Betriebsschließungsversicherung verweigert Zahlung bei Corona – zu recht?

  • 6 Minuten Lesezeit

Erfolgte eine Schließung des Hotels oder der Gaststätte aufgrund des Coronavirus, lehnen viele Versicherer die Eintrittspflicht ab und begründen dies damit, dass das Coronavirus in den Versicherungsbedingungen nicht genannt wird, die Schließung nur präventiv erfolgte oder nicht behördlich angeordnet wurde. Einige Versicherer sind dazu übergegangen, Leistungen in Höhe eines geringen Prozentsatzes als „Hilfe“ anzubieten. 

Versicherungsnehmern kann nur geraten werden, die Leistungsablehnung prüfen zu lassen und ggf. dagegen vorzugehen. Auf keinem Fall sollten als „Hilfsangebot“ getarnte Vergleichsangebote vorschnell angenommen werden.

Für betroffene Unternehmen bietet die Kanzlei KÜVERLING FREITAG Rechtsanwälte Fachanwälte eine kostenlose Erstberatung an.

Betriebsschließungsversicherung, was ist das? 

Eine Betriebsschließungsversicherung ist eine Versicherung, die greifen soll, wenn auf Anordnung ein Betrieb geschlossen werden muss und so Einnahmen wegfallen, obwohl die Kosten teilweise weiterlaufen. Die Versicherung soll den Bestand des Betriebes sichern und lässt sich auf den jeweiligen Bedarf anpassen. Der Leistungsumfang ist im Vertrag bis zu einer Obergrenze vereinbar. Eigentlich also eine Versicherung, die in den aktuellen Fällen greifen sollte.

Doch sowohl der GdV (Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft) als auch viele Versicherer sehen das anders. So begründet die Signal Iduna ihre Leistungsverweigerung damit, dass die aktuellen Betriebsschließungen wegen des Coronavirus nicht auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes erfolgen würden, sondern aufgrund der von den einzelnen Bundesländern getroffenen Allgemeinverfügungen. Bei Allgemeinverfügungen würde prinzipiell keine Betriebsschließungsversicherung leisten. Laut Allianz gehe von den Betrieben keine unmittelbare Gefahr aus. Die Schließung erfolge nur aus generalpräventiven Gründen. Außerdem sei das Coronavirus ein neuer Krankheitserreger, der nicht unter die versicherten Krankheiten falle. Und schließlich liege auch keine Vollschließung des Betriebes vor, da vielen Gastronomie- und Beherbergungsbetrieben die Abgabe und Lieferung von Speisen weiterhin gestattet sei.

Sind die Leistungsablehnungen wirksam?

Die Versicherer waren schnell mit der Sammlung ihrer Argumente, doch ob diese tatsächlich auch greifen, muss anhand der spezifischen Versicherungsbedingungen geklärt werden. Wichtig ist es hierbei zu wissen, dass das Versicherungsrecht im Vergleich zu vielen anderen Rechtsgebieten nicht bis in jedes Detail in umfangreichen Gesetzen geregelt ist. Es gibt „Rumpfgesetze“, hauptsächlich findet sich der Regelungsinhalt in den Verträgen (u. a. den Versicherungsbedingungen). Diese müssen dann ausgelegt werden. Für die Auslegung der Versicherungsbedingungen haben Gerichte eine Reihe von Grundsätzen aufgestellt. Sehr allgemein lässt sich sagen, dass es oft nicht darauf ankommt, was der Versicherer in den Vertrag hineinlesen will, sondern darauf, wie der Versicherungsnehmer die einzelnen Formulierungen verstehen konnte.

Coronavirus ist nicht in den Versicherungsbedingungen genannt 

Selbstverständlich findet sich in diesen Versicherungsbedingungen kein Hinweis auf das aktuelle Coronavirus und zwar unabhängig davon, ob die Bedingungen auf das Infektionsschutzgesetz verweisen oder nicht. Zunächst stellt sich die Frage, ob die Aufzählung in den Versicherungsbedingungen abschließend sein soll. Dies dürfte für Bedingungen, in denen kein Verweis auf das Infektionsschutzgesetz und der darin enthaltenen Auflistung vorgenommen wurde, kaum vertretbar sein. Aber auch in Fällen in denen auf § 7 des Infektionsschutzgesetzes verwiesen wurde, spricht einiges dafür, dass die Aufzählung nicht abschließend ist. Zudem lohnt ein Blick in § 7 Abs. 2 Infektionsschutzgesetz, auf den die Versicherungsbedingungen auch verweisen. Dieser erfasst nämlich auch sämtliche nicht benannten Krankheitserreger, wenn Hinweise vorliegen, dass von diesen eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht.

Die Schließung erfolgte nur zur Prävention 

Häufig wird von den Versicherern auch eingewandt, dass flächendeckende, vorbeugende Schließungen gar nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes wären. Um dies zu bewerten, ist ein Blick in den jeweiligen Vertrag erforderlich. Enthält dieser keinen Ausschluss präventiver Maßnahmen, wird der Versicherer mit seinem Argument kaum durchdringen. Aber auch wenn sich ein solcher Ausschluss in den Bedingungen findet, kommt es auf die jeweilige Formulierung an.

Es handelt sich nicht um eine vollständige Betriebsschließung

Ein nach unserer Auffassung in vielen Fällen eher schwächeres Argument ist der Hinweis darauf, dass der Betrieb durch die Maßnahme gar nicht vollständig zum Erliegen gekommen ist. Hotels könnten beispielsweise noch Geschäftsreisende aufnehmen, Gastronomiebetriebe einen „Außer-Haus-Service“ anbieten. Gerade bei touristischen Hotelbetrieben stellen die Maßnahmen allerdings quasi eine vollständige Schließung dar. Gaststätten, die ihr Angebot geändert haben, dürften dieses jedenfalls nicht mehr in der versicherten Betriebsstätte erbracht haben. Zudem trifft den Versicherungsnehmer immer die Pflicht den Schaden zu mindern, sodass eine Änderung des Angebotes auf einen „Außer-Haus-Service“ wohl eher als solch ein Versuch der Schadensminderung angesehen werden kann.

Die Betriebsschließung erfolgte nicht auf behördliche Anordnung 

tatsächlich sind die Betriebsschließungen nicht von den Gesundheitsämtern, sondern meist durch Allgemeinverfügung angeordnet worden. Die Versicherungsbedingungen sprechen zumeist von der Schließung durch „behördliche Anordnung“. Welche Behörde dies sein soll, wird in den Bedingungen nicht erklärt. Aus Sicht eines Versicherungsnehmers kann es jedoch keinen Unterschied machen, ob er seinen Betrieb aufgrund einer nur gegen ihn gerichteten Anordnung des Gesundheitsamtes oder einer Allgemeinverfügung schließt. Beides sind hoheitliche Maßnahmen, denen gefolgt werden muss. Jede andere Auslegung bedeutet, dass man im Widerspruch zu einer Allgemeinverfügung den Betrieb offen halten müsste, um dann eine behördliche Anordnung gegen sich zu erzwingen.

Gibt es sonst noch Argumente gegen die Leistungsverweigerung? 

Bei der momentanen Positionsbestimmung beider Lager wird ein Aspekt noch nicht berücksichtigt, der möglicherweise auch zu einer Leistungspflicht des Versicherers führen könnte. Es handelt sich hierbei um die sogenannte Haftung des Versicherungsvertreters bzw. des Versicherers wegen einer möglichen Verletzung von Aufklärungspflichten oder Beratungspflichten bei Vertragsschluss oder auch nach der Vermittlung. Hier kommt es maßgeblich auf den einzelnen Beratungsfall an. Ihr Rechtsanwalt sollte diesen Punkt auf jedem Fall mit ansprechen, sich die Beratungsdokumentation vorlegen lassen und den Inhalt des Beratungsgesprächs prüfen. Je nachdem welcher Beratungsbedarf bei Vertragsschluss oder auch danach an den Versicherungsvertreter herangetragen wurde, können die Aufklärungs- und Beratungspflichten sehr weit sein. Wurde der Vertrag über einen Versicherungsmakler geschlossen, treffen auch diesen Beratungspflichten, die sogar noch weitreichender sein können. Ein möglicher Anspruch würde sich dann aber gegen den jeweiligen Makler richten.

Sollten Angebote auf teilweise Entschädigung angenommen werden?

Einige Versicherer bieten Ihren Kunden mit der Ablehnung ihrer Eintrittspflicht an, zumindest einen Teilbetrag als sogenannte Hilfspakete oder als Coronahilfe zu zahlen. Hierbei handelt es sich zumeist um Beträge bis zu 15 Prozent der vereinbarten Versicherungssumme für einen bestimmten Zeitraum. Teilweise werden auch noch geringere Beträge angeboten. Diese Angebote können mit einem Verzicht auf die Versicherungsleistung verbunden sein. In Bayern wurde ein entsprechendes „Hilfspaket” sogar zwischen dem Hotel- und Gaststättenverband und den Versicherern ausgehandelt. Aus anwaltlicher Sicht können wir nicht empfehlen, ein solches Angebot ungeprüft anzunehmen. Eine Versicherung, zumal wenn sie als Aktiengesellschaft organisiert und ihren Aktionären gegenüber verpflichtet ist, schnürt nach unserer Meinung solche Pakete nur, wenn sie sich dadurch verspricht, höhere Zahlungen an ihre Versicherungsnehmer zu vermeiden.

Wie geht es weiter? 

Bei einer Ablehnung durch den Versicherer empfehlen wir, den Vertrag durch einen spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Es handelt sich hierbei um eine komplexe versicherungsrechtliche Materie, sodass Sie die Prüfung in jedem Fall durch einen Fachanwalt für Versicherungsrecht vornehmen lassen sollten. Die auf das Versicherungsrecht spezialisierte Kanzlei KÜVERLING FREITAG Rechtsanwälte Fachanwälte bietet Ihnen eine kostenfreie Erstberatung an. Im Rahmen dieser Erstberatung prüfen wir auch Ihre Vertragsunterlagen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Tobias Küverling

Beiträge zum Thema