BSG Urteil v. 30.03.17, Az. B 14 AS 18/16 R – Kein Durchschnittseinkommen bei Leistungsbewilligung

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In einem aktuellen Urteil des BSG vom 30.03.17 wurde die Ansetzung eines Durchschnittseinkommens bei der endgültigen Festsetzung der Leistungen abgelehnt, Az. B 14 AS 18/16 R.

Viele Bescheide wurden in der Vergangenheit seitens der Jobcenter unter Zugrundelegung eines Durchschnittseinkommens bewilligt. Es wurde demnach für den Leistungsbezieher nicht das tatsächlich in den einzelnen Monaten zur Verfügung stehende Erwerbseinkommen angesetzt, sondern es wurde das Einkommen von jeweils sechs Monaten genommen und daraus ein Durchschnittswert angesetzt und bei der Bewilligung berücksichtigt. Dies diente vornehmlich der Vereinfachung der Verwaltungsarbeit, war aber mit dem Gesetzeswortlaut stets nicht vereinbar.

Vorinstanzen und auch andere Gerichte, wie z. B. das Landessozialgericht NRW in diversen Entscheidungen, hatten die Ansetzung eines Durchschnittseinkommens sogar als einzige mögliche Alternative gesehen und sich dabei auf die Arbeitslosengeldverordnung bezogen.

Diese unrichtige Rechtsanwendung wurde nunmehr durch das Bundessozialgericht ausdrücklich verworfen. Als Rechtsgrundlage für eine Berechnung nach Durchschnittseinkommen kann entgegen der Rechtsauffassung des LSG nicht auf § 2 Abs. 3 Satz 1 Alg II‑V in der damaligen Fassung abgestellt werden, denn die Vorschrift regelt nur die vorläufige Entscheidung. 

Nunmehr besteht Rechtsklarheit, dass die Ansetzung eines Durchschnittseinkommens gerade nicht möglich ist, wenn das Jobcenter Leistungen endgültig bewilligt hat.

Die Revisionen der Kläger sind insofern erfolgreich gewesen.

Zur Begründung führt das BSG in seinem Terminsbericht aus, dass bei der abschließenden Entscheidung aufgrund der damals geltenden Rechtslage nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II aF i.V.m. § 328 Abs. 2, 3 SGB III kein Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen ist, sondern vielmehr vom Monatsprinzip (vgl. § 41 SGB II aF) auszugehen ist. § 2 Abs. 3 Satz 1 Alg II‑V aF gilt nach seinem Wortlaut („zu erwarten“) nur für zukünftige Zeiten, und der Verordnungsgeber hätte eine andere Regelung leicht treffen können, zumal er für eine bestimmte Variante der abschließenden Entscheidung eine Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II‑V aF getroffen hat.

Aus dem zwischenzeitlich durch das 9. SGB II‑ÄndG eingeführten § 41a SGB II mit seinem Abs. 4 über ein Durchschnittseinkommen bei der abschließenden Entscheidung folgt nichts anderes, weil der Vorschrift insofern keine Rückwirkung beigemessen wird (vgl. § 80 SGB II).

Insofern kann jedem betroffenen Leistungsbezieher nur angeraten werden, Bescheide, die seit dem Jahr 2016 ergangen sind, einer fundierten rechtlichen Überprüfung durch einen auf dem Gebiet des Sozialrechts tätigen Rechtsanwalt zu übergeben. Ggf. kann im Wege der Überprüfung eine für die Betroffenen günstigere Entscheidung erzielt werden.

Gerade in NRW wurde aufgrund der nunmehr unrichtigen Rechtsprechung fast immer ein Durchschnittseinkommen bei der Berechnung zu Grunde gelegt, sodass eine Vielzahl an ergangenen Bescheide rechtswidrig sein dürfte.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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