Arbeitszeugnis erhalten – was tun?

  • 2 Minuten Lesezeit

Arbeitnehmer haben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Dies ist in § 109 der Gewerbeordnung geregelt.

1. Der Arbeitgeber schickt mir eine E-Mail mit einer Datei als Zeugnis

Schriftlich muss das Zeugnis sein, es darf nicht nur in Form eines PDF-Dokuments oder einer Kopie eines Schriftstücks vorliegen.

2. Das Zeugnis ist sehr knapp gehalten

Bei sehr kurzen Arbeitsverhältnissen ist es in vielen Branchen üblich, nur ein so genanntes einfaches Zeugnis zu erteilen mal welches nur Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthält. Aber bereits bei einem mehrmonatigen Arbeitsverhältnis dürfte die Erteilung eines ausführlichen Arbeitszeugnisses die Regel sein. Man nennt das ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber mitteilen, ob er ein einfaches oder ausführliches Zeugnis haben möchte. Wenn das Zeugnis keine Angaben zu Leistung und Verhalten enthält, sollte der Arbeitnehmer sich beim Arbeitgeber melden und ein ausführliches Zeugnis verlangen.

3. Das Zeugnis ist zu lang

Ob Zeugnisse auf ein, zwei oder mehreren Druckseiten erteilt werden, hängt von der Art der Tätigkeit, der Verantwortung des Mitarbeiters und der Vielfältigkeit der Aufgaben, die zu beschreiben sind, ab. In der Regel sollte das Zeugnis nur 1 bis 2 Seiten lang sein.

4. Ich verstehe das Zeugnis nicht

In Deutschland hat sich eine sehr eigentümliche Zeugnissprache entwickelt, aus der manchmal nicht sofort erkennbar ist, ob der Arbeitgeber wirklich eine gute Beurteilung im Sinne hatte oder nicht. Zeugnisse dürfen keine Geheimzeichen enthalten, aus denen auf eine schlechte Beurteilung geschlossen werden könnte. Sämtliche Zeugnisse müssen wohlwollend formuliert sein, was aber nicht heißt, dass Zeugnisse immer eine überdurchschnittliche Beurteilung von Leistung und Verhalten enthalten müssen. Wer sich nicht sicher ist, ob es sich um ein gutes Zeugnis handelt, sollte sich anwaltlich beraten lassen.

5. Das Zeugnis ist fehlerhaft oder zu schlecht

Hier sollte der Betroffene anwaltliche Unterstützung in Anspruch nehmen. Der Anwalt wird auch über mögliche Risiken in einem Prozess aufklären.

  • Soll das Zeugnis dem Arbeitnehmer „sehr gute“ oder „gute“ Leistungen bescheinigen, hat er deren tatsächliche Grundlagen darzulegen und ggf. zu beweisen 

(Bundesarbeitsgericht vom 14.10.2003, abgedruckt in: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA) 2004, 843)

  • Ein Zeugnis mit der Note zwei muss nicht stets erteilt werden, nur weil dies inzwischen die Regel sein könnte. Als derjeniger, der einen Anspruch auf eine konkrete Zeugnisformulierung geltend macht, hat der Arbeitnehmer die hierfür erforderlichen Tatsachen vorzutragen. § 109 der Gewerbeordnung vermittelt dem Arbeitnehmer keinen Anspruch auf ein „gutes“ oder „sehr gutes“ Zeugnis, sondern „nur“ auf ein leistungsgerechtes Zeugnis. 
  • Erst wenn der Arbeitnehmer durch Anführung von maßgeblichen Tatsachen dargelegt hat, leistungsgerecht sei ausschließlich eine überdurchschnittliche Beurteilung, hat der Arbeitgeber die Tatsachen vorzutragen, die dem entgegenstehen sollen. 
  • Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber bei der Bewertung in einem Zeugnis einen weiten Beurteilungsspielraum hat. Fordert der Arbeitnehmer eine „gute“ oder gar „sehr gute“ Gesamtbewertung ein, reicht es nicht aus, wenn er vorträgt, dass er sich nichts hat zuschulden kommen lassen, nicht kritisiert worden ist und dazu auch keinen Anlass gegeben sowie keine deutlichen Schwächen gezeigt hat.

(Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 109 GewO Rn. 86)

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für Arbeitsrecht 

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Bert Howald

Beiträge zum Thema