Corona-aktuelle arbeitsrechtliche Fragen

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Kann der Arbeitgeber wegen den besonderen Umständen des Coronavirus Kurzarbeit anmelden?

Ja er kann. Das Kurzarbeitergeld muss durch den Arbeitgeber beantragt werden.

https://www.arbeitsagentur.de/news/kurzarbeit-wegen-corona-virus

Näheres zur Kurzarbeit finden Sie auch hier: 

https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/finanziell/kurzarbeitergeld-bei-entgeltausfall

Wenn Kurzarbeitergeld angeordnet wurde, welche Folgen hat das dann für den Arbeitnehmer?

Bei Kurzarbeit erhält der Arbeitnehmer lediglich 60 % bzw. 67 % seines ursprünglichen Nettolohns. Selbstverständlich kann man über kollektive Regelungen oder einzelvertragliche Regelungen einen Aufstockungsbetrag vereinbaren, sodass die einzelnen Arbeitnehmer einen geringeren (oder gar keinen)Verdienstverlust erleiden.

Die tatsächlichen Entgelttabellen finden Sie hier:

https://www.arbeitsagentur.de/datei/kug050-2016_ba014803.pdf

https://www.arbeitsagentur.de/datei/kug51-tabelle-2016_ba015003.pdf

Was bekomme ich, wenn ich unter Quarantäne gesetzt werde?

Als Arbeitnehmer erhalte ich bis zu 6 Wochen Entgeltfortzahlung und danach Krankengeld von den Krankenkassen.

Sollte das Arbeitsverhältnis gerade erst begonnen haben, so würden die ersten 4 Wochen des Arbeitsverhältnisses mit Krankengeldbezug durch die Krankenkassen abgedeckt werden und sodann der Rest der 6 Wochen mit Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers und sodann wieder Krankengeld.

Der Arbeitgeber kann sich seine Zahlungen sodann wieder von der zuständigen Behörde rückerstatten lassen. Dies ergibt sich aus § 56 Infektionsschutzgesetz – IfSG.

Vorübergehende Betriebsstörung oder Schließung

Hier gibt es unterschiedliche Sichtweisen.

Grundsätzlich wird ein solcher Fall nach der Betriebsrisikolehre betrachtet.

Schließung aufgrund Entscheidung des Arbeitgebers

Schließt ein Arbeitgeber, ohne dass es hierzu einen behördlichen Zwang gibt, so ist der Arbeitgeber zur weiteren Lohnzahlung verpflichtet.

Schließt der Arbeitgeber aufgrund behördlicher Anweisung (Corona Maßnahme)

Hier stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber den Lohn fortzahlen muss. Muss der Arbeitgeber dieses Risiko des Arbeitsausfalls gem. § 615 Satz 3 BGB tragen?

Eine solche Betriebsschließung kann sich z.Bsp. auf Grundlage der § 28 ff IfSG (Infektionsschutzgesetz) ergeben.

Hier muss man wohl auf die Betriebsrisikolehre (Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1923) zurück greifen.

Üblicherweise betrifft dies Fälle wie Energieausfall, Naturereignisse, Lieferschwierigkeiten, Maschinenschäden oder Unfälle (Bsp. Explosion)

Dies sind alles Fälle, wie auch Corona, in welchem den Arbeitgeber keine Schuld an dem Arbeitsausfall trifft, so dass man diese wohl vergleichen kann.

Nach der Rechtsprechung trägt der Arbeitgeber dann das Betriebsrisiko infolge behördlicher Maßnahmen, wenn das Risiko der behördlichen Maßnahme im Betrieb durch dessen besondere Art angelegt gewesen war. (Preis in ErfK, 20. Aufl. 2020, § 615 BGB, Rn. 132 zu Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen)

Liegt es also in der Eigenart des Betriebes, dass dieser von der behördlichen Maßnahme in besonderer Art und Weise betroffen ist.

Beispiele:

Staats- und Landestrauer  (Ausfall eines Auftritts einer Tanzkapelle / Diskothek  Musikveranstaltung) hier wird der Lohnanspruch behalten, da diese Art der Unterhaltung von der behördlichen Maßnahme in besonderer Art und Weise betroffen ist (so das Reichsgericht und das BAG)

Ein weiteres Beispiel ist das Flugverbot wegen der Aschewolke, auch hier trägt der Flugbetrieb dem besonderen Risiko solcher Naturkatastrophen Rechnung und die Löhne müssen weiter gezahlt werden.

Untersagt die Bankaufsicht vorübergehend den Betrieb, so liegt auch hier das Betriebsrisiko bei der Bank und das Entgelt für die Mitarbeiter muss fortgezahlt werden.

Was aber gilt bei allgemeinen Gefahren, wie Terroranschläge, Krieg etc?

Hier fehlt es an der Betriebsbezogenheit, so dass eine Lohnfortzahlung gem. der Betriebsrisikolehre (§ 615 BGB) entfällt.

Pandemie? Corona?

Hier gibt es unterschiedliche Ansichten.

Die eine Sicht begründet eine Lohnzahlungspflicht damit, dass Betriebe mit extremen Kundenkontakt (Bsp. Verkauf, Gastronomie, Schulen etc.) in besonderer Art und Weise von der Gefahr von Corona ausgesetzt sind, so dass eine Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers besteht.

Die andere Rechtsauffassung geht davon aus, dass wenn eine Behörde die Schließung des gesamten Betriebes/Betriebssparte aufgrund Corona anordnet, dann Vergütungsfortzahlung nicht mehr im Risikobereich des Arbeitgebers gesehen werden kann, so dass dieser nicht verpflichtet ist.

Letztendlich sind die unterschiedlichen Sichtweisend entscheidend, wer gem § 56 IfSG den Entschädigungsanspruch beantragen muss.

Derzeit geht das  Bundesministerium für Arbeit und Soziales wohl von einer Lohnzahlungspflicht gem. § 615 BGB aus.

https://www.bmas.de/DE/Presse/Meldungen/2020/corona-virus-arbeitsrechtliche-auswirkungen.html

Anordnung von Abbau von Zeitguthaben?

Grundsätzlich kann schon ein Abbau von Zeitguthaben angeordnet werden. Der Arbeitgeber muss diesen Abbau jedoch mit einer angemessenen Frist ankündigen.

Die konkrete Ausgestaltung hängt von den einzelvertraglichen und/oder kollektivrechtlichen Regelungen (Tarifvertrag / Betriebsvereinbarung) ab.

Bei einem behördlichen Tätigkeitsverbot ist der Abbau eines Zeitguthabens jedoch von Anfang an ausgeschlossen.

Bei der Anordnung ist zudem der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, so dass bei Schließung des Betriebes es eine unzulässige Differenzierung darstellen würde, wenn diejenigen, welche ein Zeitguthaben haben, diese zunächst abbauen müssen, wohin gehend diejenigen, welche ein solches nicht besitzen, eine Vergütung erhalten.

Anordnung von Betriebsferien:

Hier ist die Mitbestimmung des Betriebsrats zu beachten. Darüber hinaus ist auch die bereits bestehende Urlaubsplanung zu beachten.

Mitbestimmung des Betriebsrats

Mitbestimmungspflichtig ist unter anderem:

  • § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG Anordnungen zu Hygieneverhalten unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats.
  • § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei der Anordnung von Überstunden hat der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht. Auch die Anordnung von Kurzarbeit ist mitbestimmungspflichtig
  • § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG Die Anordnung von Betriebsferien unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Nicht mitbestimmungspflichtig ist es, wenn der Arbeitgeber gesetzlichen/Behördlichen Anweisungen Folge leisten muss.

Foto(s): Patrick Reinig

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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