BGH 26.10.16: Abwarten bei sporadisch auftretendem, sicherheitsrelevanten Mangel für Käufer unzumutbar

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BGH 26.10.2016, VIII ZR 240/15

Bei Unklarheit über die Ursache eines aufgetretenen Mangel-Symptoms (hier: so genannter „Vorführeffekt“) kann die Frage der Erheblichkeit des Mangels im Sinne des Gewährleistungsrechts regelmäßig nur auf Grundlage der hiervon ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung beantwortet bzw. beurteilt werden. Eine solche ist bei einem Fahrzeug, welches sich im öffentlichen Verkehrsraum bewegt, aufgrund der Gefahren für die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs zu bejahen, weshalb ein Abwarten des erneuten Eintritts der Beeinträchtigung für den Käufer unzumutbar ist.

Vorliegend hatte der Kläger vom beklagten Kraftfahrzeughändler ein gebrauchtes Fahrzeug erworben. Kurz nach Übergabe des Fahrzeugs monierte der Kläger unter anderem, dass das Kupplungspedal nach Betätigung am Fahrzeugboden hängenbleibe, so dass es in die Ausgangsposition zurückgezogen werden musste. Anlässlich einer vom Beklagten durchgeführte Untersuchungsfahrt zeigte sich der vom Kläger gerügte Mangel am Kupplungspedal jedoch auch bei mehrmaliger Betätigung der Kupplung nicht, weshalb der Beklagte keinerlei Anlass dazu sah, eine irgendwie geartete Nachbesserung vorzunehmen wie vom Kläger gewünscht. Der Beklagte teilte dem Kläger mit dass er sich – sofern in der Folgezeit der Mangel erneut auftrete – erneut an den Beklagten wenden solle, damit dies gegebenenfalls überprüft werde.

Nachdem der Kläger in den folgenden Tagen die Beklagte nach erneutem Hängenbleiben der Kupplung vergeblich zu einer Äußerung über seine Reparaturbereitschaft aufgefordert hatte, trat er vom Kaufvertrag zurück.

Der Kläger nahm sodann gerichtliche Hilfe gerichtet auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und Ersatz weiterer Schäden in Anspruch und erhielt Recht.

Sowohl das Landesgericht sowie das Oberlandesgericht gaben der Klage antragsgemäß statt. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Zur Begründung:

Dem Kläger stand ein Rücktritt vom Kaufvertrag auch ohne Fristsetzung zur Nachbesserung rechtlich zu, da ihm trotz des nur gelegentlichen Auftretens des Mangels aufgrund dessen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs nicht im Sinne des § 440 S.1 BGB zumutbar war, ein weiteres auftreten der Mängelsymptome abzuwarten.

Den Anforderungen an ein hinreichendes nach Erfüllungsverlangen hatte der Kläger bereits dadurch Genüge getan, dass er dem Beklagte neben der Einräumung einer Untersuchungsmöglichkeit die Mangel-Symptome hinreichend genau bezeichnet hatte. Bei dem sodann auch Sachverständige bestätigten und bei Gefahrübergang vorhandenen sporadischen Hängenbleibens des Kupplungspedals handele es sich nämlich nicht nur um einen bloßen „Komfortmangel“, sondern vielmehr um einen sicherheitsrelevanten Mangel.

Eine derartige Fehlfunktion könne, selbst wenn sie nur das Kupplungspedal selber betreffe, unter anderem wegen des beim Fahrer hervorgerufenen Aufmerksamkeitsverlusts die Unfallgefahr erheblich erhöhen. Durch seine Erklärung anlässlich der Vorführung des Fahrzeugs, es bestünde kein Grund für die Annahme einer Mangelhaftigkeit und damit ein Tätigwerden des Beklagten solange der behauptete Mangel nicht erneut auftrete, war dieser dem Nacherfüllungsverlangen nicht gerecht geworden.

Schließlich war eine verantwortungsvolle Benutzbarkeit des Fahrzeugs ohne Abklärung des Mangels weitgehend aufgehoben, da der verkehrsunsichere Zustand fortbestand und es dem Kläger – der das Fahrzeug insofern auch tatsächlich noch im Juli 2013 stilllegte – nicht zugemutet werden konnte, das Risiko der Benutzung im öffentlichen Straßenverkehr auf sich zu nehmen.

Der Rücktritt war auch nicht etwa wegen Unerheblichkeit des Mangels gem. § 323 Abs. 5 S.2 BGB ausgeschlossen, selbst wenn dieser letzten Endes mit relativ geringen Mitteln – namentlich einem Betrag in Höhe von 433,49 € – beseitigt werden konnte.

Dies begründe sich dadurch, dass solange die Ursache eines aufgetretenen Mangelsymptoms unklar sei, die Erheblichkeit des Mangels in aller Regel nur an der hiervon ausgehenden Funktionseeinträchtigung gemessen werden könne. Selbige war vorliegend aufgrund der Gefahren für die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs jedenfalls als erheblich anzusehen.

Quelle: BGH PM Nr. 190 vom 26.10.2016


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