BGH: Vertriebsorganisation haftet für schuldhaftes Verhalten des Handelsvertreters

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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einer neuen Entscheidung (Urteil vom 15.03.2012, III ZR 148/11) zu der Frage Stellung genommen, inwieweit einer Vertriebsorganisation das Fehlverhalten eines für sie tätigen Handelsvertreters zugerechnet werden kann, sie also neben dem Handelsvertreter haftet. In Anknüpfung an die bisherige Rechtsprechung wurde dabei klargestellt, dass die Tatsache, dass der Vermittler mit der Pflichtverletzung gleichzeitig eine vorsätzliche Straftat begeht, die Zurechnung nicht hindert. Vielmehr scheidet eine Zurechnung nur aus, wenn „die Verfehlung des Handlungsgehilfen sich von dem ihm übertragenen Aufgabenbereich so weit entfernt, dass aus der Sicht eines Außenstehenden ein innerer Zusammenhang zwischen dem Handeln des Gehilfen und dem Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben nicht mehr zu erkennen ist". Ungeachtet davon, dass diese weite Zurechnung Auswirkung auf eine Vielzahl von Konstellationen hat, in denen sich Unternehmen Dritter zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedienen, stärkt das Urteil auch und insbesondere Anleger und Versicherungsnehmer, die Schadenersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung bei Vertragsschluss geltend machen.

Der vom III. Senat entschiedene Sachverhalt betraf daher auch einen Fall der Anlagevermittlung. Ein Handelsvertreter eines bundesweit tätigen Strukturvertriebs hatte dem Ehemann der Klägerin, der seine Schadenersatzansprüche an die Klägerin zur Geltendmachung abgetreten hat, im Jahr 2000 die Eröffnung eines Kontos bei der Fondsverwaltungsgesellschaft Deutscher Investment Trust (DIT) empfohlen. Für den Anleger wurde dort ein Konto eröffnet und der Ehemann der Klägerin erwarb im Weiteren Aktienfonds. Der Anleger leistete monatliche Zahlungen an den Fonds. Im Antrag auf Eröffnung des Kontos hatte der Anleger die DIT ermächtigt, sowohl der Gesellschaft, die den Auftrag vermittelt hat - also dem Strukturvertrieb - als auch dem Handelsvertreter diverse Daten über ihn zu übermitteln. Im Jahre 2003 löste der Handelsvertreter die Fondsanlagen des Anlegers mit gefälschten Verkaufsaufträgen auf und der Verkaufserlös wurde auf das Privatkonto des Handelsvertreters überwiesen. Wohl weil Schadenersatzansprüche gegen den Vermittler nicht werthaltig waren, nahm die Klägerin daraufhin den Strukturvertrieb auf Schadenersatz in Anspruch.

Der BGH gab der Klage statt und begründete dies damit, dass für die Zurechnung des Fehlverhaltens allein maßgeblich sei, ob ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang zwischen dem schuldhaften Verhalten des Gehilfen und den Aufgaben, die ihm vom Geschäftsherrn übertragen wurden, bestehe. Da der Handelsvertreter bestimmungsgemäß auf die Konten zugreifen konnte, lag dieser sachliche Zusammenhang vor. Unerheblich ist somit auch, dass der Handelsvertreter sogar den Anweisungen und Interessen des Geschäftsherrn zuwider gehandelt hat.

Da ein Großteil der von Anlegern und Versicherungsnehmern geltend gemachten Schadenersatzansprüche auf eine fehlerhafte Beratung durch den Vermittler vor Ort beziehen, dieser aber häufig in eine größere Vertriebsorganisation eingebunden ist, gibt diese Rechtsprechung den Betroffenen die Möglichkeit, mit der Vertriebsorganisation einen liquiden Schuldner neben dem eigentlichen Vermittler mit in Anspruch zu nehmen.

Heiko Effelsberg, LL.M.

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Versicherungsrecht



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