Arbeitszeit in Unternehmen mit Betriebsrat

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Das Arbeitszeitgesetz (AZG) dient in erster Linie dem Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer und Verhütung von Arbeitsunfällen. Ebenfalls aber ist das Augenmerk auf Zwecke wie Schaffung der verbesserten Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten zu richten. In den letzten 15 Jahren sind entsprechend unzählige Regelungen über Arbeitszeitmodelle entstanden.

Unstreitig ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle Arbeitszeiten, welche über die acht Stunden der werktäglichen Arbeitszeit § 3 AZG hinausgehen, aufzuzeichnen vgl. § 16 AZG. Wie die Zeiterfassung auszusehen hat und welche Rolle dabei die Betriebsräte spielen, ist dagegen häufig Streitthema.

1. Überwachungsaufgaben des Betriebsrates

Der Betriebsrat hat gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei Angelegenheiten, die Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage betreffen, mitzubestimmen. Ferner hat der Betriebsrat gem. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass alle zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Regelungen durchgeführt werden. Dies erfasst auch Arbeitnehmerschutzvorschriften, die sich aus dem AZG ergeben.

Dem Betriebsrat steht daher ein Auskunftsanspruch über die im Betrieb tatsächlich entstanden Arbeitszeiten zu. Das BAG stellte bereits in einem Beschluss vom 06.05.2003 (Az. 1 ABR 13/02) fest, dass der Betrieb Kenntnis von Beginn und Ende der täglichen und vom Umfang der tatsächlich geleisteten wöchentlichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer benötigt, wenn er seine Überwachungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ordnungsgemäß im Hinblick auf Einhaltung der gesetzlichen Ruhezeiten und der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeiten wahrnehmen will.

Der Arbeitgeber kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, dass er über entsprechende Kenntnisse aufgrund der Vereinbarung der Vertrauensarbeitszeit nicht verfügt. Bei der „Vertrauensarbeitszeit“ handelt es sich um ein Modell, bei dem die Einhaltung der Arbeitszeit nicht überprüft wird und die Kontrolle lediglich anhand der Arbeitsergebnisse stattfindet. Die Vereinbarung steht aber nicht dem Führen von Arbeitszeitkonten oder Überstunden entgegen (vgl. BAG vom 23.09.2015, 5 AZR 767/13).

Laut BAG hat der Arbeitgeber seinen Betrieb so zu organisieren, dass er die Durchführung der geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen selbst gewährleisten kann. Er muss sich deshalb über erforderliche Daten in Kenntnis setzen. Könnte der Arbeitgeber selbst entscheiden, ob er auf die Datenerhebung verzichtet, könnte er nach seinem Belieben die Arbeit des Betriebsrates verhindern oder diesen zur Datenerhebung zwingen.

2. Pflicht des Arbeitgebers zur Arbeitszeiterfassung

Dass der Arbeitgeber ohnehin zur Arbeitszeiterfassung angehalten ist, bestätigte auch vor kurzem der EuGH. Am 14.05.2019 (C-55/18) wurde entschieden, dass die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzurichten. Der Ausgangsfall war eine Klage der spanischen Gewerkschaft CCOO vor dem nationalen Gerichtshof in Spanien (Audiencia Nacional), die die Einrichtung forderte.

Aus der Grundrechtecharta der Europäischen Union ergibt sich das Grundrecht der Arbeitnehmer auf Begrenzung der Höchstarbeitszeit sowie tägliche und wöchentliche Ruhezeiten. Dieses Grundrecht wird zudem durch die Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) und die Richtlinie über die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer bei der Arbeit (RL 89/391/EWG) konkretisiert.

Der Gerichtshof erklärt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, mit einem objektiven und verlässlichen System die Arbeitnehmerschutzrechte abzusichern, ihre Einhaltung zu kontrollieren und Arbeitnehmern zu derer Durchsetzung zu verhelfen.

3. Initiativrechte des Betriebsrates?

Unabhängig davon, welches Arbeitszeitmodell in einem Betrieb gewählt und eingeführt wird, ist die Auseinandersetzung mit Fragen der Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung unumgänglich. Es liegt oft in den Händen des Betriebsrates, die Initiative zu ergreifen, um den Überwachungsaufgaben gerecht zu werden. Gleichwohl ist fraglich, ob sich daraus echte Initiativrechte des Betriebsrates ergeben.

Das LAG Hamm führte beiläufig zur Frage des Initiativrechts hinsichtlich einer elektronischen Zeiterfassung (im Zusammenhang mit den Überwachungsaufgaben) im Beschluss vom 04.06.2019, Az. 7 TaBV 93/18, aus:

„Die Beschwerdekammer ist sich bewusst, dass sich alleine hieraus – neben den bereits genannten Gründen – ein Initiativrecht des Betriebsrates zur Einführung einer elektronischen Arbeitszeiterfassung nicht ableiten lässt; indessen zeigt aber diese Wertung, dass es jedenfalls nicht unter jedem erdenklichen Gesichtspunkt ausgeschlossen sein kann.“

Aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist es unumgänglich, die kommenden höchstrichterlichen Entscheidungen genauer unter die Lupe zu nehmen. Bis zur Aufklärung der Sachlage empfiehlt es sich, konkrete Regelungen durch eine entsprechende Betriebsvereinbarung zu treffen.

Sollten Sie insoweit Unterstützung benötigen, freue ich mich auf Ihre Kontaktaufnahme per E-Mail oder Telefon und ein Kennenlernen.


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