Arbeitsrecht für Arbeitgeber: Zehn Minuten Arbeitszeitbetrug rechtfertigt fristlose Kündigung

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„Die Erteilung einer Abmahnung sei entbehrlich gewesen, denn aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung habe die Klägerin nicht darauf vertrauen können, dass der Beklagte ihre vorsätzliche Falschdokumentation, selbst wenn es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt haben sollte, hinnehmen würde“, so argumentierte der Arbeitgeber bei Gericht. Das LAG Hamm mit Urteil vom 27.01.2023 - 13 Sa 1007/22 gab dem Arbeitgeber recht und wies die Kündigungsschutzklage als unbegründet zurück.

Vorsätzliche Falschdokumentation von Arbeitszeit führt zur fristlosen Kündigung

LAG Hamm:„Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und missbraucht der Arbeitnehmer wissentlich und vorsätzlich das dafür bereitgestellte Arbeitszeiterfassungssystem, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Arbeitgeber (BAG, Urteile vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 -, Rn. 17, juris; vom 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 54, juris; vom 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 14 mwN - juris).“ Quelle: openJur 2023, 4333

Arbeitnehmerin verlässt für mindestens 10 Minuten ihren Arbeitsplatz, ohne auszustempeln

LAG Hamm dazu wie folgt feststellend: „Die Klägerin hat unstreitig jedenfalls am 08.10.2021 ihren Arbeitsplatz für mindestens zehn Minuten verlassen, ohne das von dem Beklagten installierte Zeiterfassungssystem zu betätigen, um in dem der B gegenüberliegenden Café einen Kaffee zu trinken. Von dem Beklagten nach ihrer Rückkehr darauf angesprochen, hat die Klägerin, wie sie selbst auf Nachfrage in der Verhandlung vor der Berufungskammer nochmals bestätigt hat, zunächst geleugnet, an diesem Morgen während ihrer Arbeitszeit in dem Café gewesen zu sein. Auch auf den Vorhalt des Beklagten, dass er die Klägerin persönlich in dem Café beobachtet habe, hielt die Klägerin zunächst daran fest, die B nicht verlassen zu haben, und erklärte, dass der Beklagte sich irren müsse. Erst nachdem der Beklagte darauf hinwies, dass er davon Fotos angefertigt habe, hat die Klägerin ihr Vergehen eingeräumt. Damit hat sie schon beim Verlassen der B, ohne die Arbeitszeiterfassung zu bedienen, eine Pflichtverletzung begangen.“

„Nur kurz Kaffee trinken“ – entschuldigt nicht den Arbeitszeitbetrug

LAG Hamm: „Die Klägerin beruft sich insoweit ohne Erfolg in ihrer Berufungsbegründung darauf, dass sie "nur kurz" Kaffee trinken gewesen sei und dass es sich nur um ein einmaliges Vergehen gehandelt habe. Denn entscheidend sind weder die Dauer des Arbeitszeitbetruges, noch die Häufigkeit. Ein wichtiger Grund iSv § 626 Abs. 1 BGB kann grundsätzlich auch vorliegen, wenn es sich nur um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat, der nur zu einem geringen wirtschaftlichen Schaden geführt hat (vgl. BAG, Urteil vom 06. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn.23, juris). Denn entscheidend ist der sich mit dem Vorgehen verbundene Vertrauensverlust. Vorliegend hat jedenfalls das Nachtatverhalten der Klägerin, indem sie in dem Personalgespräch mit dem Beklagten zunächst beharrlich geleugnet hat, die B an dem streitgegenständlichen Morgen verlassen zu haben, zu einem irreparablen Vertrauensverlust geführt.“

Vertrauensbruch ist entscheidend – nicht jedoch „einmaliges Vergehen“ oder „Dauer des Arbeitszeitbetruges“

Es heißt in den Entscheidungsgründen des LAG Hamm wie folgt: „Die Klägerin handelte auch vorsätzlich. Ihr Einwand in der Berufungsbegründung, dass das Arbeitsgericht ihr zu Unrecht Vorsatz unterstellt habe, obwohl sie "schlicht vergessen habe", sich auszuloggen, trägt nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin das Ausstempeln zunächst tatsächlich "vergessen" hat, wie sie behauptet. Dagegen spricht jedenfalls, dass sie gegenüber ihren Kolleginnen vorab erklärt hat, in den Keller zu gehen, bevor sie sich in das Café begeben hat, sowie dass sie auch nach ihrer Rückkehr eine Korrektur nicht vorgenommen hat. Dass sie auch das "schlicht vergessen" habe, hat sie selbst nicht behauptet. Dies alles spricht für ein planvolles Vorgehen. Letztlich kommt es darauf aber nicht an, denn spätestens zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte sie auf die fehlerhafte Arbeitszeiterfassung angesprochen hat, hätte sie ihr Versäumnis einräumen müssen. Indem sie stattdessen zunächst vehement geleugnet hat, die B verlassen zu haben und in dem Café gewesen zu sein, hat sie jedenfalls zu diesem Zeitpunkt den Beklagten vorsätzlich über eine zutreffende Arbeitszeiterfassung zu täuschen versucht. Dass es der Klägerin, wie sie vorträgt, "peinlich" war, ihren Fehler einzugestehen, ändert nichts daran, dass sie spätestens in diesem Moment vorsätzlich mit Täuschungs- und Verschleierungsabsicht handelte und damit einen schweren Vertrauensbruch beging bzw. diesen vertiefte.“

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung eines Mitarbeiters/Mitarbeiterin? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Arbeitnehmern/Innen.


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