Cannabis Patienten: MPU/ärztliches Gutachten wg Cannabis als Medikament - so bestehen Sie! Teil 1

  • 18 Minuten Lesezeit

Teil 1 (zu Teil 2 geht es hier)

Bei den Cannabis Patieten werden häufig Begutachtungen durch die Fahrerlaubnisbehörde angeordnet. Typischer Fall ist die "Auffälligkeit" im Verkehr. Betroffene führen ein KFZ unter Wirkung von THC und verweisen dann auf den Patientenausweis und das ärztlich verschriebene Cannabis. 

Ein Irrglaube ist es leider oft, dass die Führerscheinstelle sich damit zufrieden gibt. 

Erfährt die Fahrerlaubnisbehörde von der Verschreibung von Cannabis als Medikament, werden erstmal Nachweise vom Arzt angefordert (sollte jedenfalls so sein). Die sollten dringend fristgemäß beigebracht werden, sonst ordnet die Behörde sehr schnell eine Begutachtung (ärztliches Guten / MPU) an.

Die Führerscheinstelle will in der Regel einiges von Ihnen wissen, das liest sich in der Regel so:

Wenn der Arzt sich -hoffentlich- die Mühe macht (sehr positiv in dieser Frage ist hier Dr. Franjo Grotenhermen aufgefallen) bei der genauen Beantwortung dieser Fragen, dann geben nicht wenige Behörden sich schon zufrieden und stellen das Eignungsverfahren ein. Es erfolgt dann keine Anordnung eines ärztlichen Gutachtens. 

Wenn dem aber nicht so ist, brauchen Sie sich auch nicht zu sorgen. Aber Sie sollten schon ziemlich genau wissen, was man von Ihnen wissen will. Und der Anwalt sollte ziemlich genau wissen, was die Behörde fragen darf und was nicht und ob der Gutachter sich auch an die Spielregeln gehalten hat.

Zunächst einmal muss man im Auge behalten, dass die Behörde sich bei der Anordnung der Begutachtung strikt an das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu halten hat (=häufige Fehlerquelle). Das bedeutet, dass der Fragestellung für die Begutachtung nur beobachtete Sachverhalte und Umstände zugrunde liegen dürfen, nicht aber weitere, nicht durch Tatsachen gestützte Vermutungen. So darf zB ohne entsprechende Indizien nicht gefragt werden, ob noch andere BtM / psychoaktive Stoffe oder Alkohol genommen werden oder wurden. 

Eine Ausforschung des Sachverhalts über das gebotene Maß nach dem Motto "mal sehen, was Herr / Frau X sich sonst noch so reinpfeiffen" ist nicht erlaubt und macht die Anordnung der MPU / des ärztlichen Gutachtens rechtswidrig. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage dieses Gutachtens würde das Verwaltungsgericht mit hoher Wahrscheinlichkeit aufheben.

Sofern es Hinweise auf eine schwere Erkrankung des Patienten  gibt, so wird das Gutachte sich um folgende Fragen drehen: Wie weit ist die Leistung des Patienten durch die Krankheit eingeschränkt? Was ist bzgl der Krankheit über Art, Schwere und Verlauf zu sagen? Wie verläuft die Behandlung mit Cannabis? Schlägt das Medikament an? Verbessert / stabilisiert sich die Situation des Patienten durch Cannabis? Hält sich der Patient an die Vorgaben des Arztes hinsichtlich Dosierung und Einnahme (=Erfolg der Therapie und Compliance)?

Es liegt auf der Hand, dass Betroffene sich bereits vor einer Begutachtung um möglichst aussagekräftige Nachweise des Arztes kümmern sollte. Liegen diese vor, kann der Gutachter beim ärztlichen Gutachten / der MPU eigentlich auch nicht viel mehr machen, als das alles abzunicken. Das ganze Begutachtungstheater hat dann häufig nur noch den Charakter eines Schaulaufens. Aber so ist das Geschäft. 

Abhängig von der Cannabis Vorerfahrung wird bei der Begutachtung differenziert zwischen folgenden

Fallgruppen 

Patientengruppe I, bei denen der Arzt Cannabis als Medikament verschreibt und die Patienten keine oder wenig Vorerfahrung mit Cannabis haben (bzw so tun als ob). In dieser Gruppe stehen Fragen wie die genaue Aufklärung des Patienten über Cannabis und dessen Wirkungen (was weiß der Patient über Cannabis und seine Wirkungen?), die Fahrsicherheit (ist die Einstellungsphase zu Beginn der Therapie überwunden, hat der Patient sich hinreichend an die Wirkung gewöhnt?) und die Compliance (Hält der Patient sich an die Spielregeln?)

Patientengruppe II, hier haben die Patienten Vorerfahrungen mit Cannabis Selbsttherapie und haben häufiger eine Vorgeschichte mit illegalen Bezug und kleineren BtMG Äuffälligkeiten mit Cannabis. Zur Legalisierung der notwendigen Behandlung lassen sie sich  nunmehr das Cannabis verschreiben. 

Patientengruppe III, hier liegt ein meist deutliche jahrelange Vorgeschichte mit Cannabis Missbrauch und anderen BtM vor. Ebenfalls sind eindeutige, sich oft über lange Zeiträume ziehende  strafrechtliche BtMG Auffälligkeiten aktenkundig. Hier soll die Verschreibung des Arztes nur angestrebt werden, um den mißbräuchlichen Konsum zu legalisieren. Will heißen: Wer schon oft mit BtM aufgefallen ist, der wird zwar das gewünschte Cannabis noch mit etwas Glück und oder lockerer Handhabe des Arztes erlangen. Aber die Fahrerlaubnisbehörde wird sich das nicht lange anschauen und der Führerschein ist dann schnell Geschichte.

Problembereiche bei der Verschreibung von Cannabis

Medizinal Cannabis (also normales Cannabis) hat nicht wie andere Arzneimittel ein normales Zulassungsverfahren durchlaufen, weshalb keine empirisch sicheren Informationen hinsichtlich der möglichen Behandlungsfelder, Nebenwirkungen und Dosierungen vorliegen sollen (das ist bei anderen Medikamenten zwar auch so und die teils massivsten Nebenwirkungen im Vergleich zu Cannabis jucken exakt niemanden, aber das nur anbei). Man weiß schon lange um die vielfältigen positiven Wirkungen von Cannabis und wollte das nicht durch Studien belegt haben. Lobby.

Der verschreibende Arzt spielt deshalb auch fahrerlaubnisrechtlich eigentlich die Hauptrolle. Ihm obliegt es, das Zauberkunststück zu vollbringen, im Arztbrief auch und gerade gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde darzulegen, warum Cannabis als Mittel der Wahl alternativlos ist im Vergleich zu anderen Medikamenten. 

Der Arzt hat also eine große Verantwortung. Manche Ärzte sind sich der Sache bewusst und machen insbesondere die Dokumentationen richtig klasse, so dass diese gegenüber den Behörden "wasserdicht" sind. Manche hingegen sind einfach Totalausfälle in dem Bereich und sich ihrer Verpflichtung nicht bewusst und oder desinteressiert. Es ist also wichtig, den richtigen Arzt zu finden.

Bei der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin wird man Ihnen gerne bei der Suche helfen. Dort gibt es für Ratsuchende sogar eine telefonische Beratung

Der Arzt soll und wird idR Cannabis nicht verschreiben bei:

  • Bekannter Suchtvorgeschichte
  • Graduell ernsthaften Persönlichkeitsstörungen und Psychosen ("Alltagsdachschaden" ist kein Problem, den haben wir alle - das ist kein Hinderungsgrund)
  • Jugendlichen

Die Abstimmung, welcher Patient welche Sorte Cannabis bekommt, obliegt also dem Arzt in Abstimmung mit dem Patienten. Geradezu lachhaft ist dabei, dass die Cannabis Sorten wie "White Widow" von der pharmazeutischen Industrie neue Namen bekommen haben (White Widow = "Supreme 18/1"). Man will durch die anderen Namen immer noch verklären, dass die Original "White Widow" ein Medikament ist bzw sein kann. Wie umgekehrtes Greenwashing. Pharmawashing sozusagen. Was für ein mieser Hokus Pokus. 

Cannabis als Medikament und Fahrsicherheit 

Bei Cannabis Patienten soll (man höre und staune über diese schallende Ohrfeige für alle anderen entspannt-sicheren THC Fahrer, die mit nicht mehr spürbaren THC Restwerten aufs Härteste drangsaliert werden) das Verkehrsrisiko weniger vom  THC Spiegel (ja, Sie lesen richtig, vgl. Zeitschrift Blutalkohol 55/2018 S.24-36) ankommen. 

Vielmehr komme es an (nach Auffassung sog. "Experten") auf:

  • Das Motiv der Einnahme von Cannabis
  • der allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit
  • der spezifischen Wechselwirkung zwischen Krankheit und Cannabis
  • Gewöhnung und Toleranz
  • Anpassungsbereitschaft und risikoverminderndes Verhalten im Verkehr (nicht direkt nach den 0,5 Gramm "Supreme  18/1 Pharma Controll Weed" ins Auto steigen, sondern erstmal 15 min warten)
  • die Beurteilung und Wahrnehmung potentiell kritischer Situationen im Verkehr

Ehrlich: Das  gilt praktisch auch für alle anderen Konsumenten, die sich etwa abends mal eine Tüte gönnen und verantwortungsbewusst sind. Hier Patienten mit Argumenten zu priveligieren, die für jeden Konsumenten auch genauso gelten, ist echt eine Ohrfeige für diejenigen, die kein Cannabis verschrieben bekommen. Da wird künstlich ein Unterschied geschaffen, wo keiner ist - mal angesehen von harten ADHS Fällen, die ohne die Dämpfung wie Speed Junkies auf Überdosis keine Ruhe finden. 

Was lernt man daraus, wenn man den Führerschein behalten will: Ab zum Arzt und sich das Cannabis verschreiben lassen. Schlagen Sie das System mit den eigenen Waffen. Anders geht es nicht. 

Bei Berufskraftfahrern, Personen, die einen Taxischein beantragen u.ä gelten strengere Anforderungen (die -Sie ahnen es- so nebulös sind wie der Rauch von "Supreme 18/1" Pharma Weed). Wenn Sie eine ernste Erkrankung haben und Cannabis Patient sind: Schminken Sie sich die Fahrerlaubnis Gruppe 2, das Berufskraftfahren oder den Taxischein ab. Man wird Sie nicht lassen. 

Welche Fragen haben Sie bei der Begutachtung zu erwarten?

Klar ist, dass der absolute  Schwerpunkt bei der verlässlichen Einnahme des Cannabis nach ärztlicher Verschreibung ("Compliance" = Befolgen der ärztlichen Vorgaben in Sachen Dosierung (wann, wieviel, wie konsumiert); "Adhärenz" = dieser Begriff meint über das brave Befolgen der Ansage Ihres Arztes hinaus eine bewusste Rolle des Patienten in Sachen Umgang mit der Erkrankung sowie bei der Planung und Ausgestaltung des Ziels der Therapie. Mitdenken hilft.

"Compliance" und "Adhärenz" sind die also die Zauberwörter. Bei denen schlägt das Herz des Gutachters höher. Jedenfalls wenn dem Arztbrief zu entnehmen ist, dass diese Voraussetzungen bei Ihnen sprichtwörtlich "zur vollsten Zufriedenheit" des Arztes vorliegen. Legen Sie einen solchen ärztlichen Nachweis bei der Begutachtungsstelle vor, stellen Sie dem Gutachter sehr viele Laufwege zu, die er sonst wie beim Schach nutzt, um Sie "Matt" zu setzen (=negatives Gutachten). Lernen Sie ein bißchen fahrerlaubnisrechtliches Schachspiel. Ohne geht es nicht. Fragen Sie mich, wenn Sie ein, zwei Trainingsstunden brauchen. Machen Sie es dem Gutachter nicht so leicht. 

Beispiel für einen -verbesserungsbedürftigen- Arztbrief: 

Dieser Arztbrief kommt von einem der großen Anbieter in Sachen medizinisches Cannabis. Die meisten Elemente mit den Literaturnachweisen sind mittels "copy and paste" zusammegefügt. Das ist nicht schlimm und liest sich soweit gut. 

Aber:

Wenn man mit copy and paste Technik in ärztlichen Stellungnahmen arbeitet und diese mit hübschen Literaturnachweisen aufpeppt und "wasserdicht" macht, dann kann man sich auch ein paar Minuten Zeit nehmen und zu Compliance und Adhärenz ein paar Sätze schreiben. Fordern Sie das bitte bei Ihrem Arzt ein. Wenn in der Hinsicht genau und ausführlich vorgetragen wird, macht man es der Führerscheinstelle und dem Gutachter bei ärztlichen Gutachten und der MPU sehr schwer, Ihnen ernsthafte Schwierigkeiten zu machen. 

Der Arztbrief oben ist bei der Behörde jedoch durchgegangen und es wurde danach kein Gutachten mehr gefordert. Oft reicht auch ein möglichst genauer Arztbrief aus, um die behördlichen Fragen zu beantworten. 

Und wenn die Fahrerlaubnisbehörde sich mit dem Arztbrief nicht zufrieden gibt?

Kommt es jedoch zur Anordnung eines ärztlichen Gutachtens oder einer MPU, so geben die Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreigung vor, was der Gutachter wissen will  (vgl. dort S. 440 ff (443)):

  • Nehmen Sie das Cannabis strikt zuverlässig gemäß ärztlicher Verordnung ein? 
  • Liegen dauerhafte Auswirkungen auf Ihre Leistungsfähigkeit vor? Liegt bezüglich der Grunderkrankung und deren Symptomatik eine Ausprägung vor, welche die sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt?
  • Ist zu erwarten, dass Sie in Situationen, in denen Sie durch Ihre Krankheit oder der Einnahme des Cannabis beeinträchtigt sind, am Straßenverkehr teilnehmen?

Problematisch werden diese Punkte, wenn der Gutachter erfährt:

  • dass es bei Ihnen früher einen Missbrauch oder ein Abhängigkeit von Cannabis gab (vor der Verschreibung) oder ein problematisches Konsumverhalten bzgl anderer Drogen (auch und  gerade Alkohol) vorlag.
  • dass bei Ihnen eine andere derzeit akute psychische Erkrankung vorliegt (=also eine wegen der das Cannabis nicht verschrieben worden ist) oder eine erhebliche Persönlichkeitsstörung vorliegt oder vorlag.
  • dass Sie bereits als Jugendlicher und da gerade in der frühen Jugend regelmäßig Cannabis konsumierten.
  • dass  bei Ihnen neben der Grunderkrankung gleichzeitig eine oder mehrere weitere Krankheiten vorliegen, wegen derer Sie zentralwirksame Arzneimittel wie Opiodide einnehmen.
  • dass bei Ihnen eine Verkehrauffälligkeit vorlag, die im Zusammenhang mit der Einnahme von Cannabis als Medikament stand (nicht nur Führen eines KFZ unter Wirkung von Cannabis, diesbezüglich gilt das Arzneimittelprivileg des § 24 a Abs. II S. 3 StVG. Sie müssen anders aufgefallen sein: zu schnelles Fahren, Unfall, rote Ampel überfahren usw).  Wenn eine Auffälligkeit mit anderen BtM außer den verschrieben Cannabis vorlag, gilt das ohnehin (Compliance liegt dann idR nicht vor).

Fragestellung der Behörde begrenzt den Untersuchungsumfang

Eine typische -und nicht zu beanstandende- Fragestellung der Führerscheinstelle (hier: MPU Fragestellung der Landeshauptstadt  Stuttgart) lautet etwa so:

Fragt der Gutachter hier zB auch nach Alkohol oder anderen Substanzen (etwa Drogen, die keine BtM sind, sich also nicht in den Anlagen I-III des BtMG finden) oder der Einnahme von anderen Medikamenten oder nach Ihren sonstigen Krankheitsbildern, so ist dies nicht von der behördlichen Fragestellung gedeckt. Der Gutachter darf das nicht. Trotzdem wird es dauernd gemacht. Die Fahrerlaubnisbehörde darf solche Erkenntnisse jedenfalls dann verwerten, wenn sie das Gutachten erhält. Deshalb befreien Sie die Gutachterstelle nie von der Schweigepflicht. Das Gutachten muss immer zu Ihnen gesendet werden. Die Gutachter nehmen sich sehr oft zu viel raus und wollen den Sachverhalt bzw Sie "ausleuchten". Passen Sie hier genau auf, wonach die Behörde eigentlich gefragt hat (wenn der Gutachter das nicht wahrhaben will: Auf S. 58 der Beurteilungskriterien kann er es nachlesen. Und die sind für ihn bindend). 

Was denn jetzt? Ärztliches Gutachten oder MPU?

Das entscheidet die Fahrerlaubnisbehörde. Und oft hat man das Gefühl, dass der Würfel entscheidet. 

Beim ärztlichen Gutachten wird regelmäßig nur geklärt, ob die bei Ihnen vorliegende Krankheit verkehrsrelevant ist und ob durch die Einnahme von Cannabis eine Verbesserung der Fahrsicherheit  eingetreten ist bzw. ob durch Cannabis überhaupt erst die Fähigkeit zum Führen von KFZ erreicht wird. Dabei stellen die Auswirkungen der Krankheit und der Medikamentation auf Ihr Leistungsvermögen den Schwerpunkt der Begutachtung dar, welche mit den üblichen standartisitierten verkehrspsychologischen Tests überprüft werden (vgl. im Detail S. 307 ff der Beurteilungskriterien = Buch ist Pflichtkauf für jeden Betroffenen).

Die Anordnung einer MPU ist hingegen wahrscheinlich, wenn nach der Befundlage (Akte der Behörde / Nachweise des Arztes / Erkenntnisse aus dem ärztlichen Gutachten) Ihre Eignung zum Führen von KFZ zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, aber hinsichtlich der Adhärenz und Ihrem verantwortungsvollen Umgang mit den in Sachen Teilnahme am Verkehr kritischen Fragen von einschränkenden Wirkungen des Cannabis Konsums und Ihrer Erkrankung Zweifel bestehen (und zwar solche Zweifel, die eine objektive Grundlage haben). 

Die MPU wird definitiv angeordnet, wenn bei Ihnen vor der Verschreibung (oder auch danach, etwa ganz einfach durch Nichtbeachtung der ärztlichen Vorgaben) ein missbräuchlicher Konsum vorlag oder wenn Sie andere BtM eingenommen haben und noch kein MPU Gutachten vorliegt, welches Sie diesbezüglich entlastet. Ein unbedachtes "ich habe vor Jahren mal auf einem Festival eine Pille genommen" kann also auch für Sie als Cannabis Patient massive Probleme nach sich ziehen.

Üblicherweise erfragt die Führerscheinstelle dann erstmal genauer, was für ein "Drogentyp" im Sinne der Hypothesen D1 - D4 der Beurteilungskriterien Sie sind. Erst vor diesem Hintergrund kann die Verschreibung des Cannabis gutachterlich bewertet werden. Wenn Sie jahrelang etwa von Kokain abhängig waren (D1 = Abhängigkeit), dann wird es sehr kompliziert.

Anbei eine an Freund und Feind vorbeigehende Anordnung eines ärztlichen Gutachtens des Landkreis Lüchow Dannenberg (Fall: Cannabis Patient wurde mit KFZ angehalten, Werte 4,9 ng/ml THC, 24 ng/ml THC COOH, keine Fahrauffälligkeiten, keine unsichere Fahrweise):

Hier hätte zunächst eine ärztliche Stellungnahme eingeholt werden müssen. Dann ist die Frage mit dem "sicheren Führen" komplett am Thema vorbei und viel zu unscharf. 

Gerade auch deshalb, weil der Mandant hier keine Auffälligkeiten an den Tag gelegt hat, die das sichere Führen auch nur entfernt in Frage stellen. Nur der Nachweis von THC und THC COOH rechtfertigt diese Frage nicht.  Welche "Anhaltspunkte" gemeint sein könnten, ist vollkommen nebulös.

Eine solche -dem Grunde nach rechtswidrige- Fragestellung bietet aber natürlich auch den Vorteil, dass ein Arztbrief, der eine positive Aussage über die Fähigkeit zum Führen von KFZ trifft, den Ermessensspielraum des Gutachters fast bis auf null reduziert. Auch hier gilt: Taktisch denken.

Also: In solchen Fällen soviele ärztliche Nachweise beibringen wie möglich. Diese sollen so präzise wie möglich auch eine Einschätzung enthalten hinsichtlich des Führen von KFZ. Gerne vorher die Sache mit einem Anwalt für Verkehrsrecht besprechen.

Was wird beim ärztlichen Gutachten / der MPU gefragt? Welche Nachweise müssen vorgelegt werden?

Ausführliche Stellungnahme des behandelnden Arztes zu den Fragen:

  • welche Grunderkrankung nach ICD-10 liegt vor? Darlegung der bisherigen erfolglosen Therapien / Medikamentierungen. Warum wurde Cannabis als Mittel ausgewählt? Warum genau diese Sorte?
  • der Sorte, Dosierung, Konsumform
  • der Häufigkeit des Kontakts mit dem Patienten (=wichtig sind regelmäßige, dokumentierte Kontakte)
  • des bisherigen Behandlungsverlaufs (und natürlich auch: dem Behandlungserfolg) und der Planung / Aussicht für die Zukunft
  • ob und wie der Patient über Risiken des Straßenverkehrs aufgeklärt wurde
  • ob die Einstellungsphase mit dem Cannabis vorbei ist
  • liegen noch andere Erkrankungen vor außer die, wegen der Cannabis verschrieben wird? Welche Medikamente werden deswegen noch verschrieben?

Hier kann man prima rauslesen, wie die Begutachtungsgilde sich gewunden hat, irgendwie passende Fragestellungen für die Begutachtung zu finden hinsichtlich einer der am längsten verwendeten Heilpflanze überhaupt, für die es trotz ihres breiten Wirkungsspektrums (oder besser: wegen der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten) keine Studien gibt, wann die Anwendung Sinn macht oder nicht. 

Von der Pharmalobby ewig unterdrückte / unterlassene Studien auf der einen Seite. Auf der anderen Seite aktionistisch anmutende, etwas hilflose Versuch der Gutachter und deren Vorbetern, den Verfassern der Beurteilungskriterien, dem Konsum des Cannabis trotz des bis in die heutigen Tage inquisitorischen Ansatzes (Cannabis als BtM, 1 ng/ml THC als Grenze für massive Probleme und Verfolgung) in ein Prüfungsgewand zu pressen, dass Wissenschaftlichkeit da suggerieren soll, wo die Unterdrückung von Wahrheit über Jahrzehnte Doktrin war. 

Das ist derart grob unbillig und klar nur an der Idee orientiert, mit den Betroffenen über Begutachtungen viel Geld zu verdienen, dass man nur noch den Kopf schütteln kann. Der Gutachter soll die Fahreignung wegen Konsums einer Substanz überprüfen, zu deren medizinischen Indikationen es sehr wenig Studien gibt (schon mal einen Beipackzettel gesehen in Sachen Cannabis in der Apotheke? Nein? Ich auch nicht!) und man zwar um die Wirkung weiß, aber letztlich im Dunkeln tappt? Das ist selbst für die oft sehr unwissenschaftlich freischwebend arbeitende Gutachtergilde eine neue Dimension: Man bewertet was ohne wissenschaftliche Grundlage und bastelt sich aus dem nichts irgendwelche Fragestellungen für die Gutachten.

Wie wäre es denn mal mit Legalisierung und Studien, wo das Cannabis wirkt und wo nicht? Dann könnte man sich diese ganzen ins alberne driftenden geistigen Verrenkungen sparen. Grenze für die Verkehrsteilnahme auf 5 ng/ml THC und alle haben ihre Ruhe. Zu einfach. Klar: Es wollen alle verdienen mit dem Cannabis. 

Aber ich schweife ab. Also: Sie müssen das Spiel so spielen, wie es die Pseudowissenschaftler von Ihnen fordern. Also bringen Sie eine ärztliche Stellungnahme mit zur Begutachtung, reichen Sie diese vorher ein bei Führerscheinstelle und Gutachterstelle. Diese muss so aussagekräftig sein wie möglich. Das ist dann die halbe Miete.

Ärztliche Anamnese - Fragestellungen im Gutachten zum Krankheit und Verlauf

Es gibt bei der Untersuchungen einen medizinischen Teil, einen psychologischen Teil (jedenfalls bei der MPU) und den Teil, wo Ihr Leistungsvermögen getestet wird (bei der MPU)

Der Gutachter wird zunächst folgende Fragestellungen bzgl Ihrer Krankheit zu klären haben (=Anamnese) - das wird der Gutachter Sie fragen:

  • Welches ist Ihre Grunderkrankung und wie verlief die Krankheit bis heute?
  • Welche Maßnahmen wurden bzgl der Krankheit unternommen, welche Medikamente wurden verschrieben - insbesondere: welche außer Cannabis wurden verschrieben ohne den gewünschten Erfolg?
  • Wie wirkt Cannabis bei Ihnen? Gibt es Nebenwirkungen, die Sie als unangenehm und beeinträchtigend empfinden? Wirkt das  Cannabis so, wie Sie es sich erhofft haben, geht es Ihnen damit besser?
  • Wie hoch ist die Dosierung, welche Sorte konsumieren Sie? Welche Konsumform (idR Vaporizer - Vorsicht: Wer sagt, dass er Joints raucht, kann Probleme kriegen. Also immer schön auf den Volcano o.ä. verweisen). Haben Sie ein genaue zeitliche Anleitung des Arztes, wieviel Sie wann wie konsumieren sollen? Liegt das schriftlich vor?
  • Konsumieren Sie das Cannabis täglich oder nur bei Bedarf, wenn Ihre Symtomatik das erfordert? Wie werden Überdosierungen vermieden? Gab es schon mal Überdosierungen?
  • Wie häufig sehen Sie Ihren Arzt, um den Fortschritt der Therapie zu besprechen? Wie schätzen Sie Ihre Adhärenz ein? Was ist Adhärenz überhaupt?
  • Gab es früher Konsum von nicht ärztlichen verschriebenen Cannabis, welches illegal erworben oder gar (böse!) illegal angebaut wurde? ("natürlich nicht, damit will und wollte ich nie was zu tun haben, ist doch verboten! Mein Name ist Hase, Herr Doktor!")
  • Wie sieht es mit dem Alkoholkonsum aus in der Vergangenheit und jetzt? (=niemals Mischkonsum Cannabis / Alkohol  einräumen, niemals einräumen mehr als 2-3 Bier mal alle paar Wochen  konsumiert zu haben, niemals einräumen, betrunken gewesen zu sein / Schnaps vertrage ich nicht, trinke nur selten)
  • Werden andere Medikamente eingenommen? Andere psychotrope Stoffe? (Vorsicht hier insbesondere bei Medikamten, die auf Depressionen hinweisen, die bis dato weder der Behörde noch der Gutachterstelle bekannt sind! Vorher beraten lassen durch Anwalt!)

Probleme wird es bei der Begutachtung geben (=negatives Gutachten), wenn:

  • Sie schon mal mit Suchterkrankungen aufgefallen sind. Wenn eine Sucht bekannt wird, gibt es Probleme. Cannabis Sucht gehört dazu.
  • bei Ihnen psychische Auffälligkeiten vorliegen, psychische Erkrankungen entsprechende Auffälligkeiten und Persönlichkeitsstörungen verbrieft sind (auch hier sollte mit einem Anwalt vorher genau die Akte der Fahrerlaubnisbehörde studiert abgesprochen werden, was Sie sagen dürfen und was nicht. ("Vor 10 Jahren wurde ich mal wegen paranoider Wahnzustände mit Beschluss des Gerichts in die geschlossene Psychatrie eingewiesen. Habe dauernd mehrere Stimmen gleichzeitig gehört, Engel rechts, Teufel links - in Stereo, verstehen Sie? Jetzt höre ich immer nur noch einen von beiden, aber nicht mehr so oft!" Solche Aussagen sollten Sie sich besser sparen. Was nicht aktenkundig ist, kann und sollte man im Zweifel für sich behalten, bevor es einem um die Ohren fliegt)
  • herauskommt, dass Ihnen neben dem Cannabis durch den Cannabis Arzt auch noch andere Medikamente von anderen Ärzten verschrieben werden wegen der gleichen Krankheit - Arzthopping und "viel hilft viel" wird nicht gerne gesehen.

Welche Laboruntersuchungen liegen an? Haare / Blut / Urin? Wonach wird gesucht?

  • In der Regel wird ein Screening in Urin und oder Haaren durchgeführt, je nach Fragestellung der Behörde (Vorsicht: Haaranalysen zeigen oft falsch positive Ergebnisse auf harte Drogen). Diese Probe ist wegen des Prinzips der Verhältnismäßigkeit eigentlich von behördlicher Seite auf Cannabinoide zu beschränken, aber häufig wird auch hier der ganze Sachverhalt ausgeleuchtet und auf alles mögliche gescreent. Unzulässigerweise. Versteht sich.
  • Sofern von behördlicher Seite gepüft werden soll, ob zeitnah etwa auch andere psychotrope Substanzen eingenommen wurden, kann die Behörde auch die Analyse des Bluts verlangen (etwa wenn es um den Konsum von vor ein paar Tagen oder einer Woche geht). Hier ist aber auch strikt das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten, da die Blutabnahme einen stärkeren Eingriff in die Grundrechte darstellt als die Abgabe von Urin.

Weiter geht es in Teil 2.

Foto(s): RA B. Schüller

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