SG Karlsruhe: Versagungssbescheide des Jobcenters wegen fehlender Mitwirkung rechtswidrig!

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Es gibt eine neue aufsehenerregende Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe zu Versagungs- oder Entziehungsbescheiden bei Bezug von Bürgergeld / Hartz4.


1. Entziehungs- oder Versagungsbescheide

Menschen, die Hartz4/Bürgergeld beantragt haben oder bereits beziehen, werden von den Jobcentern regelmäßig aufgefordert, zahlreiche Unterlagen vorlegen. 

Erfolgt diese Mitwirkung nicht so wie sich das Jobcenter das vorstellt, wird häufig ein Versagung- oder Entziehungsbescheid erlassen, mit dem die Leistungen aufgrund mangelnder Mitwirkung entzogen werden. 

Dies ist auch deshalb problematisch, weil die angeforderten Unterlagen in vielen Fällen bereits (mehrfach) eingereicht worden sind, das Jobcenter diese aber verloren hatte. 


2. Die Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe 

Das Sozialgericht Karlsruhe hat nun mit Urteil vom 09.05.2023 - S 12 AS 2046/22 entschieden, dass diese Bescheide, mit denen regelmäßig 100% der Leistungen entzogen werden, nur ausnahmsweise rechtmäßig sein können. 

Voraussetzung sei, dass das Jobcenter in der Begründung deutlich mache, anlässlich welcher atypischer Fallgestaltung sowie zwecks welcher außerordentlicher Ziele eine so weitreichende Unterdeckung des Existenzminimums im konkreten Einzelfall angemessen sei, um die bislang unterbliebene Mitwirkung zu veranlassen. 

Mit anderen Worten: In einem typischen Fall unzureichender Mitwirkung sind solche Bescheide nach Auffassung des Gerichts rechtswidrig! 

Das Gericht korrigierte damit seine eigene Rechtsauffassung, da es in dem gleichen Fall im einstweiligen Rechtsschutzverfahren noch anders entschieden hatte. Es entschuldigte sich mit dem bemerkenswerten Satz bei den Klägerinnen: 

"Das Sozialgericht Karlsruhe bereut zutiefst seinen im Fall der Klägerinnen einstweilen verfassungswidrigen Irrweg, sein unverzeihliches Versagen." 


3. Ausblick

Andere Sozialgerichte beurteilen Versagungs- bzw. Entziehungsbescheide wegen unterbliebener Mitwirkung bei Bezug von Hartz4 / Bürgergeld häufig als rechtmäßig (so etwa LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.06.2016 - L 6 AS 121/13). 

Es ist zu hoffen, dass die Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe einen Anstoß dazu gibt, diese Rechtsprechung zu überdenken. Denn eine vollständige Entziehung bzw. Versagung von Grundsicherungsleistungen ist im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Sanktionen verfassungsrechtlich bedenklich. 


 

















   








Foto(s): @pixabay.com/Edward Lich

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