Bußgeldverfahren in Polen

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1. Rechtsgrundlagen für das Bußgeldverfahren

Die folgenden polnischen Gesetze und Verordnungen bilden im Wesentlichen die Grundlage für die Verfolgung von Verkehrsverstößen:

  • Strafgesetzbuch (Kodeks karny/KK) vom 06.06.1997 (Dz.U. Nr. 89, Pos. 554);
  • Strafprozessordnung (Kodeks postępowania karnego/KPK) vom 06.06.1997 (Dz.U. Nr. 89, Pos. 555);
  • Ordnungswidrigkeitengesetz (Kodeks wykroczeń/KW) vom 11.03.2013 (Dz.U. vom 2013, Pos. 482);
  • Ordnungswidrigkeitenverfahrensgesetz (Kodeks postępowania w sprawach o wykroczenia/KPW) vom 20.02.2013 (Dz.U. vom 2013, Pos. 395);
  • Die Verordnung des Ministerpräsidenten über die Bußgeldhöhe für Ordnungswidrigkeiten (Dz.U. vom 2013, Pos. 1624);
  • Straßenverkehrsgesetz (Prawo o ruchu drogowym/RuchDPr) vom 30.08.2012 (Dz. U. vom 2012, Pos. 1137);
  • Die Verordnung des Innenministeriums über die Verfahrensweise mit den Verkehrssünder vom 25.02.2012 (Dz. U. vom 2012, Pos. 488);

2. Verantwortlichkeit für Verkehrsverstöße

In der Regel ist für die Begehung der Verkehrsverstöße in Polen der Fahrer verantwortlich. Wenn der Fahrer nicht direkt nach der Begehung des Verkehrsverstoßes von der Polizei angehalten wurde, ist der Fahrzeughalter zur Auskunft über den Fahrer verpflichtet. Wenn der Fahrzeughalter die Auskunft vorsätzlich verweigert, dann kann er nach Art. 96 § 3 i.V.m. Art. 96 § 1 KW mit Geldstrafe in Höhe von 20 – 5.000 Zloty (PLN) bestraft werden.

3. Darstellung des Bußgeldverfahrens

Bei weniger schwerwiegenden Verkehrsverstößen kann die Polizei an Ort und Stelle ein Bußgeld (Strafmandat) aufgrund des Bußgeldkataloges verhängen. Die Höchstgeldbuße liegt bei 500 PLN.

Wenn der Verkehrssünder das Strafmandat annimmt, stellt das nach polnischem Recht ein indirektes Schuldanerkenntnis dar. Nach der Rechtsprechung des polnischen Verfassungsgerichts (AZ: OTK-A 2004/5/45) ist die Annahme eines Strafmandats keine Pflicht des Verkehrssünders. Er hat die freie Entscheidung, ob er das Strafmandat annimmt und das Bußgeld bezahlt oder die Annahme des Strafmandats verweigert und das Recht zur Erkennung der Verantwortung für die Ordnungswidrigkeit vor Gericht in Anspruch nimmt. Die Annahme des Strafmandats und die Bezahlung des Bußgeldes ist dem Schuldanerkenntnis des Täters gleichzusetzen und stellt einen rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens dar. Die Verweigerung der Annahme des Strafmandats ist die Grundlage zur Einleitung des entsprechenden Gerichtsverfahrens, in dem der Täter seine Gerichtsbefugnisse ausüben kann.

Die Ausländer, die in Polen keinen Wohnsitz haben, müssen die Geldbuße sofort vor Ort in Zloty bezahlen. Verfügt der Verkehrssünder nicht über polnisches Geld, wird er häufig von der Polizei zu einer Bank begleitet, um die sofortige Zahlung in Zloty sicherzustellen.

Hat der Verkehrssünder einen Wohnsitz in Polen, verhängt die Polizei ein sog. Kreditmandat mit einer Zahlungsfrist von einer Woche.

Den Verursachern von verkehrsgefährdenden Situationen kann die Polizei den Führerschein entziehen, d.h. dann, wenn ein begründeter Verdacht des Vorliegens einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit gegeben ist, die ein Fahrverbot zur Folge ist. Hierbei handelt sich um eine besonders verkehrsgefährdende Situation (z.B. Begehung mehrerer Verkehrsverstöße zu einem Zeitpunkt, aber auch die Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 50 km/h). In solchen Fällen entscheidet das Gericht, ob die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis aufrechterhalten wird und, wenn ja, für welche Dauer.

1a.) Verstöße im ruhenden Verkehr

Die Verstöße im ruhenden Verkehr (Halt- und Parkverstöße) werden in Tabelle B Abschnitt II Lit. L des Anhanges der Verordnung des Ministerpräsidenten in der Sache der Bußgeldhöhe für Ordnungswidrigkeiten aufgeführt. Die wichtigsten Bußgelder vom Bußgeldkatalog bei Verstößen im ruhenden Verkehr:

Verkehrsverstoß

Bußgeld (PLN)

- Halten an Bahn-, Straßenübergängen und Kreuzungen oder weniger als 10 m vor Übergängen oder Kreuzungen,

- Halten an Fußgänger- und Radüberwegen oder weniger als 10 m vor Fußgänger- und Radüberwegen,

- Halten in Tunnels, auf Brücken und auf Überführungen

- Halten weniger als 15 m vor Haltestellen

- Halten auf Fahrradwegen

- Halten oder Parken an Stellen für Behinderte

- Halten oder Parken an Stellen für Taxis

- Halten oder Parken auf Gehwegen

- Parken vor Grundstücksein- oder -ausfahrten

300

 

100 – 300

 

200

100

100

500

100

100

100

1b.) Verstöße im fließenden Verkehr

Die Verstöße im fließenden Verkehr werden im Tabelle B Abschnitt II Lit. C, D, E, F des Anhanges der Verordnung des Ministerpräsidenten in der Sache der Bußgeldhöhe für Ordnungswidrigkeiten aufgeführt. Die wichtigsten Bußgelder vom Bußgeldkatalog bei Verstößen im fließenden Verkehr:

Verkehrsverstoß

Bußgeld (PLN)

- Geschwindigkeitsüberschreitung um:

bis zu 10 km/h

11 bis 20 km/h

21 bis 30 km/h

31 bis 40 km/h

41 bis 50 km/h

mehr als 50 km/h

- Abbremsen mit Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer,

- Wenden mit Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer,

- Rückwärtsfahren auf der Autobahn, Brücken und Überführungen,

- Überholen am Fußgängerübergang und Radüberwegen,

- Überholen an Bahn-, Straßenübergängen und Kreuzungen,

- Beim Überholen Abstand nicht eingehalten

 

50

50 – 100

100 – 200

200 – 300

300 – 400

400 – 500

100 – 300

200 – 400

200

200

300

300

1c.) sonstige Verstöße / Rotlichtverstöße

Verkehrsverstoß

Bußgeld (PLN)

- Ampel bei „Rot“ überfahren,

- Fahren ohne Licht (in Polen müssen Autofahrer ganzjährig auch tagsüber auf allen Straßen das Abblendlicht einschalten),

- das Handy am Steuer genutzt,

- Fahren ohne Licht im Tunnel,

- Fahren ohne Sicherheitsgurt

300 – 500

100 – 200

 

200

200

100

1d.) Fahren unter Alkoholeinfluss

Das Fahren unter Einfluss von Alkohol oder nach Drogenkonsum ist in Polen streng verboten. Die erlaubte Grenze beträgt 0,2 Promille. Das Überschreiten von 0,5 Promille gilt als Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren belegt werden kann. Im Fall der Feststellung des Fahrens nach Alkoholgenuss und Drogenkonsum behält die Polizei den Führerschein ein und das Gericht spricht ein Fahrverbot von 6 Monaten bis 3 Jahren (Art. 29 § 1 KW) aus.

4. Rechtsmittel des Betroffenen / Einspruchsverfahren

Die Annahme des Strafmandats stellt grundsätzlich ein indirektes Schuldanerkenntnis dar. Es besteht jedoch die Möglichkeit, innerhalb von 7 Tagen, ab Tag der Bezahlung des Strafmandats, gegen das Strafmandant gerichtlich in Polen vorzugehen (Art. 101 § 1 KPW).

Das Gericht hebt das Strafmandat auf, wenn das Verhalten des Betroffenen keine Ordnungswidrigkeit darstellt. In einem anderen Fall verweigert das Gericht die Aufhebung des Strafmandats. Die Entscheidung des Gerichtes ist endgültig und unanfechtbar.

Für die Aufhebung des Strafmandats ist das Amtsgericht (Sąd Rejonowy) zuständig, in dessen Bezirk das Strafmandat aufgestellt worden ist (Art. 101 § 2 KPW).

5. Verjährungsfristen

Die Strafbarkeit der Ordnungswidrigkeit endet, wenn ab dem Zeitpunkt der Begehung ein Jahr verstrichen ist; ist innerhalb dieses Zeitraums ein Verfahren eingeleitet worden, endet die Strafbarkeit der Übertretung mit Ablauf von 2 Jahren ab der Begehung der Tat (Art. 45 § 1 KW). Die verhängte Strafe oder die angeordnete Strafmaßnahme wird nicht vollstreckt, wenn ab dem Datum des Eintritts der Rechtskraft der Entscheidung 3 Jahre verstrichen sind (Art. 45 § 3 KW).

6. Führerscheinmaßnahmen / Punktsysteme

Nach Art. 18 KW sind für die Begehung einer Ordnungswidrigkeit folgende Strafen vorgesehen: Arrest, Freiheitsbeschränkung, Geldbuße, Verweis. Neben den Strafen von Art. 18 KW kann das Gericht eine Strafmaßnahme anordnen, wenn sie in einer besonderen Vorschrift vorgesehen ist. Gemäß Art. 28 § 1 KW gibt es folgende Strafmaßnahmen: Verbot der Führung von Fahrzeugen, Verfall von Gegenständen, Geldauflage, Schadenswiedergutmachungspflicht, öffentliche Mitteilung der Entscheidung über die Bestrafung auf besondere Art und Weise, andere durch das Gesetz bestimmte Strafmaßnahmen.

Das Verbot der Führung von Fahrzeugen wird obligatorisch z.B. in folgenden Fällen angeordnet:

  • Wer in einem Zustand nach dem Genuss von Alkohol oder einem ähnlich wirkenden Mittel ein Kraftfahrzeug im Straßen-, Wasser- oder Luftverkehr führt (Art. 87 § 1 KW),
  • Wer als ein an einem Verkehrsunfall beteiligter Fahrzeugführer nicht unverzüglich dem Opfer des Verkehrsunfalls Hilfe leistet (Art. 93 § 1 KW),

Das Verbot der Führung von Fahrzeugen wird fakultativ z.B. in folgenden Fällen angeordnet:

  • Wer zur Vermeidung einer Kontrolle das den Halt gebietende Signal einer zur Kontrolle des Straßenverkehrs berechtigten Person missachtet (Art. 92 § 2 KW),
  • Wer auf einer öffentlichen Straße, in einer Wohngegend oder einer Verkehrszone ohne die Einhaltung der erforderlichen Vorsicht eine Gefahr im Straßenverkehr verursacht (Art. 86 § 1 KW).

Das Verbot der Führung von Fahrzeugen wird in Monaten oder Jahren für die Dauer von 6 Monaten bis zu 3 Jahren angeordnet. Bei der Anordnung des Verbots der Führung von Fahrzeugen ist die vom Verbot umfasste Fahrzeugart zu bestimmen.

In Polen ist in der Verordnung des Innenministeriums über die Verfahrensweise mit dem Verkehrssünder auch ein Punktekatalog geregelt worden. Der Punktekatalog sieht für Verkehrsverstöße 1 bis 10 Punkte vor, die in ein polizeiliches Register eingetragen werden. Bei Erreichung von 24 Punkten muss der Fahrer die Fahrererlaubnisprüfung erneut absolvieren. Das Punkteregister betrifft nicht die Ausländer, die keinen Wohnsitz in Polen haben. Solchen Personen kann bei hoher Punktzahl der Führerschein weder entzogen noch etwa die Ablegung einer Fahrprüfung aufgezwungen werden, jedoch ein Fahrverbot angeordnet werden.

7. Besonderheiten bei Verkehrsverstößen von ausländischen Kraftfahrern

Die Anordnung der Kaution zur Sicherung der Strafverfolgung und -vollstreckung gegenüber Ausländern tritt in der Regel in Polen nur bei Verdacht auf Straftaten ein. Bei Begehung von Ordnungswidrigkeiten wird von Ausländern die Sofortzahlung der Geldbuße verlangt. Wenn der Verkehrssünder das Strafmandat nicht annimmt, wird die Sache an das Amtsgericht verwiesen. In einem solchem Fall kann bis zum Verhandlungstermin eine Kaution seitens des Betroffenen als Sicherungsmaßnahme für die Teilnahme am Termin einbehalten werden.

8. Informationsquellen zum Bußgeldverfahren

Bei der Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten in Polen ist es ratsam, mit einem deutsch sprechenden Rechtsanwalt aus Polen Kontakt aufzunehmen. In Polen besteht die Möglichkeit, dass die Polizei dem ausländischen Betroffenen, der die Geldbuße nicht zahlen will, zur Annahme des Strafmandats zwingen wird.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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