Brandaktuell - Die Tücken der Wohngebäude-Versicherung (Teil I)

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Nahezu jedes Wohngebäude ist in Deutschland zum „Gleitenden Neuwert“ versichert. Bei einer Zerstörung, etwa durch Feuer, ist dadurch sichergestellt, dass der Versicherungsnehmer auch bei den gegenwärtig gerade massiv gestiegenen Baukosten aus der Versicherungsleistung einen nach Größe und Nutzungszweck gleichwertigen Neubau errichten und finanzieren kann. Auch die Kosten für Planung, Konstruktion und Architekten sind dann von der Entschädigung abgedeckt. Über den durch Alter und Abnutzung verminderten Zeitwert hinaus kann der Versicherungsnehmer damit einen nach Größe, Art und Zweckbestimmung gleichen Neubau nach modernem technischem Standard realisieren. Mit der Versicherung zum gleitenden Neuwert werden auch die derzeit allerorts galoppierenden Baupreise aufgefangen.

Dies ist das Idealbild.

In der Realität geraten allerdings auch objektgerecht und zum jeweiligen Neuwert Versicherte bei großen Schäden, etwa nach Brand-, Wasser- oder Sturmschäden, häufig in bedrohliche wirtschaftliche Nöte.

Ursache ist die gemäß Versicherungsbedingungen geltende strenge Wiederherstellungsklausel. Sie hat in der Regel folgenden Wortlaut:


„Sie erwerben den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil), nur, soweit und sobald Sie innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sicherstellen, dass Sie die Entschädigung verwenden werden, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen.“  


Mit dieser Regelung sollen eine Bereicherung durch wesentliche Verbesserungen sowie ein Missbrauch des Versicherungsschutzes (etwa durch Eigenbrandstiftung) durch den Versicherungsnehmer verhindert werden.

Diese Klausel verlangt konkret, dass der Neubau innerhalb von drei Jahren sichergestellt ist.

Die Einholung eines Kostenvoranschlages oder der Abschluss eines letztlich noch nicht beiderseits bindenden Bauvertrages reichen nicht aus. Es muss ein Vertrag mit einem leistungsfähigen Unternehmen nachgewiesen werden, welches den ernsthaften Willen belegt, den Neubau auf der vorgelegten vertraglichen Grundlage tatsächlich und vollständig zu vollziehen. Die Vereinbarung von besonderen Lösungsrechten wie Rücktritt oder Kündigung wäre schädlich. Eine vorzeitige Rückgängigmachung des Bauvertrages muss fernliegen; die tatsächliche Wiederherstellung muss als sicher angenommen werden können. Eine Baugenehmigung muss nicht zwingend vorliegen. Sie muss aber beantragt und auf der Grundlage des vertraglich vereinbarten Neubaus zu erwarten sein. Der bloße Nachweis einer Baugenehmigung verbunden mit der Ausführung von Bodenarbeiten ist unzureichend, da damit die Wiederherstellung des beschädigten Gebäudes noch nicht sichergestellt ist (so ausdrücklich auch LG Kiel und OLG Schleswig-Holstein). Dies gilt auch, wenn die Bauantragsunterlagen die Absicht eines adäquaten Neubaus belegen. Die hinreichende Sicherheit einer tatsächlichen Wiederherstellung des geschädigten Gebäudes ist ohne einen vollständigen Bauvertrag nicht gegeben. Ohne diesen ist die wesentliche Übereinstimmung zwischen dem zerstörten und dem neuen Wohngebäude nicht feststellbar.

In diesen Fällen wird der Geschädigte auf den bloßen Zeitwert verwiesen, der im Hinblick auf Alter, Abnutzung und Instandsetzungsbedarf regelmäßig den tatsächlichen Aufwand für einen Neubau deutlich unterschreitet und dessen Herstellung vielfach vereitelt.


In einem Teil II dieses Rechtstipps werden weitere Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung der Wiederherstellungsklausel beleuchtet. Ersichtlich ist aber bereits jetzt, dass jeder Versicherungsnehmer nach einem Versicherungsschaden fachlichen, vorzugsweise anwaltlichen Rat einholen sollte, um nicht an den Barrieren und Stolpersteinen der Wiederherstellungsklausel zu scheitern. Diese Beratung ist auch schon sinnvoll vor Abschluss des Versicherungsvertrages, um auf eine möglichst großzügige und bedarfsgerechte Fassung der Wiederherstellungsklausel hinzuwirken. Unentbehrlich ist dieser Rat in der Regel bei Ausgestaltung des Bauvertrages, anderenfalls ein hohes Risiko besteht, dass dieser nicht den Anforderungen einer ausreichenden Sicherstellung genügt.

Fortsetzung mit Teil II folgt in Kürze.



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