkeitsvoraussetzungen zusammenfassen.

Zunächst bedarf es der Rüge einer konkreten Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber. Hierbei reicht es keinesfalls aus, pauschale Vorwürfe zu erheben. Vielmehr ist die konkrete Darstellung des vom Arbeitgeber nicht gebilligten Verhaltens erforderlich. Entsprechend dieser Konkretisierungspflicht muss der Arbeitgeber darlegen, dass er ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers nicht duldet. Zwingend notwendig ist demnach die detaillierte Darstellung des Sachverhalts, welcher der Pflichtverletzung des Arbeitnehmers zugrunde liegt. Unverzichtbar sind zudem die Angabe des Datums, der Zeit, des genauen Ortes und der beteiligten Personen.

Weitere Voraussetzung ist die Aufforderung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, sich zukünftig vertragstreu zu verhalten. Hierzu ist grundsätzlich erforderlich, dass der Arbeitgeber das von ihm erwartete vertragstreue Verhalten darstellt.

Schließlich muss die Abmahnung auch ihre Warnfunktion erfüllen. Hierzu muss aus der Abmahnung hervorgehen, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses für den Fall weiterer Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers gefährdet ist.

Wie lange nach einem Verstoß darf eine Abmahnung ausgesprochen werden?

Eine gesetzliche Frist, innerhalb derer eine Abmahnung nach erfolgtem Pflichtverstoß ausgesprochen werden muss, existiert nicht.

Allerdings kann der Arbeitgeber sein Recht, ein pflichtwidriges Verhalten abzumahnen, verwirken. Dies bedeutet, dass eine Abmahnung dann nicht mehr möglich ist, wenn der Arbeitgeber so lange mit der Abmahnung abwartet (Zeitmoment) , dass der Arbeitnehmer vernünftigerweise mit einer Abmahnung nicht mehr zu rechnen braucht (Umstandsmoment). Für die Beantwortung der Frage, ob der Arbeitgeber noch abmahnen kann oder er sein Recht zur Abmahnung verwirkt hat, ist die Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls erforderlich. Hierbei kommt es insbesondere auf die Schwere der Pflichtverletzung an.

Muss der AN eine Kopie der Abmahnung erhalten? Wie erlangt der AN überhaupt Kenntnis von der Abmahnung?

Die Abmahnung wird zudem nur wirksam, wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit hatte, von deren Inhalt Kenntnis zu erlangen. Für den Fall, dass die Abmahnung schriftlich erfolgt ist, bedeutet dies, dass diese verkörperte Erklärung dem Arbeitnehmer auch zugegangen sein muss.

Bei ausländischen Arbeitnehmern muss zudem gewährleistet sein, dass sie den Inhalt der Abmahnung überhaupt verstehen. Sind sie der deutschen Sprache nicht oder nur beschränkt mächtig, ist daher die Übersetzung der Abmahnung erforderlich.

Verlieren Abmahnungen mit Zeitablauf ihre Wirkung?

Eine Abmahnung verliert mit Ablauf einer gewissen Zeit ihre Wirksamkeit. Allerdings gelten auch hier keine gesetzlichen Fristen, innerhalb derer die Wirkung der Abmahnung verlorengeht. Es ist vielmehr auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls abzustellen, wobei es insbesondere auf die Art und Schwere des abgemahnten Pflichtverstoßes ankommt.

Handlungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers

Bereits der in einer Ermahnung enthaltene Vorwurf einer Pflichtverletzung kann in der Praxis dazu geeignet sein, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen zu hindern. „Echte“ Abmahnungen sind zudem der erste Schritt zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung.

Bevor der Arbeitnehmer etwas gegen eine Ermahnung oder Abmahnung unternimmt, kann er von seinem Recht Gebrauch machen, Einblick in die Personalakte zu nehmen. Hierbei ist es sinnvoll, ein Mitglied des Betriebsrats hinzuzuziehen (vgl. 83 Abs. 1 BetrVG). Nach dem Blick in die Personalakte kann das weitere Vorgehen geplant werden.

Was tun bei zu Unrecht erteilten Abmahnungen?

Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass eine zu Unrecht erteilte Abmahnung aus der Personalakte entfernt wird. Dieses Ziel kann der Arbeitnehmer auf unterschiedliche Weise erreichen.

Des Weiteren muss die Abmahnung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht für Kleinigkeiten abgemahnt werden darf. So wäre eine Abmahnung unverhältnismäßig und somit unwirksam, wenn der Arbeitnehmer dafür abgemahnt wird, dass er für eine kurze Zeit mit einem Kollegen private Dinge besprochen hat.

In diesem Fall würden dem Arbeitnehmer durch die Abmahnung unverhältnismäßig hohe Nachteile zugefügt, obwohl andere, weniger schwerwiegende Maßnahmen, wie z. B. die Ermahnung, möglich gewesen wären.

In keinem Fall dürfen Abmahnungen missbilligende oder abwertende Äußerungen des Arbeitgebers enthalten. Denn diese sind dazu geeignet, den Arbeitnehmer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu verletzen und in seinem beruflichen Fortkommen zu hindern.

Klage vor dem Arbeitsgericht

Der Arbeitnehmer kann vor dem Arbeitsgericht Klage auf Entfernung der Abmahnung erheben. Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (2 AZR 675/07), wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte besteht.

Wann eine Klage auf Entfernung einer Abmahnung sinnvoll ist, das hängt vom Einzelfall ab. In jedem Fall sollte sich der Arbeitnehmer vor der Einleitung entsprechender Schritte sachkundigen Rat einholen, z. B. von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin.

Zuweilen ist der Arbeitnehmer besser beraten, sich die gerichtliche Überprüfung – für den Fall, dass eine verhaltensbedingte Kündigung folgen sollte – für die dann anzustrebende Kündigungsschutzklage vorzubehalten. Denn in einem späteren Kündigungsschutzprozess können Abmahnungen immer noch rückwirkend auf Wirksamkeit überprüft werden.

Gegendarstellung

Entscheidet sich der Arbeitnehmer gegen eine Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte, bedeutet dies nicht, dass er die Abmahnung kommentarlos hinnehmen muss. Zumindest sollte der Arbeitnehmer von seinem Recht, eine Gegendarstellung zu verfassen, Gebrauch machen. Diese Gegendarstellung ist von dem Arbeitgeber in die Personalakte aufzunehmen, und zwar unabhängig von der Frage, ob er die Gegendarstellung für zutreffend hält. Durch die Gegendarstellung ist für den Fall anstehender personeller Entscheidungen gewährleistet, dass der Entscheider darüber informiert ist, dass das vom Arbeitgeber gerügte Verhalten nicht unstreitig ist. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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