Anpassung der Gewerberaummiete für geschlossene Geschäfte im Corona-Lockdown – Leitlinien für Vermieter und Mieter

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Seit Beginn der Corona-Pandemie sind zahlreiche Einzelhändler, Gastronomen, Hotelbetreiber und andere Branchen von staatlich angeordneten Schließungen betroffen. Ihnen ist es zum Teil vollständig unmöglich, ihrer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Zuletzt haben die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder auf der Videoschaltkonferenz am vergangenen Mittwoch, d. 03.03.2021, eine Öffnung des Einzelhandels in Abhängigkeit einer stabilen 7-Tage-Inzidenz von unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner zwar in Aussicht gestellt (https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1872054/66dba48b5b63d8817615d11edaaed849/2021-03-03-mpk-data.pdf?download=1). Die Hoffnung vieler Unternehmer, ihre Geschäfte sofort oder zumindest zeitnah wieder öffnen zu können,  wurde allerdings zum wiederholten Male enttäuscht.

Wirkt sich die eingeschränkte Nutzbarkeit von Mietobjekten auf die Miete aus?

Dieser Rechtstipp gibt Leitlinien vor, an denen sich Vermieter und Mieter orientieren können.

1. Wie ist die Rechtslage?

Bereits im Dezember 2020 ist der Gesetzgeber aktiv geworden und hat grundsätzlich klargestellt, wie es sich auf die Miete auswirkt, wenn Laden-, Restaurant- oder Hotelinhaber zur Eindämmung des Infektionsgeschehens schließen müssen. Der Bundestag hat zwei wesentliche Regelungen getroffen:

(1) Art 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) wurde um § 7 ergänzt.

Dieser lautet:

§ 7 Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.

Was bedeutet dies im Einzelnen? 

§ 313 BGB regelt eine nachträgliche Anpassung von Verträgen wegen eines sogenanntes Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Aufgrund der Gesetzesänderung wird nun im Rahmen des § 313 BGB vermutet, dass sich durch die staatlich angeordneten Schließungen ein Umstand, der zu Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Soweit der Mieter zusätzlich darlegen und beweisen kann, dass es für ihn unzumutbar ist, an der vertraglichen Vereinbarung zur Miete festzuhalten, kann er eine Vertragsanpassung verlangen. Hierzu ist eine umfassende Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände vorzunehmen. Selbstverständlich sind auch die berechtigten Interessen des Vermieters zu berücksichtigen.

Was ist die Rechtsfolge einer gestörten Geschäftsgrundlage?

Der Gesetzgeber hat die Rechtsfolgen einer gestörten Geschäftsgrundlage bewusst offengelassen. Die Ausgestaltung der Anpassung ist den Mietvertragsparteien überlassen. In Betracht kommt beispielsweise ein Erlass, eine Stundung oder eine Minderung der Miete.

(2) § 44 des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung (EGZPO) wurde geschaffen.

Dieser lautet:

§ 44 Vorrang- und Beschleunigungsgebot

(1) Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sind vorrangig und beschleunigt zu behandeln.

(2) In Verfahren nach Absatz 1 soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.

Begleitend wurde im EGZPO ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot für Verfahren über Mietanpassungen eingeführt. In diesen Verfahren soll ein so genannter früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden. Der Gesetzgeber bringt durch diese Regelung zum Ausdruck, dass ihm die Brisanz und eine mögliche finanzielle Notlage vieler Unternehmer durchaus bewusst ist.


2. Können Mieten auch rückwirkend angepasst werden?

Ja, Mieten können auch heute noch für den ersten Lockdown im März bzw. April 2020 nachträglich angepasst werden. Da eine nachträgliche Stundung für Mieten logischerweise ausscheidet, dürfte der häufigste Wunsch von Mietern sein, die Miete nachträglich zu mindern. Soweit der Mieter darlegen und beweisen kann, dass die vertraglich vereinbarte Miete für ihn unzumutbar ist, kann er auch für die vergangenen Monate nachträglich eine Minderung der Miete verlangen. Hinsichtlich der Höhe der Mietminderung ist auch insoweit eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen.


3. Was sagen die Gerichte?

Der BGH hat sich bislang noch nicht zu einer Anpassung der Gewerberaummiete für geschlossene Geschäfte im Corona-Lockdown äußern können. Die Verfahren sind hierfür zu neu.

Ende Februar bestätigten jedoch das OLG München, das OLG Karlsruhe und das OLG Dresden grundsätzlich die Anpassung der Gewerberaummiete.

Das OLG München veröffentlichte einen Hinweisbeschluss vom 17.02.2021, Az. 32 U 6358/20, und bestätigte, dass eine Anspruch nach § 313 Abs. 1 BGB auf Anpassung des Mietvertrages durch eine Herabsetzung oder Stundung der Miete in Ausnahmefällen möglich ist. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag seien sämtliche Umstände des Einzelfalles zu beachten. Im konkreten Fall lagen nach Ansicht der bayerischen Richter jedoch keine Umstände vor, die eine Herabsetzung der Miete rechtfertigten, da unklar blieb, ob der Mieter zur Überbrückung von Liquiditätslücken andere staatliche „Corona-Hilfen“ in Anspruch nahm.

Das OLG Karlsruhe entschied mit Urteil vom 25.02.2021, Az. 7 U 109/20, dass ein Einzelhändler nicht ohne Weiteres seine Mietzahlung aussetzen oder reduzieren könne. Eine Unzumutbarkeit der vollständigen Mietzahlung könne unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage jedoch grundsätzlich in Betracht kommen. Dies setze voraus, dass der Mieter durch die Mietzahlungen in Existenznöte oder sein „wirtschaftliches Fortkommen zumindest schwerwiegend beeinträchtigt“ würde und auch die Interessenlage des Vermieters eine Vertragsanpassung erlaube.

An demselben Tag entschied das OLG Dresden, Az. 5 U 1782/20, dass infolge des Auftretens der Corona-Pandemie und der staatlichen Schließungsanordnungen für den Einzelhandel eine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB vorliege, die eine Anpassung des Vertrages auslöse. Für die Dauer der angeordneten Schließung reduziere sich die Miete auf die Hälfte. Die Reduzierung um 50 % sei gerechtfertigt, weil keine der Parteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder sie vorhergesehen habe. Daher sei es angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf Vermieter und Mieter zu verteilen.


4. Was sollten Mieter sofort machen?

Allen Mietern von Gewerberäumen, die von staatlich angeordneten Schließungen betroffen sind, ist dringend anzuraten, in Verhandlungen mit ihren Vermietern zu treten. Soweit ein Festhalten an den vertraglichen Regelungen für Sie als Mieter unzumutbar ist, haben Sie einen Anspruch auf eine Anpassung des Vertrags. In Betracht kommen insbesondere Stundungen oder vorübergehende Minderungen. Der Gesetzgeber hat allen Mietern mit den oben beschriebenen Gesetzesanpassungen einen hilfreichen „Verhandlungsanstoß“ zur Vertragsanpassung gegeben. Mieter sollten auch prüfen, ob sie bereits gezahlte Miete zurückverlangen können


5. Wie sollten Vermieter reagieren?

Solange Mieter keine Vertragsanpassung wünschen, sollten Vermieter „die Füße stillhalten“. Sind Sie als Vermieter jedoch mit einem entsprechenden Begehren Ihrer Mieter konfrontiert, ist es ratsam, gemeinsam eine für beide Parteien vernünftige Lösung zu finden. Soweit Sie sich außergerichtlich einigen, vermeiden Sie in jedem Fall einen langwierigen Gerichtsprozess. Sie sollten Mietern immer Alternativen zur Herabsenkung der Miete aufzeigen und konkret nach anderen staatlichen Hilfen fragen.


6. Was gilt es für künftige Mietverträge über Gewerberäume zu beachten?

In künftigen Mietverträgen über Gewerberäume sollten unbedingt „Pandemieklauseln“ aufgenommen werden. Sie sollten bereits im Mietvertrag regeln, ob staatlich angeordnete Schließungen zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB führen und auch die Folgen einer etwaigen Vertragsanpassung regeln. „Pandemieklauseln“ sollten ab sofort zum Standard gehören.



Foto(s): Kaique Rocha


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