Adhäsionsverfahren bei Tötungsdelikten: Rechte für Verletzte bzw. Angehörige

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Noch immer machen die Opfer versuchter Tötungsdelikte, insbesondere ihre Angehörigen, beim vollendeten Tötungsdelikt viel zu selten von ihren Rechten als Nebenkläger und Antragsteller im Adhäsionsverfahren Gebrauch. Ganz anders als die Opfer und vermeintlichen Opfer von Sexualstraftaten. Dies entgegen aller Versuche des Gesetzgebers in den vergangenen Jahren wie zuletzt dem OpferrechtsreformG vom 24.6.04, BGBl. I, S. 1354, die Nutzung der Chancen des Adhäsionsverfahrens zu stärken. 

Dabei bieten Nebenklage und Adhäsionsverfahren bei Tötungsdelikten weitreichende Chancen:

Denn die §§ 403bis 406c StPO bieten ein sehr einfaches und kostengünstiges Verfahren für den Geschädigten eines versuchten Tötungsdelikts bzw. für seine Angehörigen bei einem vollendeten Totschlag bzw. Mord, einen vollstreckbaren Titel gegen den Angeklagten im Adhäsionsverfahren zu erlangen. Denn: ein Schmerzensgeld steht ihm bzw. seinen Angehörigen zweifelsfrei zu.

Und: Macht er oder seine Angehörigen seine Rechte bereits im Adhäsionsverfahren geltend, erspart er bzw. ersparen sich seine Angehörigen naturgemäß einen zusätzlichen Zivilprozess.

Adhäsionsverfahren – was ist das überhaupt?

Das Adhäsionsverfahren ist Teil des Strafverfahrens; lat. „adhaerere“ bedeutet „anhängen“. Entsprechend bedeutet „Adhäsionsverfahren“ die Geltendmachung und Titulierung von vermögensrechtlichen, also zivilrechtlicher, Ansprüche gegen den Angeklagten, also in erster Linie Schmerzensgeldansprüchen und Ansprüche auf Schadensersatz, bereits im Strafprozess, ohne dass es eines weiteren Zivilprozesses bedarf.

Antragsberechtigt im Adhäsionsverfahren ist der durch die Straftat Verletzte oder sein Erbe im Rahmen des gegen den Angeklagten laufenden Strafverfahrens, § 403 StPO.

Adhäsionsverfahren im Jugendstrafrecht?

Zudem ist, nach dem 2. JuMoG, das Adhäsionsverfahren nunmehr auch dann zulässig, wenn in einem Verfahren gegen Heranwachsende diese nach Jugendstrafrecht verurteilt werden. Bislang war das nur dann möglich, wenn das Gericht in einem Verfahren gegen einen Heranwachsenden statt Jugendstrafrecht auch Erwachsenenstrafrecht auf den Heranwachsenden anwendete – also eher selten.

Vorteile des Adhäsionsverfahrens ?

Die Vorteile des Adhäsionsverfahrens für den Geschädigten einer versuchten Tötung bzw. für die Angehörigen eines Getöteten bestehen in erster Linie in dem nur sehr geringen Kostenrisiko, denn von dem Antragsteller im Adhäsionsverfahren ist, anders als von dem Kläger im Zivilprozess, kein Gerichtskostenvorschuss zu zahlen. Anders als im „normalen“ Zivilverfahren bedarf es zudem weder einer aufwändigen Klageschrift, außergerichtlichen Schriftwechsels noch der Stellung von Beweisanträgen seitens des Geschädigten der versuchten Tötung bzw. seiner Angehörigen bei vollendeter Tötung.

Vielmehr wird im Adhäsionsverfahren der den Anspruch begründenden Sachverhalt entsprechend der gerichtlichen Aufklärungspflicht von Amts wegen ermittelt und Zeugen von Amts wegen geladen.

Insbesondere kann das Geständnis des Angeklagten im Strafverfahren mittels des Adhäsionsverfahrens unmittelbar auch für die zivilrechtlichen Ansprüche des Geschädigten bzw. seiner Angehörigen verwertet werden; während es im „normalen Zivilverfahren“ lediglich als Indiz im Rahmen der freien Beweiswürdigung seitens des Zivilgerichts gewürdigt werden müsste.

Und der Ablauf des Adhäsionsverfahrens?

Das Adhäsionsverfahren beginnt mit dem Antrag des Adhäsionsberechtigten, dem sog. Adhäsionsantrag. Der Adhäsionsantrag hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung einer Zivilklage beim Zivilgericht. Während jedoch die Klageschrift im Zivilprozess erst mit der Zustellung der Klage an den Antragsgegner Wirkung entfaltet (was wiederum die Einzahlung des entsprechenden Gerichtskostenvorschusses voraussetzt) wirkt der Adhäsionsantrag bereits ab Eingang bei Gericht. Zudem kann der Antrag im Adhäsionsverfahren – anders als in einem Zivilprozess – auch ohne Zustimmung des Beklagten (des Angeklagten) bis zur Urteilsverkündung zurückgenommen werden, § 404 Abs. 4 StPO.

Dabei kann der Adhäsionsantrag seitens des Verletzten bzw. seiner Angehörigen in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten mündlich bis zum Beginn der Plädoyers gestellt werden. Frühestmöglicher Zeitpunkt für die Stellung des Adhäsionsantrags ist indes bereits im Ermittlungsverfahren. Hier kann der Adhäsionsantrag bereits bei der Staatsanwaltschaft gestellt werden. Im Urteil, mithin am Ende der Hauptverhandlung, entscheidet das Gericht über den Adhäsionsantrag im Urteil. Im Ergebnis erhalten Sie als Verletzter eines versuchten Tötungsdelikts bzw. als Angehörige eines Getöteten im Wege des Adhäsionsverfahrens bereits zeitgleich mit der strafrechtlichen Verurteilung des Angeklagten auch einen sog. Titel gegen diesen. Dieser ermöglicht Ihnen, für die Dauer von 30 Jahren Ihre Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den Angeklagten zu vollstrecken.

Sie wurden Opfer eines versuchten Totschlags? Ihr Angehöriger wurde Opfer eines Tötungsdelikts? Gerne unterstütze ich Sie bei der Geltendmachung Ihrer Rechte!

Ihre Anne Patsch, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht mit weiterem Tätigkeitsschwerpunkt im Medizinrecht mit Sitz in Frankfurt am Main und Mannheim.


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