Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers - Trennung durch Urteil, obwohl die Kündigung unwirksam ist

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Es klingt widersprüchlich. Die Kündigung ist laut Gericht unwirksam. Trotzdem löst das Gericht das Arbeitsverhältnis auf. Möglich ist das, weil der Arbeitgeber, trotz unwirksamer Kündigung, einen sogenannten Auflösungsantrag bei Gericht stellen kann. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte mit Datum vom 15.06.2023, Aktenzeichen 10 Sa 1143/22, über einen solchen Auflösungsantrag des Arbeitgebers zu entscheiden.

In der Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung Nr. 22/23 vom 15.06.2023, heißt es wie folgt:

„Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Kündigung eines Lehrers, der ein Video unter Verwendung eines Bildes des Tores eines Konzentrationslagers mit der Inschrift „IMPFUNG MACHT FREI“ bei YouTube eingestellt hat, für unwirksam erachtet. Es hat das Arbeitsverhältnis jedoch auf Antrag des Landes Berlin zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.03.2022 gegen Zahlung einer Abfindung von etwa 72.000 EUR aufgelöst…Ein Lehrer des Landes Berlin hat im Juli 2021 als Stellungnahme zur Impfpolitik der Bundesregierung auf YouTube ein Video veröffentlicht, das mit der Darstellung des Tores eines Konzentrationslagers begann, bei dem der Originalschriftzug des Tores „ARBEIT MACHT FREI“ durch den Text „IMPFUNG MACHT FREI“ ersetzt war.“

Auflösungsantrag ist wirksam, wenn das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass eine den Betriebszwecken dienliche und vertrauensvolle weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr zu erwarten ist

Es heißt in der Pressemitteilung wie folgt:

„Das Landesarbeitsgericht habe die Deutung des Lehrers, eine scharfe Kritik an der Coronapolitik zu äußern, nicht zwingend ausschließen und deshalb eine Überschreitung des Grundrechts auf Meinungsäußerung nicht eindeutig feststellen können. Der Umstand, dass er als Lehrer tätig sei, lasse keinen anderen Maßstab bei der Beurteilung zu. Das Landesarbeitsgericht hat das Arbeitsverhältnis jedoch mit Wirkung zum 31.03.2022 nach §§ 9 und 10 Kündigungsschutzgesetz gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst, weil dem Land Berlin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Lehrer unter anderem im Hinblick auf Äußerungen im Video von Juli 2022 und im hiesigen Verfahren nicht mehr zumutbar sei. Das Landesarbeitsgericht hat das Land Berlin insoweit zur Zahlung einer Abfindung von etwa 72.000 EUR (12 Monatsverdienste) an den seit 2008 bei ihm beschäftigten 62-jährigen Lehrer verurteilt.“

Ein solcher Auflösungsantrag ist in Deutschland kein Einzelfall. Arbeitsrecht für Arbeitgeber heißt das Wissen aller rechtlichen Möglichkeiten vor Gericht. Zumal ein solcher Auflösungsantrag der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entspricht.

Die „Kündigung“ bzw. die durch das Gericht herbeigeführte Trennung von einem Betriebsrat ist über einen Auflösungsantrag nicht möglich. 

Aktuell hat das Bundesarbeitsgericht im Rahmen seines Urteils mit Datum vom 27.9.2022 – 2 AZR 5/22 die Möglichkeit eines Auflösungsantrages herausgestellt.

Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers setzt die Prognose einer schweren Beeinträchtigung des Vertragsverhältnisses voraus

Auflösungsgründe können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen.

Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist.  Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht. So jedenfalls lassen sich die Kernvoraussetzungen eines Auflösungsantrages seitens der ständigen Rechtsprechung zusammenfassen.

Ein Auflösungsantrag kommt vor allem auch dann in Betracht, wenn während eines Kündigungsschutzprozesses zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien auftreten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen

In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen.

Der Arbeitgeber sollte sich aber bewusst sein, dass der Maßstab für die Begründetheit eines solchen Auflösungsantrages bei Gericht sehr hoch ist. Denn das Kündigungsschutzgesetz ist eben kein Abfindungsgesetz; solche Auflösungsanträge müssen demnach im Detail und sehr ausführlich vor Gericht dargelegt werden. Folgerichtig werden viele Auflösungsanträge bei Gericht zurückgewiesen, weil der Arbeitgeber unterschätzt wie substantiiert er diesen Auflösungsantrag zu begründen hat.

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Bei Fragen zu diesem Thema können Sie mich jederzeit gerne zur Beratung kontaktieren.


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