Der „Widerrufs-Joker“- mögliche Senkung der Belastungen durch vorzeitige Beendigung des Darlehensvertrags

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Die Zinsen für den Abschluss von Darlehensverträgen zur Finanzierung von Immobilien sind derzeit sehr günstig. Viele Darlehensnehmer versuchen daher, sich von ihren Altverträgen zu trennen, um einen neuen Darlehensvertrag mit günstigeren Zinsen abzuschließen. Wer nach dem 1. November 2002 eine Baufinanzierung abgeschlossen hat, kann möglicherweise mit dem sogenannten „Widerrufs-Joker“ das Darlehen vorzeitig beenden und damit die Zinsbelastung senken.

Hintergrund sind mehrere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Widerrufsmöglichkeit von Immobiliendarlehen von Verbrauchern bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung. Unter anderem hatte der Bundesgerichtshof die Verwendung einer Widerrufsbelehrung gerügt, in dem darauf hingewiesen wurde, dass die Darlehensnehmer ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform widerrufen können und der Lauf der Frist „frühestens mit Erhalt der Belehrung“ beginnt. Die Richter wiesen darauf hin, dass die Verwendung des Wortes „frühestens“ es dem Verbraucher nicht ermöglicht, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen. Er vermag lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist „jetzt oder später“ beginnt, der Beginn des Fristablaufs also gegebenenfalls noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch im Unklaren gelassen, welche etwaigen weiteren Umstände dies sein sollen. Folge der fehlerhaften Widerrufsbelehrung ist, dass die zweiwöchige Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt und der Widerruf noch ausgeübt werden kann. In diesem Fall könnte man ggf. das Darlehen ohne Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig beenden und sich nach einer alternativen Finanzierung zu einem günstigeren Zinssatz umsehen. Unter Umständen können selbst bereits gekündigte Darlehensverträge noch widerrufen und schon gezahlte Vorfälligkeitsentschädigungen zurückgefordert werden.

Die Kreditinstitute verweisen jedoch häufig auf den Einwand der Verwirkung. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Die Banken sind der Auffassung, dass der Widerruf trotz fehlerhafter Widerrufsbelehrung nach Ablauf eines längeren Zeitraums und Nichtausübung des Widerrufs ausgeschlossen sein soll. Mehrere Gerichte – u.a. das Oberlandesgericht Brandenburg mit Urteil vom 19. März 2014, Az.: 4 U 64/12 – lehnen dies jedoch ab. Sie weisen darauf hin, dass das Kreditinstitut die Möglichkeit gehabt hätte, den Schwebezustand durch eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Nachbelehrung zu beenden. Wenn die finanzierende Bank dies nicht getan hat, ist eine Verwirkung mangels Vorliegens des Umstandsmoments abzulehnen. Ein Kreditinstitut könne keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen, wenn es versäumt hat, die Darlehensnehmer ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht zu belehren.

Eine Verwirkung ist danach ausgeschlossen, wenn die Bank die beanstandete Situation durch die Verwendung fehlerhafter Widerrufsbelehrungen selbst herbeigeführt hat. Die Ausübung des Widerrufs ist nicht als unzulässige Rechtsausübung zu werten, sondern lediglich die Wahrnehmung der gesetzlichen Verbraucherschutzrechte. Die Rechtsprechung ist aber leider uneinheitlich. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung steht noch aus. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung zu dieser Frage entwickeln wird.

Häufig bieten Kreditinstitute auch aus „Kulanz“ den Abschluss neuer Vereinbarungen zu günstigeren Zinskonditionen an. Es kann sich also durchaus lohnen, einen Darlehensvertrag im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung zu überprüfen.


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