Arbeitsrecht – verhaltensbedingte Kündigung

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Wenn ein Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate dauert und eine entsprechende Betriebsgröße vorliegt (in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer), kann der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nur dann eine Kündigung aussprechen, wenn betriebsbedingte, personenbedingte oder verhaltensbedingte Gründe vorliegen. Der Artikel befasst sich mit den verhaltensbedingten Kündigungen.

Eine verhaltensbedingte Kündigung kann, grob gesagt, dann ausgesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer Vertragspflichten verletzt und deshalb für den Arbeitgeber die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Hierbei sind insbesondere vier Punkte relevant:

  1. Der Arbeitnehmer muss einen Pflichtverstoß begangen haben.
  2. Dieser Pflichtverstoß des Arbeitnehmers muss rechtswidrig sein (an der Rechtswidrigkeit fehlt es bspw., wenn das Verhalten des Arbeitnehmers durch Notwehr, Notstand u. a. gerechtfertigt ist). Auch muss das Verhalten schuldhaft erfolgen. Der Arbeitnehmer muss also entweder vorsätzlich oder aber fahrlässig gehandelt haben.
  3. Die Kündigung wird dann gerechtfertigt, wenn sie verhältnismäßig ist. Hier ist immer zu prüfen, ob es ein milderes Mittel als die Kündigung gibt (bspw. Abmahnung).
  4. Zuletzt erfolgt eine umfassende Interessenabwägung. Das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss dem Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiegen.

Als Pflichtverstoß kommt jedes Verhalten des Arbeitnehmers in Betracht, welches „an sich“ geeignet ist, eine Kündigung auszusprechen. Bspw. wäre dies möglich, wenn ein Arbeitnehmer regelmäßig zu spät kommt oder die Arbeit verweigert. 

Aber auch zu langsames oder fehlerhaftes Arbeiten kann einen solchen Pflichtverstoß darstellen. Relevant sind auch Verstöße gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten. Hier zählen bspw. Körperverletzung, Diebstähle, Unterschlagungen, Verstöße gegen die betriebliche Ordnung, die Nichtanzeige von Arbeitsunfähigkeit u. a. zu den relevanten Pflichtverstößen. Die Aufzählung ist nicht abschließend.

Wenn dem Arbeitnehmer ein solcher Pflichtverstoß zur Last gelegt werden kann, so wird daraus die Vermutung gezogen, dass er dieses auch rechtswidrig und schuldhaft begangen hat. Der Arbeitnehmer muss an dieser Stelle darlegen und beweisen, dass Rechtfertigungsgründe vorliegen oder dass ihn eben kein Verschulden trifft.

Häufiger Streitpunkt ist die Frage, ob der Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung verhältnismäßig ist. Das Arbeitsgericht prüft an dieser Stelle, ob der Ausspruch der Kündigung für den Arbeitgeber tatsächlich das „letzte Mittel“ ist. In der Regel muss der Arbeitgeber bestimmte Verhaltensweisen des Arbeitnehmers vorher abmahnen.

Im Rahmen dieser Abmahnung muss der Arbeitgeber das abgemahnte Verhalten genau beschreiben, deutlich als Vertragsverstoß rügen und den Arbeitnehmer auffordern, dieses Verhalten in Zukunft zu unterlassen. Zuletzt muss der Arbeitgeber deutlich machen, dass der Arbeitnehmer im Wiederholungsfall mit einer Kündigung rechnen muss.

Erfüllt eine Abmahnung diese Voraussetzungen nicht, so entfaltet die Abmahnung keine Wirkung. Aus Beweisgründen wird ein Arbeitgeber eine solche Abmahnung in der Regel schriftlich aussprechen, auch wenn mündliche Abmahnungen durchaus zulässig sind.

Nur in geringen Ausnahmefällen ist eine vorherige Abmahnung entbehrlich, insbesondere bei Pflichtverstößen im Vertrauensbereich (bspw. Diebstahl, Unterschlagung, Spesenbetrug u. a.). Hier wird davon ausgegangen, dass eine Abmahnung nicht zu einer Verbesserung des gestörten Arbeitsverhältnisses führt. 

Dennoch ist jeder Einzelfall gesondert zu betrachten, sodass erst im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung darüber entschieden werden kann, ob es für den Arbeitgeber unzumutbar ist, am Arbeitsvertrag festzuhalten oder eben nicht.

Hier sind die Schwere des Verstoßes, die betrieblichen Auswirkungen, die soziale Situation des Arbeitnehmers, das Alter des Arbeitnehmers, die Dauer der Betriebszugehörigkeit u.s.w. entscheidende Faktoren.

Der Arbeitgeber ist – wie bei anderen Kündigungen auch – an bestimmte Formalien gebunden. So muss die Kündigung schriftlich erfolgen. Bei der Vertretung durch einen Vertreter (bspw. Rechtsanwalt) muss in der Regel eine Originalvollmacht beigefügt sein. Besteht im Unternehmen ein Betriebsrat, so muss dieser vorher angehört werden. Beim Ausspruch einer fristlosen verhaltensbedingten Kündigung muss die Kündigung wegen eines wichtigen Grundes innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis dieses Grundes ausgesprochen werden.

Nach Zustellung der Kündigung muss dagegen der Arbeitnehmer bestimmte Erfordernisse beachten. Erhebt der Arbeitnehmer nämlich nicht innerhalb von drei Wochen nach Zustellung der Kündigung die Kündigungsschutzklage, so gilt die Kündigung schlichtweg als wirksam. Es ist daher für den Arbeitnehmer enorm wichtig, die gesetzliche Dreiwochenfrist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage zu beachten.

Hinzu kommt, dass sich der gekündigte Arbeitnehmer umgehend – möglichst innerhalb von drei Tagen – beim Arbeitsamt arbeitslos meldet, um den Eintritt von Kürzungen beim Bezug von Arbeitslosengeld zu verhindern. Bei verhaltensbedingten Kündigungen kommt hinzu, dass hier eine Sperrzeit von zwölf Wochen droht, wenn feststeht, dass das Arbeitsverhältnis durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers beendet wurde. 

Der Arbeitnehmer tut also gut daran, innerhalb von drei Wochen die Kündigungsschutzklage zu erheben.

Aufgrund der vielen Unabwägbarkeiten macht es sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer Sinn, sich rechtzeitig beraten ggf. vertreten zu lassen.

Rechtsanwalt Peter Scheffer

Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Kanzlei Scheffer

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