Bezugsberechtigung von Leistungen aus einer Lebensversicherung im Erbfall

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1. Aufriss


Der Versicherungsnehmer und spätere Erblasser setzt in der von ihm geführten Lebensversicherung als Bezugsberechtigten einen Dritten ein, der den Auszahlungsanspruch gegen die Versicherung nach seinem Ableben erhalten soll.


Der BGH vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass es sich bei der Zuwendung zwischen Versicherungsnehmer (späterer Erblasser) und Bezugsberechtigten (Valutaverhältnis) um eine Schenkung im Sinne des §§ 516 ff. BGB handelt.


Nachdem ein lebzeitiges Schenkungsversprechen nach § 518 Abs. 2 BGB der notariellen Beurkundung bedarf, wird der Formmangel erst mit der Bewirkung der versprochenen Leistung, d. h. durch den Erwerb des Auszahlungsanspruchs im Todeszeitpunkt, geheilt.


Wird sodann der Bezugsberechtigte nach dem Tod des Versicherungsnehmers durch den Versicherer über das Schenkungsversprechen informiert, liegt in der Mitteilung des Versicherers die Übermittlung des lebzeitig abgegebenen Schenkungsversprechens als Bote.


Widerrufen die Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers gemäß § 130 Absatz ein S. 2 BGB jetzt rechtzeitig vor Zugang der vorgenannten Mitteilung das Schenkungsversprechen ggü dem Bezugsberechtigten, wird die Schenkung an den Bezugsberechtigten mangels Erwerb des Auszahlungsanspruchs nicht wirksam.


Der Widerruf des Schenkungsversprechens der Erben des Versicherungsnehmers, kann auch gegenüber dem Versicherer abgegeben werden. Leitet der Versicherer dennoch das Schenkungsversprechen als Bote dem Bezugsberechtigten zu, kann es trotzdem nicht mehr den Erben zu gerechnet werden (BGH, Urteil vom 21.5.2008 -IV. ZR 238/06).



Es gilt demnach das Windhundprinzip betreffend der Auszahlungsanspruchs gegenüber dem Versicherer.


2. Problemschwerpunkt


Mit Entscheidung des OLG Jena vom 21.10.2003 wurde ursprünglich versucht, den Widerruf der Schenkungsofferte insofern vorzuziehen, in dem testamentarisch der Widerruf durch den Erblasser selbst vorgenommen wurde. In erweiterter Anwendung des §§ 332 BGB wurde durch das OLG Jena die Auffassung vertreten, dass der Widerruf der Schenkungsofferte auch ohne rechtzeitigen Zugang der testamentarischen Widerrufserklärung beim Bezugsberechtigten wirksam sei.

Diese Auffassung wurde vom BGH nicht übernommen. Der BGH verlangt eine Kenntniserlangung des Widerrufs durch den Bezugsberechtigten (BGH, Urteil vom 30.1.2018- X ZR 119/15).


Mit Urteil vom 22. März 2022 IV. ZR 95/22 entschied der BGH zu diesem Themenkomplex, dass auch die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages durch den Versicherungsnehmer nicht automatisch zugleich den Widerruf der Bezugsberechtigung auf den Todesfall enthält.


Diese Frage ist durch Auslegung der Erklärung im Einzelfall zu entscheiden. Daran ändert auch nichts die Tatsache, wenn der Versicherungsnehmer bereits zu Lebzeiten Versicherungsleistungen bezogen hat und die Allgemeine Versicherung Bedingungen ausdrücklich vorsehen, dass ein Widerruf des Bezugsrechts schriftlich angezeigt werden muss.


3. Rechtsfolge


Sofern die Erben den Wettlauf gewinnen und den Abschluss des Schenkungsvertrages vereiteln, so entziehen sie dem Auszahlungsanspruch des Bezugsberechtigten die Rechtsgrundlage und können ihn bzw. die bereits ausgezahlte Versicherungssumme als Surrogat nach §§ 812 Absatz ein S. 1 1. Alt., § 818 Abs. 1 BGB kondizieren (BGH Urteil vom 30.10.1974-IV. ZR 172/73).


4. Sonderproblem: Keine Änderung der Bezugsberechtigung nach Scheidung und Wiederverheiratung


Vergisst der Versicherungsnehmer die Bezugsberechtigung nach Scheidung bzw. Wiederverheiratung betreffend geschiedenen Ehepartner abzuändern, verbleibt es grundsätzlich bei der Bezugsberechtigung des ehemaligen Ehegatten.


Enthalten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Versicherers keine ausdrückliche Klausel, dass lediglich der aktuelle Ehegatte bezugsberechtigt sein soll, verbleibt es bei der Bezugsberechtigung des Ex - Ehegatten.


Lediglich bei betrieblichen Alters Versorgungen, die durch den Arbeitgeber abgeschlossen wurden, gilt im Zweifel der aktuelle Ehegatte zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls als bezugsberechtigt (BGH, Urteil vom 22.7.2015-IV ZR 437/14).


Eine analoge Anwendung des § 2077 BGB wonach eine letztwillige Verfügung des Erblassers zugunsten des Ehegatten durch Auflösung der Ehe unwirksam wird, wird gerade ausdrücklich durch den BGH abgelehnt.


Argumentationslinie der Erben gegen die Bezugsberechtigung des Ex Ehegatten ist regelmäßig der Einwand, dass es sich zwischen den ehemaligen Ehegatten nicht um eine Schenkung, sondern um eine ehebedingte Zuwendung gehandelt habe, deren Geschäftsgrundlage aufgrund der Scheidung entfallen ist (BGH Beschluss vom 30.11.1994-IV. ZR 290/93, NJW 1995, 1082).

Das Problem an dieser Argumentationslinie ist hingegen, dass die ehebedingte Zuwendung gerade dadurch gekennzeichnet ist, dass es sich um einen Beitrag für die Ausgestaltung und Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft handelt.


Die Auszahlung der Versicherungsleistung erfolgt naturgemäß jedoch erst nach dem Tod des Schenkers und damit nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft.


Das Argument, es handelt sich um eine ehebedingte Zuwendung greift insofern nur dann, wenn bereits zu Lebzeiten über die Bezugsberechtigung informiert wurde und das Wissen um die Erwerbsaussicht sich auf die Lebensführung in der bestehenden Ehe auswirkt.


Das OLG Hamm verneinte beispielsweise mit dessen Urteil vom 13. März 2002 (Beck RS 2002, 4767) einen Wegfall der Geschäftsgrundlage durch die Scheidung, da das widerrufliche Bezugsrecht durch den Versicherungsnehmer jederzeit hätte geändert werden können.


Die Beweislast, dass der Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft eine Geschäftsgrundlage für die Zuwendung darstellt, liegt beim Erben.


5.Gestaltungen und Maßnahmen



Wir beraten hierzu spezialisiert, wie auf Seiten der Erben bzw. Bezugsberechtigten mit diesem Themenkomplex umzugehen ist und unterstützen Sie selbstverständlich bei der prozessualen Durchsetzung ihrer jeweiligen Ansprüche (auch im Kontext der weiteren Erbauseinandersetzung).


Für den Fall, dass vorgenannte Problemstellung bzw. Themenkomplex auch sie betrifft, laden wir Sie ein, völlig unverbindlich uns zu kontaktieren, um das weitere Vorgehen besprechen zu können.



Ihr Rechtsanwalt für Erbrecht


Andreas Fischer

28.03.2024



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