BGH: Einordnung des Entladevorgangs eines Tankfahrzeugs "bei dem Betrieb" des Fahrzeuges & Haftung Fahrzeughalter

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Schadensersatzanspruch wegen falschem Anschluss des Ölschlauchs bei Heizöllieferung 


Der Zugang zum Erdtank auf dem Hausgrundstück der Beklagten führt über einen Domschacht. In diesem Schacht befindet sich neben dem Füllstutzen für den Erdtank ein weiterer "blinder" Füllstutzen, der zu einem bereits entfernten Tank führte. Obwohl der Fahrer des Tankwagens bei der Anlieferung des Öls von der Beklagten auf den "blinden" Einfüllstutzen hingewiesen wurde, schloss er den Ölschlauch an den falschen Stutzen an.

Dies führte dazu, dass 2.926 Liter Heizöl in den Keller gepumpt wurden. In der Folge kam es zu Verunreinigungen des Erdreichs sowie am Gebäude und zu einer Schadensersatzforderung der Beklagten in Höhe von 26.060 Euro gegenüber der Klägerin (bei ihr wurde das Heizöl bestellt), dem Kfz-Haftpflichtversicherer (Kfz-Versicherung des mit dem Transport beauftragten Spediteurs) und dem Fahrer des Tankfahrzeuges als Gesamtschuldner.

BGH hebt Berufungsurteil auf – Neue Verhandlung & Entscheidung OLG Köln


Die Zurückweisung und Neuverhandlung begründet der BGH damit, dass das OLG Köln fehlerhaft


  • einen Anspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer verneint hat.


  • festgestellt hat, dass sich die Beklagte eine Mithaftung von 50 % anrechnen lassen müsse, da sie für den Zustand der Anlage und der Verkehrssicherheit verantwortlich sei (mitwirkende Gefahr der Anlage).


Kfz-Haftpflichtversicherer ist ebenfalls zum Schadensersatz verpflichtet


Das OLG Köln hat zwar eine Haftung des Fahrers und des Spediteurs, bei dem der Fahrer beschäftigt ist, rechtsfehlerfrei bejaht, jedoch kann die Beklagte die Schadensersatzansprüche auch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer geltend machen.


In § 1 PflVG (Pflichtversicherungsgesetz) heißt es, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs oder Anhängers verpflichtet ist, für sich, den Eigentümer und den Fahrer eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Personenschäden, Sachschäden und sonstigen Vermögensschäden nach den folgenden Vorschriften abzuschließen und aufrechtzuerhalten, wenn das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen (§ 1 des Straßenverkehrsgesetzes) verwendet wird.


Leitsatz des 6. Senats des BGH, Urteil vom 16.01.2024, VI ZR 385/22:


"Der Entladevorgang gehört zum "Gebrauch" des Fahrzeugs im Sinne des § 1 PflVG, solange das Kraftfahrzeug oder seine an und auf ihm befindlichen Vorrichtungen daran beteiligt sind. Der Schaden, der beim Hantieren mit Ladegut eintritt, ist dann "durch den Gebrauch" des Kraftfahrzeugs entstanden, wenn es für die schadensstiftende Verrichtung aktuell, unmittelbar, zeitlich und örtlich nahe eingesetzt worden ist. Das Entladen eines Tanklastzugs mittels einer auf ihm befindlichen Pumpe ist danach dem Gebrauch des Kraftfahrzeugs zuzuordnen, solange der Druck der Pumpe noch auf das abzufüllende Öl einwirkt und die Flüssigkeit durch den Schlauch heraustreibt."


Keine mitwirkende Gefahr der Anlage, da keine Anlage vorliegt


Eine mitwirkende Gefahr einer Anlage ist zwar anspruchsmindernd zu berücksichtigen, sofern der Geschädigte auch aus Gefährdungshaftung in Regress genommen werden könnte, wäre nicht ihm, sondern einem Dritten ein Schaden entstanden.


Zum einen ist der Schaden der Beklagten selbst und keinem Dritten entstanden und zum anderen dienen die verbliebenen Teile des "blinden" Füllstutzens seit dem Entfernen des Tanks nicht mehr dem Befüllen eine Heizöltanks und sind deshalb nicht mehr zum Heizöltransport bestimmt.


Nach Auffassung des BGH ist der Öltransport durch das falsche Rohr in den Keller und damit auch die Gefahr für ein Gewässer nicht auf die "Anlage" zurückzuführen, sondern ausschließlich auf die Verwechselung des "blinden" Einfüllstutzen mit der aktiven Anlage durch den Fahrer.


Die Neuentscheidung des OLG Köln bleibt abzuwarten.


Verfahrensgang:


  • OLG Köln, Urteill vom 08.09.2022, 15 U 217/21
  • LG Köln, 24.09.2021, 18 O 323/20



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