BGH: Zur Verwirkung des Widerrufsrechts bei Verbraucherdarlehensverträgen

  • 3 Minuten Lesezeit

Zu BGH 16.10.2018, XI ZR 45/18

Verwirkung des Widerrufsrechts bei Verbraucherdarlehensverträgen

Bei der Beurteilung der Frage, des Bestehens eines Widerrufsrechts des Darlehensnehmers bzw. dessen möglicher Verwirkung, ist sowohl der Umstand, dass der Darlehensgeber Sicherheiten freigegeben hat, als auch der Umstand, ob der Darlehensnehmers nach Beendigung des Darlehensvertrags mit den Leistungen des Darlehensgebers gearbeitet hat, in die vorzunehmende Würdigung miteinzubeziehen und nicht per se auszuschließen.

Zur Sache:

Im Oktober 2004 schlossen die Parteien einen Verbraucherdarlehensvertrag über 12.500 €. Zur Anspruchssicherung der Ansprüche der Klägerin dienten Grundpfandrechte. Bei Abschluss des Darlehensvertrags belehrte die Klägerin die Beklagten nur unzureichend über ihr Widerrufsrecht.

Die Beklagten erbrachten zunächst Zins- und Tilgungsleistungen. Nach Ablauf der Zinsbindungsfrist lösten sie das Darlehen zum 31.8.2013 ab. Die Klägerin gab daraufhin ihr gestellte Sicherheiten frei. 

Am 18.12.2015 widerriefen die Beklagten ihre auf Abschluss dieses und eines weiteren 11/2002 geschlossenen Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen. Gleichzeitig erklärten sie gegenüber Ansprüchen der Klägerin aus dem Rückgewährschuldverhältnis die Aufrechnung mit eigenen niedrigeren Ansprüchen. Die Klägerin wies den Widerruf zurück. Die Beklagten blieben bei ihrer Rechtsauffassung, dass mangels ordnungsgemäßer Belehrung ein Widerruf noch möglich sei und setzten der Klägerin Frist zur Erfüllung ihrer vorgetragenen Forderungen. Die Klägerin kam dieser Forderung nicht nach. Hierauf reagierten die Beklagten vor Klageerhebung nicht mehr.

Die Klage der Klägerin auf Feststellung, dass die Darlehensverträge durch den Widerruf der Beklagten vom 18.12.2015 nicht in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt worden seien, sondern wirksam fortbestünden, wies das LG ab. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte nur in Bezug auf den Darlehensvertrag von November 2002 Erfolg. Im Übrigen wies das OLG die Berufung der Klägerin zurück. Die hiergegen eingelegte Revision hatte beim BGH Erfolg und führte letztlich zur Aufhebung des Urteils, insoweit als das OLG zum Nachteil der Klägerin entschieden hatte, und zur Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG.

Gründe:

Die negative Feststellungsklage ist zulässig. Die Klägerin besitzt ein Feststellungsinteresse aufgrund des Umstands, dass sich die Beklagten auf Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis nach § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. berufen.

Die Klägerin hat die Beklagten auf Grundlage des nach Art. 229 § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2, § 32 Abs. 1, § 38 Abs. 1 EGBGB maßgeblichen Rechts nicht hinreichend deutlich über das ihnen zustehende Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB belehrt. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gem. Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 7.12.2004 geltenden Fassung kann sich die Klägerin nach Auffassung des Gerichts nicht berufen. Es bestand daher noch ein Widerrufsrecht der Beklagten.

Ob dieses Widerrufsrecht allerdings verwirkt ist, steht noch nicht fest. Die Ausführungen des OLG wiesen zur Anwendung des § 242 BGB revisionsrechtlich nach Auffassung des BGH erhebliche Rechtsfehler auf.

Ganz wesentliche Gesichtspunkte seien bei der Prüfung der Verwirkung zulasten der Klägerin unberücksichtigt gelassen. Dass die Klägerin mit Leistungen der Beklagten nach Beendigung des Darlehensvertrags gearbeitet habe, sei ein Umstand, der bei der Entscheidung über die Verwirkung des Widerrufsrechts miteinbezogen werden könne. Dies habe das OLG nicht genügend berücksichtigt. 

Zudem sei der Umstand, dass der Darlehensgeber Sicherheiten freigegeben hat, entgegen der Ansicht des OLG, das die Würdigung dieses Umstands bei der Prüfung der Verwirkung per se ausgeschlossen hat, ein Aspekt, den der Tatrichter bei der Prüfung des Umstandsmoments berücksichtigen könne. Dem stehe nicht entgegen, dass der Darlehensgeber nach Beendigung des Darlehensvertrags die Sicherheiten ohnehin freizugeben hätte. Die Sicherheiten sichern regelmäßig auch Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis nach § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. Beendet der Darlehensgeber trotz Möglichkeit der Revalutierung durch Rückgewähr der Sicherheit den Sicherungsvertrag, könne darin die Ausübung beachtlichen Vertrauens i. S. d. § 242 BGB liegen.

Quelle: BGH online


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Olaf Haußmann

Beiträge zum Thema