Arbeitsverhältnis und „Kennenlernphase“ – kann der Arbeitgeber kostenlos arbeiten lassen?

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Man hört es immer wieder: Wer einen Arbeitsplatz haben möchte, wird oft gebeten, im Betrieb einmal zu zeigen, was er/sie kann. Dann wird oft ohne Vergütung eine Arbeitsleistung erbracht, weil der Arbeitgeber sehen will, was in der Bewerberin/dem Bewerber steckt und ob er geeignet ist.

Arbeitgeber begründen dies meistens damit, dass man vor einem folgenschweren Abschluss eines Arbeitsvertrags erstmal sehen wolle, ob man überhaupt zueinander passt.

So ging es in einem Fall aus der Praxis. Der Arbeitnehmer bekam seinen Lohn erst ab der zweiten Arbeitswoche. Hintergrund war, dass der Arbeitgeber (findigerweise?) den Arbeitnehmer bereits in der letzten Woche des Vormonats anfangen ließ. Laut Arbeitsvertrag bestand das Arbeitsverhältnis aber offiziell erst ab dem Monatsersten des Folgemonats. Der Arbeitnehmer verlangt nun auch die Meldung zur Sozialversicherung und den Lohn für die fehlende Woche.

Solche Einarbeitungsphasen sind in der Tat im Arbeitsrecht nicht unbekannt. Arbeitsverhältnissen kann in der Tat ein sog. Einfühlungsverhältnis vorgeschaltet sein.

Die Abgrenzung ist aber schwierig. Wo ist der Übergang zu einem echten Arbeitsverhältnis?

Die Rechtsprechung hierzu ist diffus. Die meisten Gerichte halten es grundsätzlich für zulässig, wenn Arbeitgeber und Bewerber/in sich darüber einig sind, dass diese(r) zu Beginn ohne Bezahlung erst einmal einige Tage im Betrieb ist. Der/die Bewerber/in unterliegt dabei keiner Pflicht zur Arbeit. Es gilt nur das Hausrecht des Unternehmers. Solche Einfühlungsverhältnisse dürfen aber nicht länger als einige Tage dauern, maximal wird man eine Woche als Grenze ansetzen müssen. Solche Einfühlungsverhältnisse sind aber keine Arbeitsverhältnisse, auch nicht zur Probe. Probearbeitsverhältnisse sind bis zu sechs Monate befristet und echte Arbeitsverhältnisse mit Lohnzahlungspflicht. Zweck der Befristung ist in diesem Fall die Erprobung für einen Zeitraum von mehreren Wochen. Außerdem gibt es natürlich noch die Möglichkeit, jemanden im Betrieb auszubilden (Ausbildungsverhältnis im Sinne des Berufsbildungsgesetzes).

Welche Lösung gibt es also für den oben genannten Beispielsfall?

Eine Vergütung muss im Arbeitsverhältnis nicht immer ausdrücklich vereinbart sein, sie kann auch stillschweigend zugrunde liegen. § 612 I BGB besagt, dass eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung „den Umständen nach“ nur gegen eine solche zu erwarten ist. Gehen die Beteiligten aber davon aus, dass gar keine Vergütung geschuldet sein soll, ist auch für eine solche stillschweigende Vergütung natürlich kein Raum mehr, das wäre widersinnig. Der Arbeitnehmer muss also, wenn er für die erste Arbeitswoche Lohn möchte, darlegen, dass eine Vergütung auch für den Zeitraum einer solchen ersten Arbeitswoche versprochen war. Dies wird vor allem dann schwierig, wenn dies eben gerade im Arbeitsvertrag wegen des Beginntermins des Monatsersten nicht geregelt ist. Oft gibt es auch Schriftformklauseln, die mündliche Nebenabreden verhindern sollen. Dann muss im Einzelfall geprüft werden, ob diese Schriftformklauseln unwirksam sein. Die Lohnzahlungspflicht lässt sich für diese erste Arbeitswoche also nur dann ermitteln, wenn alle Umstände des Einzelfalls gewürdigt und ausgewertet werden.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


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