BGH zu den Anforderungen an Mahnungen wegen rückständiger Versicherungsbeiträge

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BGH: Mahnung wegen Versicherungsbeiträgen muss bei mehreren Versicherungsnehmern an alle gesondert verschickt werden

Versicherungsverträge sind in aller Regel Dauerschuldverhältnisse, in denen für jede Versicherungsperiode von dem Versicherungsnehmer Beiträge zu entrichten sind. Welche Folgen die Nichtzahlung von Beiträgen hat, ist im Gesetz unterschiedlich geregelt.

Zahlt der Versicherungsnehmer die erste Prämie des Versicherungsvertrags nicht innerhalb der vom Versicherer gesetzten Frist, so wird der Versicherungsschutz „nicht eingelöst“, d.h. der Versicherer gewährt noch keinen Versicherungsschutz. Solange die Prämie nicht bezahlt ist, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten. Außerdem besteht Versicherungsschutz nur dann, wenn der Versicherungsnehmer die Nichtzahlung der Prämie nicht zu vertreten hat. Erst mit Zahlung der ersten Prämie hat der Versicherungsnehmer somit den Schutz des Vertrages erlangt.

In manchen Versicherungszweigen ist es üblich, eine sogenannte „vorläufige Deckung“ zu gewähren. Dies ist z.B. in Kfz-Versicherungen der Regelfall. Übernimmt der Versicherer in diesen Fällen auch ohne Zahlung der Prämie schon vorläufigen Versicherungsschutz, so steht dieser immer noch unter der Voraussetzung, dass später die erste Prämie fristgemäß bezahlt wird. Kommt es somit nicht zur Einlösung des Hauptvertrags, weil der Versicherungsnehmer nicht zahlt, so entfällt rückwirkend der Versicherungsschutz, auch, wenn sich in der Phase der vorläufigen Deckung ein Versicherungsfall ereignet hat.

Probleme ergeben sich in der Praxis aber häufig in den Fällen, in denen Folgeprämien nicht gezahlt werden. Hier unterscheidet das Gesetz in den Rechtsfolgen zwischen Versicherungsverträgen und privaten Krankenversicherungsverträgen, die der Erfüllung der gesetzlichen Versicherungspflicht dienen. Die Rechtsfolgen im Krankenversicherungsbereich sind dabei aus sozialen Gesichtspunkten stark zu Gunsten des Versicherungsnehmers abgeschwächt und sollen an dieser Stelle nicht interessieren.

Jedenfalls richten sich die Rechtsfolgen bei allen anderen Versicherungsverträgen nach § 38 Versicherungsvertragsgesetz. Danach hat der Versicherer bei Verzug mit der Folgeprämie den Versicherungsnehmer unter Einräumung einer Frist von mindestens zwei Wochen zur Zahlung aufzufordern. Nach Ablauf der Frist kann der Versicherer den Vertrag kündigen, was auch vorsorglich im Mahnschreiben ausgesprochen werden kann. Außerdem ist der Versicherer für alle Versicherungsfälle leistungsfrei, wenn der Versicherungsfall nach Ablauf der gesetzten Zweiwochenfrist eintritt und der Versicherungsnehmer sich mit der Zahlung noch im Verzug befindet.

Diese Rechte stehen dem Versicherer aber nur dann zu, wenn die Mahnung den Anforderungen an eine qualifizierte Mahnung nach § 38 VVG entspricht. Das bedeutet, dass die rückständigen Beträge der Prämie, Zinsen und Kosten im Einzelnen richtig beziffert werden müssen und die möglichen Rechtsfolgen einer Nichtzahlung aufgezeigt werden.

Die Rechtsprechung ist bei der Einhaltung dieser formalen Kriterien gegenüber den Versicherern sehr streng, so dass schon ein kleiner Fehler dazu führt, dass die Mahnung unzureichend ist. Erstaunlicherweise genügen dennoch viele Mahnungen nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Eine neue Facette hat der Bundesgerichtshof kürzlichen in einem Urteil vom 08.01.2014 zum Aktenzeichen IV ZR 206/13 aufgezeigt.

In dem (hier verkürzt dargestellten) Sachverhalt hatten den Kläger und seine Lebensgefährtin eine Lebensversicherung auf verbundene Leben abgeschlossen, d.h. beide waren Versicherungsnehmer und Versicherte Person des Vertrags geworden und der jeweils andere Teil sollte beim Tod eines Partners die Versicherungssumme erhalten.

Die Versicherungsnehmer hatten eine Folgeprämie des Vertrags nicht zum Fälligkeitszeitpunkt bezahlt. Der Versicherer hat daher die Prämie qualifiziert angemahnt. Allerdings hat er die Mahnung an beide Versicherungsnehmer in einen Brief zusammengefasst, der an beide Versicherungsnehmer adressiert war. Unstreitig ist der Brief bei den Versicherungsnehmern eingegangen. Die Prämie wurde innerhalb der gesetzten Frist nicht gezahlt. Kurze Zeit später verstarb die Lebensgefährtin des Klägers. Der Versicherer verweigerte die Leistung unter Hinweis auf den Verzug mit der Prämienzahlung.

Die hiergegen eingereichte Klage hatte vor dem Landgericht Erfolg. Auf Berufung des Versicherers wurde die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Mahnung den gesetzlichen Anforderungen genüge. Auf die hiergegen eingelegte Revision hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und der Klage stattgegeben.

Bemerkenswert ist dabei die Begründung: Das Gericht hat sich nämlich mit den einzelnen Anforderungen an die Mahnung schon deshalb nicht beschäftigt, weil seiner Ansicht nach in Anknüpfung an frühere Entscheidungen zu vergleichbaren Rechtsfragen es zwingend notwendig gewesen wäre, dass beide Versicherungsnehmer in gesonderten Briefen qualifiziert gemahnt werden. Eine Zusammenfassung in einem Schreiben genüge nicht, auch wenn dieses unstreitig zugegangen war.

Der dahinter stehende Gedanke ist bei Berücksichtigung der möglichen Komplikationen nachvollziehbar und im Sinne der Versicherungsnehmer zu begrüßen. Grundsätzlich wird eine schriftlich abgegebene Willenserklärung – hier die Mahnung – mit Zugang der Erklärung wirksam. Ein Brief geht aber schon dann zu, wenn er in den Briefkasten des Adressaten eingelegt wird. Auch ist nach den allgemeinen Regeln ein im Haushalt lebender Erwachsener zulässiger Empfangsbote, kann den Brief also wirksam für den Empfänger annehmen.

Es wäre also nicht auszuschließen, dass der eine Erklärungsempfänger den Brief entgegen nimmt, ohne dem anderen Mitadressaten etwas über den Inhalt zu berichten. Aufgrunddessen soll es nach Ansicht des BGH zwingend notwendig sein, gegenüber allen Versicherungsnehmern in gesonderten Schreiben zu mahnen.

Da dies hier unterlassen wurde, war die Mahnung vollständig unwirksam und der Versicherer zur Leistung verpflichtet. Allerdings konnte er die offene Prämie von der Leistung in Abzug bringen.

Die Entscheidung zeigt jedoch, dass es sich im Falle von qualifizierten Mahnungen lohnen kann, sich rechtlich beraten zu lassen. Denn ein erfahrener Rechtsanwalt wird einschätzen können, ob die Mahnung den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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