Aktuelle Rechtsfragen bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

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Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung bei einer Kreditablösung?

Als Vorfälligkeitsentschädigung bezeichnet man den Zinsausfallschaden, der einer darlehensgewährenden Bank für die vorzeitige Rückführung eines Darlehens während der Zinsfestschreibungszeit entsteht.

Ergibt sich für die Höhe des entstehenden Schadens seitens der Bank eine zeitliche Begrenzung?

Der maßgebliche Schaden umfasst den Zinsschaden und den Verwaltungsaufwand des Darlehensgebers. Ersatzfähig ist der Zinsschaden jedoch nur für den Zeitraum einer rechtlich geschützten Zinserwartung. Eine rechtlich geschützte Zinserwartung besteht nur bis zum vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt des Rückzahlungsanspruches oder, wenn dieser zeitlich früher liegt, bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der nächsten zulässigen Kündigung. Das ist oftmals der Ablauf eines gegebenenfalls vereinbarten Zinsfestschreibungszeitraums, wobei die erstmalige Kündigungsmöglichkeit des Darlehensnehmers nach zehn Jahren die Obergrenze bildet.

Warum erscheint die Vorfälligkeitsentschädigung oftmals zu hoch?

Grundsätzlich gibt es richtige und falsche Berechnungen zur Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung. Ein Kreditsachverständiger, der die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung für den Bankkunden überprüfen kann, wird sich unter anderem die ggf. vertraglich vereinbarten Sondertilgungsrechte anschauen, ebenso die angesetzte Höhe der Risikokosten sowie die Verwaltungskosten und nach unzulässigen Bearbeitungsentgelten fahnden. Anschließend wird er überprüfen, ob diese Parameter richtig umgesetzt wurden.

Wie wirken sich Sondertilgungsrechte auf die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung aus?

Sondertilgungsrechte mindern die Vorfälligkeitsentschädigung in voller Höhe, da sie die rechtlich geschützte Zinserwartung der Bank begrenzen. Der Darlehensgeber hat mit der Einräumung von Sondertilgungsrechten von vornherein seine rechtlich geschützte Zinserwartung im jeweiligen Umfang dieser Rechte aufgegeben.

Warum gibt es Kritik an der zulässigen Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung?

Der Kreditgeber kann den durch eine Kündigung entstehenden Zinsausfallschaden ersetzt verlangen. Ein solcher Schaden entsteht aber nur, wenn der vertraglich vereinbarte Zinssatz über dem aktuellen Satz für ein Ersatzgeschäft liegt. An dieser Stelle kommt es oftmals entscheidend auf die Berechnungsmethode an. Ein Ersatzgeschäft könnte beispielsweise die Neuausleihung eines Kredites („Aktiv-Aktiv-Methode“) sein. Dann besteht ein Schaden in der Differenz zum vereinbarten Festzinssatz mit dem Bankkunden, der seinen Kredit vorzeitig ablöst und dem Zinssatz für das Ersatzgeschäft.

Gibt es neben der Aktiv-Aktiv-Methode weitere Berechnungsmethoden?

Neben der Aktiv-Aktiv-Methode existiert die Aktiv-Passiv-Methode. Hierbei unterstellt man der kreditgebenden Bank, dass Sie das vorzeitig erlangte Geld hypothetisch in Hypothekenpfandbriefen anlegen würde. Die dabei erzielten Renditen muss sich die Bank schadensmindernd anrechnen lassen.

Welche Nachteile ergeben sich aus der Aktiv-Passiv Methode?

Grundsätzlich hat der für das Bankrecht zuständige 11. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes dem Kreditgeber ein Wahlrecht gelassen, ob er die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode oder nach der Aktiv-Aktiv-Methode vornimmt. Allerdings liegen die maßgeblichen Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofes zu den zulässigen Methoden der Berechnungen der Vorfälligkeitsentschädigung einige Jahre zurück. Inzwischen ist davon auszugehen, dass der Kreditmarkt einer Veränderung unterlegen ist. Ein Kreditgeber, der keine Hypothekenbank ist, würde heute wohl kein Geld mehr in Hypothekenpfandbriefe anlegen. Es existieren deutliche Zweifel, dass die alten Entscheidungen noch den gegenwärtigen Stand des Kreditmarktes wiederspiegeln. Die Aktiv-Passiv-Methode berücksichtigt weder die aktuellen Entwicklungen am Hypothekenmarkt, noch die verschärften Eigenkapitalquoten von Basel II und III. Dadurch führt sie im Einzelfall zu überhöhten Vorfälligkeitsentschädigungen, als Folge bekommt der Kreditgeber mehr, als er bekommen hätte, wäre der Kredit ordnungsgemäß abgewickelt worden.

Wie wird die Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode berechnet?

Bei der Aktiv-Passiv-Methode werden zunächst die ausfallenden Zahlungen in Form eines Zahlungsstroms erfasst. Diese Zahlungsausfälle werden, fingiert durch eine Vielzahl von hypothetischen Hypothekenpfandbriefgeschäften mit jeweils nach Laufzeit gestaffelten unterschiedlichen Renditen, die zum Zeitpunkt der Darlehensrückzahlung als abgeschlossen gelten, durch deren Zins- und Rückzahlungsbeträge ausgeglichen. Da der erforderliche Geldbetrag zum Abschluss der Ersatzgeschäfte größer ist, als das vorzeitig zurückgezahlte Darlehenskapital, besteht eine Differenz. Der Schaden ist hier also der Refinanzierungsschaden der durch die veränderten Marktzinsen zum Zeitpunkt der vorfälligen Rückzahlung entsteht. Dabei berechnen sich die jeweiligen Marktzinsen aufgrund der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank für Anleihen in sicheren Wertpapieren, namentlich Hypothekenpfandbriefen.

Was wird der Bank mit dieser Berechnungsmethode unterstellt?

Dabei unterstellt man der Bank virtuell, sie hätte die vorfällig erbrachte Kreditrückzahlung auf dem freien Wertpapiermarkt auf festverzinslicher Basis bis zum Ende der Festzinsperiode angelegt. Solchen Rechenmodelle scheinen ihre Tauglichkeit verloren zu haben. Denn mit dem Aufkommen der Finanzkrise verschlechterte sich die Zinssituation auf dem relevanten Markt für Hypothekenpfandbriefe dramatisch. Schon nach 2014 lag der relevante Zinssatz bei 0,1 %. Und es ist weitgehend aufgrund der veränderten Marktlage unrealistisch, anzunehmen, dass eine Bank das rückgeführte Kapital auf einen solchen Markt anlegen würde, wenn sie es nicht muss. In vielen Fällen ist die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der „Aktiv-Aktiv-Methode“ heute realistischer. Sie unterstellt, dass eine vorzeitig zurückgeflossene Darlehensvaluta sofort wieder einem neuen Kreditgeschäft zugeführt werden kann. Doch die Rechtsprechung folgt in der Regel den alten Leitsatzentscheidungen überwiegend auch noch dann, wenn sich die Welt inzwischen geändert hat.

Welche Vorteile würde eine Änderung der Rechtsprechung mit sich bringen?

Eine gefestigte Rechtsprechung ist berechenbar, vorhersehbar und sie hat deshalb viele Vorteile, aber auch den Nachteil, dass die Rechtsprechung den alten höchstrichterlichen Leitsatzentscheidungen auch noch dann folgt, wenn sich die Welt inzwischen verändert hat. Allerdings ist die Änderung der Rechtsprechung kein Selbstzweck und die Jurisprudenz würde sich ihrer normativen Kraft rauben, wenn sie die Änderung der Rechtsprechung zum Selbstzweck erklärt. Eine Neujustierung der Rechtsprechung sollte daher nur ausnahmsweise und beim Vorliegen von Gründen vollzogen werden.

Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Aktiv-Methode könnte eine solche Ausnahme darstellen. Der Gesetzgeber geht bei der Vorfälligkeitsentschädigung davon aus, dass ein Schaden im Sinne des § 249 BGB ersetzt werden soll. In diesem Sinne ist die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung nun einmal gesetzlich begrenzt. Derjenige, der seinen Kredit vorzeitig ablöst, soll nur den Zustand ersetzen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre; wenn also der Kredit vertragsgemäß bedient worden wäre. Mit dem Aufkommen der Finanzkrise verschlechterte sich die Zinssituation auf dem relevanten Markt für Hypothekenpfandbriefe dramatisch. Schon nach 2014 lag der relevante Zinssatz bei 0,1 %. Da ist es weitgehend unrealistisch, anzunehmen, dass eine Bank das rückgeführte Kapital auf einen solchen Markt anlegen würde, wenn sie es nicht muss. In vielen Fällen ist die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der „Aktiv-Aktiv-Methode“ heute realistischer.


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