Befristete Erwerbsminderungsrente per Vergleich bei Sozialgericht wegen Agoraphobie

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Hier berichte ich über Klageverfahren, was sich für eine Mandantin wegen Durchsetzung einer Erwerbsminderungsrente bei dem Sozialgericht Hannover geführt habe. Grund für das Verlangen nach Erwerbsminderungsrente war eine stark ausgeprägte Agoraphobie mit Panikstörung sowie eine mittelgradig depressive Episode. Ein vom Sozialgericht in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten stützte nicht gerade den Rentenanspruch der Mandantin. Doch lesen Sie selbst.

 

Was ist eine Agoraphobie?

Unter einer Agoraphobie versteht man die Angst vor öffentlichen Plätzen und Menschenansammlungen. In krasser Ausprägung haben Betroffene Angst, das Haus zu verlassen. Bei der Klägerin führte die Agoraphobie dazu, dass sie zum einen Einkäufe bei dem in der Nähe ihres Wohnortes gelegenen Supermarkt nicht mehr erledigen konnte und zum anderen, dass sie öffentliche Verkehrsmittel nicht mehr nutzen konnte und mit dem Auto keine 500 m fahren konnte. Im Zusammenspiel mit der Mitte begradigen Depression haben wir geltend gemacht, dass die Klägerin keine 3 Stunden mehr am Tag arbeiten kann.

 

Wann ist eine Erwerbsminderung im Sinne des Rentenrechts gegeben?

Um diese Krankheitsfolgen rentenrechtlich einordnen zu können, muss man wissen, unter welchen Voraussetzungen man eine Rente wegen Erwerbs Minderung erhalten kann.

Nach §  43 SGB VI ist eine voller Erwerbsminderung bei Personen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wegen Krankheit oder Behinderung täglich nur noch unter 3 Stunden arbeiten können, eine teilweise Erwerbsminderung liegt dagegen vor, wenn betroffene Person wegen Krankheit oder Behinderung  zwar mehr als 3 Stunden aber weniger als 6 Stunden täglich arbeiten können.

Erwerbsgemindert ist darüber hinaus auch - und das ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz -derjenige, bei dem eine sogenannte Wegeunfähigkeit vorliegt. Wegeunfähig sind Personen, die einen Arbeitsplatz nicht erreichen können, weil sie außerstande sind, einen geeigneten Arbeitsplatz zu erreichen. Das wird bejaht, bei Personen, die eine Strecke von 4 × 500 m täglich nicht in einem angemessenen Zeitrahmen von jeweils unter 20 Minuten zurücklegen können.

 

Was kam beim Sachverständigengutachten heraus?

Das Sozialgericht hat im Rahmen des Klageverfahrens ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige hat die Klägerin untersucht. Sein Ergebnis war, dass die Klägerin wieder voll erwerbsgemindert war noch teilweise erwerbsgemindert war. Er schätzte das Restleistungsvermögen der Klägerin so ein, dass sie normal über 6 Stunden am Tag arbeiten gehen könnte. Das Gutachten hatte einen entscheidenden Mangel. Es hat die Wegefähigkeit bzw. Wegeunfähigkeit der Klägerin nicht geprüft, sondern lediglich festgestellt, dass ein Führerschein bei der Klägerin vorhanden ist.

 

Wie hat das Sozialgericht reagiert?

Das Sozialgericht hat das Sachverständigengutachten übersendet und zugleich angefragt, ob die nun aussichtslos gewordene Klage zurückgenommen wird. Dies haben wir verneint, und begründungshalber ausgeführt, dass die Wegeunfähigkeit der Klägerin im Gutachten nicht geprüft worden ist, obwohl sie bereits in der Klageschrift ausdrücklich thematisiert worden ist, und zwar sowohl betreffend Pkw, öffentliche Verkehrsmittel, und Fußweg. Nachdem das Gericht mitteilte, dass es ein neues Gutachten nicht einholen werde, haben wir eine Verletzung von Amts Ermittlungspflichten gerügt und um Entscheidung der Angelegenheit ohne mündliche Verhandlung gebeten, um haben ein schnelles erstinstanzliches Ende zu finden, und die Rechte der Klägerin im Berufungsverfahren weiterzuverfolgen. Nun ist das Gericht ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. In diesem Termin ist die Klägerin ausführlich vernommen worden. Das Gericht kam zu der Erkenntnis, dass nach den glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben der Klägerin ihre Wegefähigkeit offensichtlich stark eingeschränkt ist. Sie kann weder mit öffentlichen Verkehrsmitteln noch mit einem Pkw einen Arbeitsplatz erreichen. Das Gericht hat deshalb vorgeschlagen, das Verfahren durch die Gewährung einer befristeten Erwerbsminderungsrente für den Zeitraum von zwei Jahren zu beenden. Dieser Vergleichsvorschlag ist von der Beklagten und der Klägerin angenommen worden. Der Fall zeigt, dass es sich lohnt, sich gründlich mit im Rentenverfahren eingeholten Sachverständigengutachten auseinanderzusetzen.


Rechtsanwalt benötigt Ablehnungsbescheid, Widerspruchsbescheid und Vollmacht

befinden Sie sich auch gerade im Kampf mit ihrem Rentenversicherungsträger wegen Erwerbsminderungsrente? Stehen Sie vor der Frage, ob Sie bei dem Sozialgericht eine Klage erheben sollen? Als Rechtsanwalt im Rentenrecht stehen wir für Ihnen bei Durchsetzung von Erwerbsminderungsrenten zur Seite. Wir helfen Ihnen bundesweit und wenn Sie uns mit ihrer Klage bei dem Sozialgericht beauftragen wollen, dann benötigen wir folgende Unterlagen von Ihnen:

•             Bescheid über die Ablehnung oder teilweise Ablehnung der Erwerbsminderungsrente

•             ihren Widerspruch dagegen

•             Widerspruchsbescheid der Rentenkasse

•             Vollmacht

•             ärztliche Atteste, soweit vorhanden

•             Daten Ihrer Rechtsschutzversicherung

Klageverfahren bei dem Sozialgericht betreffend Erwerbsminderungsrenten sind sehr gut digital zu betreiben. Gerne können Sie Ihre Unterlagen als PDF per E-Mail übersenden und so unsere Tätigkeit veranlassen. Sie können Ihr Verfahren weiter fördern, indem sie nützliche Atteste ihrer Ärzte beibringen. Solche Atteste beschäftigen sich mit ihrer Diagnose und stellen die Auswirkungen der Diagnose auf ihrer Restleistungsvermögen dar und benennen auch die Dauer der Auswirkungen.


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