Belgien - Nachbarschaftsstörungen am Beispiel von Baum- und Heckenpflanzungen

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Durch die Reform des belgischen Zivilgesetzbuches sind die Regeln in Bezug auf Nachbarschaftsstörungen angepasst worden.

Was gilt als nachbarschaftliche Störung?

Grundsätzlich hat jeder Eigentümer von unbeweglichen Gütern das Recht, von seinen Gütern Gebrauch zu machen.

Man muss allerdings darauf achten, seinem Nachbar keine unzumutbare Störung aufzuerlegen, sodass ein Gleichgewicht zwischen den Ausübungen der jeweiligen Nutzungs- und Gebrauchsrechte entsteht.

Typische Störungen ergeben sich aus als störend empfunden Geräuschen, Gerüchen, veränderten Lichtverhältnissen oder Schlafeinflüssen.

Wie werden Störungen durch Nachbarn beurteilt? 

Es muss eine Unannehmlichkeit geben, die als übermäßig anzusehen ist und die als normal anzusehenden nachbarschaftlichen Einflüsse übersteigt. Um dies zu beurteilen, werden Kriterien wie Häufigkeit und Intensität der Störung berücksichtigt.

Außerdem wird das Gericht prüfen, ob eine vermeintlich rechtmäßige Forderung nicht rechtsmissbräuchlich eingesetzt wird, sodass dem beklagten Nachbarn unverhältnismäßig geschadet würde und ob die Forderung nicht dem Allgemeinwohl schaden könnte.

Der Nachbar muss immer auch nachweisen, dass der erlittene Schaden im Zusammenhang mit der anormalen Störung steht.

Das Gericht kann dann beispielsweise die Zahlung einer finanziellen Entschädigung anordnen oder sogar eine Unterlassung des Verhaltens anordnen beziehungsweise entsprechende Maßnahmen anordnen.

Möglichkeit der Anordnung von Präventivmaßnahmen

Seit der Gesetzbuchreform gibt es die Möglichkeit, dass das Gericht Präventivmaßnahmen anordnen kann, falls es ernsthafte Risiken in Bezug auf eine Beeinträchtigung der Sicherheit und Gesundheit der Nachbarn oder eine Verschmutzung der nachbarschaftlichen Immobilie geben könnte.

Wenn sich beispielsweise aufgrund des Alters und/oder der Gesundheit eines Baumes eine ernsthafte Gefahr ergeben könnte, dass der Baum auf das Nachbargrundstück stürzen könnte, kann das Gericht vorsorglich Maßnahmen anordnen, die das Risiko einschränken.

Welche Abstandsregeln sind für Pflanzungen beachten?

Viele Nachbarschaftskonflikte betreffen die Einhaltung der Abstände zwischen zwei Grundstücken und das Überwachsen der Pflanzen des Nachbars, was für die geschädigte Partei einen unzumutbaren Eingriff in ihre Nutzungsrechte darstellen kann.

Die wichtigsten Regeln sind im Artikel 3.133 und 3.134 des neuen Zivilgesetzbuches zu finden, welche den Abstand der verschiedenen Anpflanzungen angeben. Die Unterscheidung zwischen hochstämmigen und niedrigstämmigen Bäumen wurde aufgehoben.

Alle Anpflanzungen müssen einen festgelegten Abstand zur Grenze des Grundstücks berücksichtigen. Für Bäume, dessen Mindesthöhe zwei Meter beträgt, muss dieser so gepflanzt werden, dass der Abstand von der Baummitte bis zur Grenze der Parzelle zwei Meter beträgt. Für alle anderen Bäume, Sträucher und Hecken, die keine Mindesthöhe von zwei Metern haben, beträgt dieser Abstand zur Grundstücksgrenze einen halben Meter.

Wurde ein Baum in Missachtung dieser Distanz gepflanzt, kann der Nachbar das Ausästen oder das Ausreißen der Anpflanzungen vor Gericht verlangen. Das Gericht wird dann prüfen, ob die Forderung angemessen erscheint oder ob sie rechtsmissbräuchlich sein könnte bzw. dem  Allgemeinwohl schaden könnte.

Es kommt in diesen Situationen - wie so oft - auf den Einzelfall an, weswegen immer der Dialog mit der Gegenseite gesucht werden sollte mit fachmännischer Unterstützung, bevor ein kostspieliges Verfahren begonnen wird.

Zudem gibt es Ausnahmefälle, in denen kein Abstand berücksichtigt werden muss, wie beispielsweise, wenn beide Parteien einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen haben oder wenn sich die Anpflanzung seit mehr als 30 Jahren auf derselben Stelle befindet.

Was, wenn die Äste eines Baumes zu lang werden oder die Wurzeln stören?

Wenn die Äste oder Wurzeln einer Anpflanzung die Grenzline beider Grundstücke überwachsen und der Eigentümer 60 Tage nach Erhalt eines Mahnungsschreibens die Äste nicht zurechtschneidet, so darf, laut Artikel 3.134 ZGB,  der Nachbar die Äste auf Kosten des Eigentümers zurechtschneiden. Wobei darauf zu achten ist, dass die Anpflanzungen durch das Zurechtschneiden nicht beschädigt werden.

Es gilt also auch hier, mit Augenmaß vorzugehen und sich zu vergewissern, dass man dem Nachbarn durch die Handlung – auch unter Berücksichtigung des erforderlichen vorherigen Mahnschreibens – nicht unverhältnismäßig schadet.

Wie bisher auch besteht ebenfalls die Möglichkeit, vor Gericht zu beantragen, dass der Nachbar verurteilt wird, die Anpflanzungen selbst zurückzuschneiden.

Wie gehe ich damit um, wenn Früchte eines Baumes auf mein Grundstück fallen

Die Regel (artikel 3.134 in fine) besagt, dass wenn Früchte auf natürliche Weise auf ein angrenzendes unbewegliches Gut fallen, derjenige in Besitz der Früchte kommt, der ein Nutzungsrecht auf das angrenzende Gut besitzt.

Heißt also konkret: wenn die Früchte von dem Obstbaum meines Nachbarn auf natürliche Weise auf mein Grundstück fallen und ich ein Nutzungsrecht geltend machen kann, gehören diese Früchte mir.

Wo finde ich die neuen Bestimmungen ?

Zivilgesetzbuch, Titel 5, Buch 3, Artikel 3.101, 3.102, 3.133 und 3.134.

Für Übersetzungen der Gesetzbuch-Bestimmungen in deutscher Sprache

* erstellt in Zusammenarbeit mit Frau Anna Moelter und Frau Natascha Olivier, Studentinnen der Rechtsfakultät der Universität Lüttich.

Foto(s): https://unsplash.com/


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