Arzthaftungsrecht: Arzt muss Krankenakten vollständig herausgeben

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Die Klägerin ist eine Krankenkasse. Bei ihr versichert ist eine Patientin, die bei der beklagten Zahnärztin eine Zahnbehandlung zwischen Dezember 2012 und Januar 2013 hatte.

Die Patientin gab nach der Behandlung gegenüber der Krankenkasse an, die Zahnärztin habe eine Behandlung vorgenommen, die gar nicht abgesprochen war. Bei dieser Behandlung sei eine Krone zerstört worden. Die Patientin leide seitdem an Schmerzen und einem bitteren Geschmack im Mund.

Die Krankenkasse wollte das überprüfen, die Patientin hat die Zahnärztin von der Schweigepflicht entbunden und erklärte sich mit der Herausgabe der Krankenunterlagen an die Krankenversicherung einverstanden. 

Die Krankenversicherung forderte dann die Krankenunterlagen bei der Zahnärztin an. Diese reagierte überhaupt nicht. Deshalb erhob die Krankenkasse Klage gegen die Zahnärztin auf Herausgabe der Krankenunterlagen in Kopie gegen Erstattung der Kopierkosten.

Daraufhin legte die beklagte Zahnärztin nur einen Teil der Krankenunterlagen vor, wobei die Kopien der Röntgenaufnahmen wegen ihrer schlechten Qualität nicht auswertbar waren.

Erst im Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht übergab die Zahnärztin den elektronischen Karteikartenauszug über die Behandlung der Patientin und erklärte, dass in ihren Praxisräumen das Original der Röntgenaufnahmen von der Krankenkasse angesehen werden könne. Diese solle sich in die Praxisräume begeben. Außerdem machte die Zahnärztin ein Zurückbehaltungsrecht an den Unterlagen geltend, da die Rechnung für die Behandlung von der Krankenkasse noch nicht bezahlt worden sei.

Die zuständige Richterin gab aber der beklagenden Krankenkasse recht: Das Recht der Patientin ist auf die Krankenkasse übergegangen. Und die Patientin könne verlangen, dass die Zahnärztin gegen Kostenerstattung Kopien von den kompletten Patientenunterlagen fertigt und an die Versicherung herausgibt. Der Patient habe Anspruch auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen, ohne dass er dazu ein besonderes Interesse darlegen müsse.

Hier würde sogar möglicherweise ein Anspruch auf Schadensersatz wegen fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung vorliegen, sodass die Krankenunterlagen auf jeden Fall herauszugeben seien, da die Patientin sogar ein besonderes Interesse darlegen kann.

Das Einsichtsrecht in die Patientenakte ist ein Hilfsrecht, welches zuerst durchgesetzt werden muss, um danach eventuelle Schadensersatzansprüche durchsetzen zu können.

Der Anspruch besteht auch in vollem Umfang fort, auch wenn die Zahnärztin einen Teil der Unterlagen im Prozess vorgelegt hat.

Denn sie hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine lesbaren Kopien der Röntgenunterlagen vorgelegt. Und das Einsichtsrecht in die Patientenunterlagen sei erst dann erfüllt, wenn die vollständigen Patientenunterlagen vorliegen.

Es würde auch kein Zurückbehaltungsrecht der Zahnärztin bestehen, weil die Behandlungsrechnung nicht bezahlt wurde. Der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenunterlagen soll gerade die Feststellung eines möglichen Behandlungsfehlers ermöglichen, aufgrund dessen die Zahlung der Rechnung verweigert werden kann!

Kurz und gut: Das Amtsgericht München hat entschieden: Der Anspruch auf Herausgabe der Patientenunterlagen in Kopie ist nur erfüllt, wenn der Arzt sämtliche Unterlagen in lesbarer Kopie gegen Kostenerstattung zur Verfügung stellt. Ein Zurückbehaltungsrecht an den Unterlagen wegen einer noch offenen Behandlungsrechnung besteht nicht.


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