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Corona-Krise: Fragen zur Kurzarbeit und betrieblichen Kündigung

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Zu Zeiten der Corona-Krise kommt es zu Auftragsrückgängen sowie Engpässen bei Rohstoffzulieferungen, was insbesondere die wirtschaftliche Beständigkeit von Unternehmen trifft. Viele Firmen, aber auch Arbeitnehmer/innen haben in diesem Zusammenhang Fragen, zu welchen wir eine Hilfestellung geben wollen.

Kurzarbeit

Wann sind Unternehmen berechtigt, Kurzarbeitergeld zu beantragen?

Die Bundesagentur für Arbeit hatte bereits mit der Pressemitteilung vom 28.02.2020 verlauten lassen, dass ein Arbeitsausfall, welcher auf dem Coronavirus direkt basiert oder im Zusammenhang mit den zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen beruht, im Regelfall ein „unabwendbares Ereignis“ bzw. einen wirtschaftlichen Grund i.S.d. § 96 Abs. 1 Nr. 1 SGB III darstellt und daher Kurzarbeitergeld bei vorübergehendem Arbeitsausfall zu gewähren ist.

Die Bundesregierung hat zwischenzeitlich eine entsprechende Verordnung erlassen, welche Erleichterungen im Zusammenhang mit der Beantragung des Kurzarbeitergeldes vorsieht. Diese Erleichterungen sind zunächst bis zum 31.12.2020 befristet. Sie betreffen insbesondere die Voraussetzungen, welche zur Gewährung der Kurzarbeit führen, sowie die Entlastung der Arbeitgeber hinsichtlich der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Erleichterungen der Kurzarbeit während der Corona-Krise

Nach denen von der Bundesregierung beschlossenen Erleichterungen kann ein Unternehmen bereits dann Kurzarbeit anmelden, wenn mindestens 10 % der Arbeitnehmer im Betrieb von einem Arbeitsausfall betroffen sind. Bisher galt die Regelung, dass Kurzarbeit erst dann angemeldet werden konnte, wenn 1/3 der Belegschaft betroffen ist.

Ferner wird in der aktuellen Situation kein Unterschied mehr zwischen eigenen Arbeitnehmern und Leiharbeitnehmern gemacht. Auch letztere können Kurzarbeitergeld beziehen.

Ein Aufbau von Minusstunden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes ist nicht mehr nötig. Bisher galt diesbezüglich die Regelung, dass Betriebe, in denen Vereinbarungen betreffend Arbeitszeitschwankungen gelten, diese zur Vermeidung von Kurzarbeit nutzen müssen.

Der wohl interessanteste Aspekt für Unternehmer dürfte sein, dass die Sozialversicherungsbeiträge, welche bisher voll vom Arbeitgeber getragen werden mussten, durch die Bundesagentur für Arbeit vollständig erstattet werden.

Voraussetzungen zur Einführung der Kurzarbeit

Wichtig ist zunächst, dass die betroffenen Unternehmen die Kurzarbeit anzeigen und Kurzarbeitergeld beantragen.

Arbeitsrechtlich erforderlich für die Einführung der Kurzarbeit in Unternehmen ist entweder, dass eine entsprechende Kurzarbeitsklausel im Arbeitsvertrag enthalten ist, die Kurzarbeit durch einen geltenden Tarifvertrag ermöglicht wird, oder aber über die Einführung der Kurzarbeit mit dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG eine Vereinbarung geschlossen wird oder – falls ein solcher nicht vorhanden ist – mit dem Arbeitnehmer persönlich.

Wie werden die wirtschaftlichen Gründe für die Anzeige der Kurzarbeit nachgewiesen?

Im Formular für die Anzeige des Arbeitsausfalls bei der örtlichen Agentur für Arbeit müssen die Ursachen des Arbeitsausfalls ausführlich begründet werden. Der Arbeitgeber muss versichern, dass er diese Erklärung nach bestem Wissen gemacht hat. Sofern eine Betriebsvertretung vorhanden ist, muss diese den Angaben des Arbeitgebers zustimmen oder gesondert hierzu Stellung nehmen.

Nach bisherigem Stand besteht deshalb auch kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn das Unternehmen aus reiner Risiko-Minimierung heraus beschließt, den Betrieb vorübergehend einzustellen. Insofern fehlt es an einer ursächlichen Veranlassung durch Corona.

Muss ein Arbeitgeber für den ganzen Betrieb Kurzarbeit anmelden?

Die Kurzarbeit muss nicht den ganzen Betrieb betreffen und für diesen insgesamt eingeführt werden. Sie kann auch einzelne Betriebszweige bzw. Betriebsabteilungen oder auf einzelne Arbeitnehmer beschränkt werden.

Die Einschränkung erfolgt im Einzelnen nach den wöchentlichen Arbeitsstunden des jeweiligen Arbeitnehmers.

Was muss der Arbeitgeber tun, um Kurzarbeitergeld zu beantragen?

Die Beantragung des Kurzarbeitergeldes erfolgt nach Konzeption durch die Bundesregierung in einem zweistufigen Verfahren:

Zunächst muss der Arbeitgeber oder die Betriebsvertretung den Arbeitsausfall bei der zuständigen Agentur für Arbeit schriftlich anzeigen. Zuständig ist die Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Sitz des Unternehmens liegt.

Die Agentur für Arbeit hat dann unverzüglich zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Kurzarbeitergeld vorliegen und teilt dies dem Arbeitgeber mit.

Der Arbeitgeber errechnet dann das Kurzarbeitergeld und zahlt es an die Arbeitnehmer/innen aus.

Im Anschluss daran hat der Arbeitgeber einen schriftlichen Antrag auf Erstattung des von ihm zuvor verauslagten Kurzarbeitergeldes an die zuständige Agentur für Arbeit zu richten. Dieser Antrag ist innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten einzureichen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Tage liegen, für die das Kurzarbeitergeld beantragt wird. 

In welcher Höhe wird das Kurzarbeitergeld ausgezahlt?

Das Kurzarbeitergeld berechnet sich nach dem Nettoentgeltausfall des Arbeitnehmers. Kurz-arbeitende Arbeitnehmer erhalten grundsätzlich 60 % des ausgefallenen pauschalisierten Nettoentgeltes.

Lebt der Arbeitnehmer mit mindestens einem Kind in häuslicher Gemeinschaft beträgt das Kurzarbeitergeld 67 %.

Welche Folgen hat es, wenn der Arbeitnehmer der Einführung von Kurzarbeit nicht zustimmt?

Grundsätzlich gilt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der verweigerten Zustimmung zur Kurzarbeit wegen des Maßregelungsverbotes in § 612a BGB nicht gekündigt werden darf.

Wenn jedoch eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im vertraglichen Umfang während der Corona-Krise nicht möglich ist und der Arbeitnehmer seine Zustimmung zur Kurzarbeit verweigert, muss er zumindest mit einer Änderungskündigung zur Herabsetzung der Arbeitszeit oder mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen. Letztere wäre beispielsweise dann möglich, wenn der Arbeitnehmer auf Kurzarbeit Null gesetzt werden würde.

Betriebliche Kündigung während der Kurzarbeit?

Viele Arbeitgeber dürften sich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, ob sie womöglich durch die Einführung der Kurzarbeit den Weg für den Ausspruch von betrieblicher Kündigung versperren.

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber auch während der Phase der Kurzarbeit Kündigungen aussprechen. Die gilt sowohl für personen-, verhaltens- und/oder betriebsbedingte Kündigungsgründe.

Wenn jedoch ein Arbeitgeber in der Kurzarbeitsphase betriebsbedingt kündigen möchte, müssen neben den Gründen, welche zur Beantragung der Kurzarbeit geführt haben, noch weitere Gründe vorliegen (bspw. weiterer Auftragsrückgang, Wegfall des Hauptkunden, Fremdvergabe von Arbeiten, etc.).

Ebenso hat er während der Kurzarbeit oder im Anschluss, wenn er dem Arbeitnehmer betriebsbedingt kündigen möchte, dabei die Grundsätze zu beachten, welche das Bundesarbeitsgericht bereits in seinem Urteil vom 26.06.1997, Az. 2 AZR 494/96, aufgestellt hat.

Dort stellt das Bundesarbeitsgericht fest, dass in der Einführung von Kurzarbeit nur ein sozialrechtlicher Vorgang zu sehen ist. Deshalb sei die Einführung der Kurzarbeit – zumindest aus arbeitsrechtlicher Sicht – ein Indiz für den Umstand, dass der Arbeitsmangel nur vorübergehender Natur ist. Dies deute darauf hin, dass selbst der Arbeitgeber davon ausgeht, dass der Arbeitsmangel nur vorübergehend andauern wird und sich die Lage wieder normalisieren bzw. bessern werde. Diese allgemeine sozialrechtliche Sichtweise würde den Arbeitgeber jedoch nicht daran hindern, individuelle Kündigungen gegenüber einzelnen Mitarbeitern auszusprechen.

Bereits in dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass eine betriebsbedingte Kündigung nicht ausschließlich auf solche Gründe gestützt sein darf, die bereits zur Einführung der Kurzarbeit geführt haben.

Solche weitergehenden Gründe muss der Arbeitgeber in einem etwaigen Kündigungsschutzprozess nachweisen können. Weist der Arbeitgeber nach, dass für die Entlassung zusätzliche Umstände hinzukamen oder bestehende Umstände sich geändert haben, die über den zunächst angenommenen vorübergehenden Arbeitsmangel hinausgehen, ist eine betriebsbedingte Kündigung auch während der Kurzarbeit oder im Anschluss an die Kurzarbeitszeit begründet.

Insoweit verweisen wir auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.02.2012, Az. 2 AZR 548/10, entschieden. Dort heißt es:

„Wird Kurzarbeit geleistet, so spricht dies dafür, dass die Betriebsparteien nur von einem vorübergehenden Arbeitsmangel und nicht von einem dauerhaft gesunkenen Beschädigungsbedarf ausgehen. Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel wiederum kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Dieses aus der Kurzarbeit folgende Indiz kann der Arbeitgeber durch konkreten Sachvortrag entkräften (…). Entfällt die Beschäftigungsmöglichkeit für einzelne von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer aufgrund später eingetretener weiterer Umstände oder veränderter wirtschaftlicher und/oder organisatorischer Rahmenbedingungen auf Dauer, so kann trotz der Kurzarbeit ein dringendes Erfordernis für eine Kündigung bestehen (BAG, Urteil vom 26.06.1997, Az. 2 ZR 494/96).“ 

Abschließend ist zu beachten, dass durch die Kündigung der Anspruch auf Kurzarbeitergeld erlischt. Es gilt insoweit § 98 SGB III. Kündigungsfristen sind auch während der Kurzarbeit einzuhalten.

Betriebsbedingte Kündigung oder Kurzarbeit?

Rechtlich ist dies natürlich nicht zu beantworten. Der Arbeitgeber muss entscheiden, wie er seine wirtschaftliche Betätigung in den nächsten Monaten und nach der Corona-Krise plant.

Dabei hat er die Möglichkeit, den Arbeitnehmer auf Kurzarbeit mit null Stunden zu melden. Dies hat den Vorteil, dass der Arbeitnehmer seine Anstellung behält und weiterhin – ein gekürztes – Arbeitsentgelt bekommt, während der Arbeitgeber keine Lohnkosten zu zahlen hat und die Sozialversicherungsbeiträge durch die Arbeitsagentur erstattet werden.


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