Bundesarbeitsgericht zur Entgeltgleichheit - 8 AZR 450/21

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Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Entgeltgleichheit (8 AZR 450/21) ist ein wichtiger Schritt zu mehr Gleichberechtigung am Arbeitsplatz, demnach ist Verhandlungsgeschick allein kein geeignetes Kriterium für die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen in Bezug auf das Entgelt.

Rechtsanwältin Kerstin Dreyer: „Man muss das Urteil in lebendige Sprache übersetzen: Verhandlungsgeschick allein kann kein objektiver Grund dafür sein, einem männlichen Bewerber mehr Gehalt auszuzahlen, als einem weiblichen Mitarbeiter.“

„Equal Pay“ ist in aller Munde und sollte bedeuten: Gleiches Geld für gleiche Leistung. Wenn der Mann hartnäckiger um sein Gehalt feilscht, dann ist der Arbeitgeber in Zukunft gehalten, dieses Gehalt allen vergleichbaren Mitarbeitern zu zahlen, unabhängig von Dingen wie Verhandlungsgeschick, sexueller Orientierung oder Geschlecht.

Dreyer: „Nur die Qualität der Arbeit und die Qualifikation der Bewerber darf Einfluss nehmen.“

Im verhandelten Fall ging es darum, ob die Ungleichbehandlung durch objektive Kriterien gerechtfertigt werden konnte – und das Gericht verneinte dies eindrucksvoll und rechtsprägend.

Die Vorinstanzen (Arbeitsgericht Dresden – Urteil vom 04.10.2019, Az. 5 CA 638/19 und in weiterer Instanz das Landesarbeitsgericht Sachsen mit Urteil vom 03.09.2021 zum Aktenzeichen 1 SA 358/19) hatten keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz erkennen wollen. Erst der Gang zur letzten Instanz hatte ein letzten Endes folgerichtiges Urteil erbracht.

Dreyer: „Das Verhandlungsgeschick des männlichen Mitarbeiters tut ja ansonsten nichts zur Sache, es hat keinerlei Einfluss aus die weitere Arbeit für das Unternehmen. Im Umkehrschluss würde es ja bedeuten, dass verhandlungsgeschickte Menschen - oder Männer - die besseren Mitarbeiter wären!“

Die Tatsache, dass das Unternehmen den Mitarbeiter unbedingt verpflichten wollte und daher seine Gehaltsvorstellung akzeptieren musste, konnte das BAG nicht als zeitgemäße Auslegung des Motivs „Equal Pay“ zulassen.

Das BAG zog die Rechtsnormen 158 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG heran, um den Anspruch der Klägerin auf das gleiche Grundentgelt zu rechtfertigen. In der Bewertung der gesamten Situation könne nicht ausgeschlossen, dass die vorliegende Ungleichbehandlung ausschließlich geschlechtsspezifisch begründet ist.

Die zugrunde liegende Rechtsnorm erlaube die Umkehr der Beweislast. Bedeutet: Die Klägerin hat Anspruch darauf, die ungleiche Bezahlung nicht nur erklärt zu bekommen. Kann der Verdacht der Frauenbenachteiligung – wie im vorliegenden Fall - nicht ausgeräumt werden, muss ihr das gleiche Gehalt gezahlt werden, wie dem männlichen Kollegen. Die vorgetragenen Argumente müssen absolut stichhaltig sein: Verhandlungsgeschick und das Interesse an der Mitarbeitergewinnung reichen nicht aus.


Dreyer: „Es geht hier im Grund nur um den Anspruch auf gleiches Gehalt, darauf lässt sich das Urteil herunterbrechen und es entspricht damit den modernen Grundsätzen des Equal Pay als moralischem Überbau des Arbeitsrechts!“

Als echte Grundsatzentscheidung dürfte das Urteil nun in vielen Fällen herangezogen werden, um Ungleichbehandlung – auch rückwirkend - abzustellen.

Equal Pay ist auch Grundsatz für Tätigkeiten im öffentlichen Bereich. Beispiel dafür ist der Anspruch einer ehemaligen Bürgermeisterin, die schlechter bezahlt wurde als ihre männlichen Kollegen (VG Freiburg Urteil vom 3.3.23 - 5 K 664/21).


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