Beleidigung: Kündigung wegen Diskriminierung

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„Ich hasse die scheiß Ausländer“ – Beleidigungen in dieser massiven und ehrverletzenden Form rechtfertigen selbst dann eine fristlose Kündigung, wenn der Arbeitnehmer über eine 23- jährige Betriebszugehörigkeitszeit im Betrieb verfügt. Das hat jetzt das LAG Hamburg in seinem Urteil vom 17.11.2022 – 1 Sa 40/22 klargestellt. Quelle: Beck-online.de

Was ist passiert?

LAG Hamburg: „Die Beklagte habe den Beweis erbracht, dass der Kläger am 17. August 2021 gegen 13:50 Uhr an seinem Arbeitsplatz am Empfang am Haupteingang der Verwaltungszentrale der Beklagten sich ausländerfeindlich geäußert und gegen 14:05 Uhr Herrn S3. beleidigt habe. Die Kammer sei überzeugt, dass der Kläger gegenüber der Kollegin gesagt habe, er hasse die scheiß Ausländer. Er habe sie außerdem lautstark aufgefordert, sich „zu verpissen“. Die Kammer sei auch davon überzeugt, dass der Kläger Herrn S3. bei dessen Erscheinen am Arbeitsplatz „Arschloch“ genannt habe. In dieses Verhalten des Klägers liege ein wichtiger Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB.“ Quelle: Beck-online.de

Grobe Beleidigungen rechtfertigen grundsätzlich eine fristlose Kündigung

LAG Hamburg: „Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch diese außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten wirksam aufgelöst worden. Der Beklagten steht ein hierfür erforderlicher wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB zur Seite. Ein Arbeitsverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (§ 626 Abs. 1 BGB). Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht. Der Beklagten steht ein wichtiger Grund zur Seite, der „an sich“ geeignet ist, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos zu beenden.“ Quelle: Beck-online.de

„Du kommst zu spät, Arschloch“ – fristlose Kündigung laut LAG Hamburg

LAG Hamburg: „Eine in diesem Sinne erhebliche Pflichtverletzung stellen u.a. grobe Beleidigungen von Arbeitskollegen dar. Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, können einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen. Der Arbeitnehmer kann sich dann nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt zum einen weder Formalbeleidigungen und bloße Schmähungen noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen. Zum anderen ist dieses Grundrecht nicht schrankenlos gewährt, sondern wird insbesondere durch das Recht der persönlichen Ehre gem. Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss in ein ausgeglichenes Verhältnis mit diesem gebracht werden. Dabei ist die strafrechtliche Beurteilung kündigungsrechtlich nicht ausschlaggebend. Auch eine einmalige Ehrverletzung ist kündigungsrelevant und umso schwerwiegender, je unverhältnismäßiger und je überlegter sie erfolgte. Mit einer Beleidigung muss allerdings eine erhebliche Ehrverletzung verbunden sein, die Beleidigung muss grob sein.“ Quelle: Beck-online.de

Beleidigung muss – grob - sein

LAG Hamburg: „Eine solche grobe Beleidigung hat der Kläger begangen. Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass der Kläger am 17. August 2021 gegenüber seiner Kollegin geäußert hat, er hasse „die scheiß Ausländer“, nachdem Frau F. dem Kläger mitgeteilt hatte, dass sich der Kollege Soudi einige Minuten verspäten werde und bei dessen Eintreffen am Arbeitsplatz zu Herrn S3. „Du kommst zu spät, Arschloch“ gesagt hat…Es ist daher rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Arbeitsgericht davon ausgegangen ist, dass der Kläger gegenüber der Zeugin F. in Bezug auf den Zeugen S3. „Ich hasse die Scheißausländer“ geäußert und Herrn S3. einige Minuten später mit den Worten „Wo bist du Arschloch, wieso kommst Du zu spät?“ am Arbeitsplatz begrüßt habe.“ Quelle: Beck-online.de

Abmahnung entbehrlich

LAG Hamburg: „Vorliegend ist eine Abmahnung entgegen der Auffassung des Klägers entbehrlich gewesen. Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist und bei der die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist.  Letzteres ist hier der Fall. Das Arbeitsgericht hat zurecht darauf abgestellt, dass der Kläger unschwer hätte erkennen können, dass die Beklagte derartige Beleidigungen unter Arbeitskollegen – noch dazu mit diskriminierendem Charakter – nicht dulden würde.“ Quelle: Beck-online.de

Interessenabwägung fällt zum Nachteil des Klägers aus

LAG Hamburg: „Die Interessenabwägung ist vorliegend zu Lasten des Klägers ausgefallen. Vor dem Hintergrund der Schwere der Pflichtverletzung überwiegt das Lösungsinteresse der Beklagten das Bestandsinteresse des Klägers hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses…Der Beklagten war es vorliegend selbst unter Berücksichtigung der mehr als 23-jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers und seiner Schwerbehinderung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Das hat schon das Arbeitsgericht in nicht zu beanstandender Weise angenommen. Zugunsten des Klägers ist die sehr lange Betriebszugehörigkeit, seine Schwerbehinderung und sein fortgeschrittenes Lebensalter zu berücksichtigen. Diesen Umständen kommt auch ein erhebliches Gewicht zu. Zu Lasten des Klägers fällt jedoch die Schwere der Pflichtverletzung – eine diskriminierende Bezeichnung eines Kollegen in Gegenwart einer ausländischen Kollegin und die Bezeichnung eines Kollegen als „Arschloch“ – genauso ins Gewicht wie der Umstand, dass der Kläger diese Äußerungen in einem öffentlich zugänglichen Empfangsbereich der Beklagten in der Hauptverwaltung getätigt hat. Dabei hat ihn auch der Umstand nicht abgehalten, dass dritte Personen (der Zeuge B.) von den Äußerungen des Klägers Kenntnis nehmen konnten. Ob auch weitere Personen Ohrenzeugen der jeweiligen Ausfälle des Klägers geworden sind, lässt sich jedenfalls nicht ausschließen (etwa in der Loggia).“ Quelle: Beck-online.de

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung von Mitarbeitern/innen? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie zu den Rechten und Pflichten des Betriebsrats gemäß Betriebsverfassungsgesetz.



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