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Das Internet ist kein rechtsfreier Raum

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Mancher mag es glauben kaum, doch das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Mit diesem amateur-poetischen Ansatz lässt sich auch im Jahre 2022 noch die Lage bzw. das Denkmuster einiger im Hinblick auf das „Neuland“ Internet zusammenfassen.

Auf Social Media lässt es sich leichter beleidigen, hetzen und verleumden. Auf eBay Kleinanzeigen leichter betrügen. Faktisch mag das aufgrund geringerer Hemmschwelle richtig sein.

Wer aber daraufsetzt, dass die „altländischen“ Gesetze jene Internetstraftaten nicht erfassen, der sollte jetzt besonders wachsam weiterlesen.

Grau ist alle Theorie, Anonymität des Täters Philosophie?

Nicht wenige Internet-Rambos setzen auf die volle Kraft der Anonymität, wenn sie im Internet zur (Un-)Tat schreiten. Es gab Zeiten, da ließ sich sagen: Leider geht diese Taktik nahezu immer auf und das in der Theorie vorhandene Sanktionswerk (a.k.a. Gesetz) konnte schon deshalb nicht zum Greifen kommen, weil es Opfern und Behörden nicht gelang, den Täter aus der (vermeintlichen) Anonymität herauszuholen.

Hier wird Bezug genommen auf Zeiten, in denen das Internet nicht nur für die damalige Bundeskanzlerin „Neuland“ (Zitat Merkel anno 2013) war. Aber sowohl Gesetzgeber als auch Strafverfolgungsbehörden sind mehr und mehr sensibilisiert und rüsten entsprechend auf in puncto Verfolgung von Hass, Hetze und Vermögensstraftaten im Internet:

So arbeiten die überaus IT-begabten Nerds und Hacker von gestern nunmehr mitunter für das Bundeskriminalamt und sonstige Ermittlungsbehörden. Die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Täter und Ermittler ist somit zumindest in Ansätzen ein Relikt vergangener Zeiten.

Neben dem staatlichen wie stattlichen „Einkaufen“ von IT-Fachexpertise hat der Gesetzgeber zudem einige Vorschriften in die deutschen Gesetze aufgenommen, die der Anonymität jedenfalls nicht zuträglich sind.

Siehe exemplarisch § 21 Abs. 2, 3 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG), auf dessen Basis Facebook (Instagram), Google (Youtube) und Co. u.a. bei Beleidigungen die Echtdaten (insbesondere Namen) der gegen das Recht verstoßenden Nutzer herausgeben müssen. Wohlgemerkt an die in ihren Persönlichkeitsrechten Verletzten zur „bloßen“ Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche.

Dies ist ein Paradigmenwechsel im Vergleich zum „Altland“-Zeitalter. Dort konnten zwar je nach Einzelfall die Strafermittlungsbehörden aufgrund ihrer allgemeinen Ermittlungsbefugnis entsprechende Auskunft verlangen. Dies setzte aber schon die – kaum einmal vorhandene – „Motivation“ der Ermittlungsbeamten voraus, effizient einzuschreiten.

Nunmehr kann etwa der im Internet Beleidigte zumindest halbwegs (siehe Erfordernis der gerichtlichen Anordnung) eigeninitiativ tätig werden und effizienter seine zivilrechtlichen Positionen durchsetzen. 

Allerdings: Auch hier gibt es noch diverse Tücken. Anspruch und Wirklichkeit bzw. Durchsetzbarkeit klaffen häufig auseinander. Ein wirklich effektiver Auskunftsanspruch fehlt weiterhin. 

Bitcoin und eBay Kleinanzeigen – Magische Anziehungskraft auf Betrüger 

Digitale Langfinger wähnen Rechtsfreiheit – bzw. genauer: die Freiheit wegen ihrer Taten nicht belangt zu werden – auch vermehrt im Spielfeld von Bitcoin und Co. Der Betrug auf Plattformen wie eBay Kleinanzeigen ist dagegen schon ein alter – aber leider aus Betrügersicht immer noch gutsitzender – Hut.

Bekanntlich sind Kryptowährungen allgemein seit geraumer Zeit das „heiße Ding“. Wird teils vermittelt, dass hier bereits auf einfache Weise und ohne großes Risiko (Warnung: jedenfalls das „risikofrei“ ist ersichtlich grober Unfug) der schnelle und einfache Reichtum winkt, lassen sich Betrüger selbstredend nicht zweimal bitten.

Wie wohltuend ist es da zu wissen, dass bereits die „Funktionsweise“ von Bitcoin und Co. gewöhnlich nicht ganz so anonym vonstattengeht, wie gemeinhin vermittelt. So lassen sich die Transaktionen von Betrügern, Erpressern und sonstigen Langfingern auch in der digitalen Welt mitunter rückverfolgen und die Täter im Idealfall identifizieren. 

Und auch hier ist wieder von Vorteil, dass die Informationen und das Know-How nicht mehr allzu asymmetrisch verteilt sind. Die Ermittler verfügen insoweit mittlerweile über personelles Potential, das man bisweilen gar nicht mehr groß „motivieren“ muss, um überhaupt mal Ermittlungen auszulösen.

Vielmehr sitzen hier jetzt kundige Frauen und Männer, deren Ermittlungsdrang schnell geweckt wird, wenn auf der anderen Seite ein vermeintlich schlauer Krypto-Langfinger den schnellen Euro wähnt.

Und ist die Identität mitsamt Tathandlung erstmal festgestellt, sind die „altländischen“ strafgesetzlichen Vorschriften der §§ 263 ff. StGB etc. auch mustergültig auf Internetsachverhalte anwendbar. Diese werden flankiert von ebenso einschlägigen zivilrechtlichen „Allgemeinvorschriften“ (insbesondere § 823 Abs. 2 BGB), mittels derer Geschädigte ggf. ihr geprelltes Vermögen zurückfordern können.

Freilich: Wenn die Täter etwa aus der Karibik oder Russland heraus tätig sind, dürfte selbst die „Identifizierung“ den Opfern kaum nützen…

Falsch-Bewertungen auf Google & Co.? Gehören ins Klo!

Gut deutlich wird die Sensibilisierung deutscher Rechtsanwendung in puncto Unrecht im Internet auch beim Thema ungerechtfertigte Internet-Bewertungen.

Haben hier manche Gerichte in der Vergangenheit die Bewerteten allenfalls unzureichend vor übler Nachrede und Verleumdung geschützt – mitunter dem Missbrauch der Bewertungsmöglichkeit durch Konkurrenten etc. sogar Tür und Tor geöffnet –, wird nunmehr weitgehend konsequent auch bei Internetbewertungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt.

Siehe hierzu insbesondere die wegweisende jameda-II-Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die bekräftigt, dass es dem Bewerteten offenstehen muss, die Redlichkeit einer Bewertung hinreichend verifizieren zu können bzw. verifizieren zu lassen. Begibt sich der Rezensent kein Stück aus seiner Anonymität bzw. Pseudonymität heraus (zumindest gegenüber dem Plattformbetreiber), hat im Zweifel die Löschung zu erfolgen.

Staatsanwaltschaften machen besonders ernst und verfolgen sogar „Likes“

Wer eines letzten Beweises bedarf, dass es die Ermittlungsbehörden auch in der digitalen Welt zumindest etwas ernster meinen, dem sei folgendes Beispiel gereicht: Im Anschluss an die rechtsextremen Terroranschläge von Hanau verfassten Nutzer auf Facebook Kommentare, die die Geschehnisse lobpreisten und die Opfer verhöhnten.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M. ist in der Folge nicht nur gegen die Verfasser dieser Hasskommentare vorgegangen, sondern hat darüber hinaus auch Strafbefehle für jene Personen beantragt, die die Kommentare „geliked“ haben. Die „Likes“ hätten in concreto den Straftatbestand des § 140 StGB (Belohnung und Billigung von Straftaten) erfüllt, so die Cyber-Ermittler. 

Ausblick: Plattformen müssen direkt ans BKA funken

Ab Februar 2022 sind die großen Plattformanbieter wie Facebook und Co. nach dem neu eingefügten § 3a des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes bei groben Gesetzesverstößen über die bereits jetzt geltende Löschpflicht hinaus dazu verpflichtet, jene rechtsverletzenden Inhalte an das BKA zu melden.

Allgemein hat der Gesetzgeber mit seinem „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ unterstrichen, dass Straftaten im Internet nicht (mehr) stiefmütterlich behandelt werden dürfen. Im Gegenteil: Jetzt soll es den digitalen Mobbern, Verleumdern und Langfingern endgültig an die analoge Gurgel gehen.

Um einen weiteren Politiker zu zitieren: Und das ist auch gut so!

RA Robin Nocon, www.nocon-recht-digital.de

Foto(s): RA Robin Nocon

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