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Anzeigepflichten bei Abschluss des Versicherungsvertrages

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Nach den §§ 19-22 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) kann der Versicherer dem zukünftigen Versicherungsnehmer Fragen stellen, die für den Abschluss des Vertrages erheblich sind. So wird in der Berufsunfähigkeitsversicherung bzw. in der Krankenversicherung regelmäßig nach bisherigen Krankheiten gefragt.

Seit dem 1. 1. 2008 sind die Voraussetzungen für eine Anzeigepflicht und die Rechtsfolgen neu geregelt

Hier gilt:

  • Der Versicherer darf alle Fragen stellen, die für den Abschluss des Vertrages maßgeblich sind.
  • Der Versicherer muss diese Fragen in Textform stellen.
  • Der zukünftige Versicherungsnehmer muss alle ihm bekannten gefahrerheblichen Umstände angeben, nach denen er gefragt wird.
  • Der Versicherer kann bis zur Annahme des Antrages nachfragen.
  • Es ist eine Belehrung des Versicherungsnehmers in Textform über die Folgen von Falschangaben notwendig.

Folge einer Anzeigepflichtverletzung

Je nach Schwere der Anzeigepflichtverletzung und des Verschuldens des Versicherungsnehmers kann eine fehlerhafte Angabe dazu führen, dass der Versicherer

  • vom Vertrag zurücktreten kann,
  • den Vertrag kündigen kann,
  • den Vertrag anpassen kann, so dass sich entweder die Versicherungsprämie erhöht oder aber bestimmte Schadensfälle von der Versicherung ausgeschlossen werden.

Der Versicherer kann die ihm zustehenden Rechte jedoch nur innerhalb eines Monats schriftlich geltend machen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherer von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erlangt. Zudem muss der Versicherer alle Umstände angeben, auf die er seine Entscheidung stützt. Ein Nachschieben von Gründen ist grundsätzlich nicht möglich.

Arglistige Täuschung

Im Falle einer arglistigen Täuschung durch den Versicherungsnehmer kann der Versicherer unabhängig von den oben genannten Voraussetzungen den Vertrag anfechten (§ 123 BGB). Der Vertrag ist dann nichtig. Die Anfechtungsfrist beträgt 1 Jahr und beginnt mit Kenntnis von der Täuschung.

In einem neuen Urteil hatte sich das OLG Stuttgart (Urteil vom 6. 20.8.2013 - 7 C 101/13) mit der Frage zu befassen,

  • ob ein Krankenversicherer vor Vertragsschluss arglistig getäuscht worden war und
  • ob der Versicherer bei seiner Nachfrage seinen Belehrungspflichten über die Folgen einer etwaigen Anzeigepflichtverletzung nachgekommen war.

Hierzu stellte das Gericht fest:

  1. Wird ein Kunde im Wege der sogenannten „Kaltakquise“ (Ausspannen von Kunden) nach wiederholten Besuchen gewonnen, kann dies die üblichen Indizien für die Arglist bei unvollständigen Gesundheitsangaben stark entwerten.
  2. Die Platzierung der Belehrung über die Rechtsfolgen von falschen Gesundheitsangaben in einem Antragsformular auf der letzten Seite, mehrere Seiten nach dem Fragebogen und der Unterschriftsleiste, kann bei Antragstellung leicht übersehen werden. Eine solche Belehrung ist aus diesem Grunde nicht ausreichend, so dass der Versicherer sein Recht zum Rücktritt nicht ausüben kann.

Im vorliegenden Fall verneinten die Richter eine arglistige Täuschung durch den Versicherungsnehmer. Der Versicherer habe nicht beweisen können dass der Versicherungsnehmer über seinen wahren Gesundheitszustand arglistig getäuscht habe. Vielmehr sei es auch möglich gewesen, dass der Versicherungsvertreter die Gesundheitsfragen schon gar nicht vorgelegt habe (obwohl im Prozess ein ausgefüllter Fragebogen vorgelegt wurde).

Das Rücktrittsrecht des Versicherers verneinten die Richter ebenso. Hierfür sei eine umfassende Belehrung des Versicherungsnehmers über die Folgen einer etwaigen Pflichtverletzung notwendig. Diese Belehrung habe eine Warnfunktion. Diese Warnfunktion sei nicht mehr erfüllt, wenn die Belehrung mehrere Seiten nach dem Fragebogen im Antragsdokument enthalten sei. Dort werde sie regelmäßig von Verbrauchern überlesen.

Dieses Urteil zeigt, dass Versicherer bei fehlerhaften Fragebögen häufig versuchen sich vom Vertrag zu lösen. Das Urteil des OLG Stuttgart zeigt jedoch, dass der Versicherer den Vertrag nur unter bestimmten Umständen beenden kann.

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