Die Berufsunfähigkeitsversicherung: keine Befristung ohne Begründung - keine Befristung für die Vergangenheit!

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Ein häufiges Problem für Versicherte bei der Beantragung von Leistungen wegen Berufsunfähigkeit stellt es dar, wenn der Versicherer kein unbefristetes Leistungsanerkenntnis ausspricht, sondern eine Befristung. Sofern die Versicherungsbedingungen eine solche Befristung nicht ausschließen, ist eine einmalige Befristung nach § 173 Abs. 2 VVG grundsätzlich zulässig.


1. Was bedeutet ein befristetes Leistungsanerkenntnis?

Das bedeutet zwar, dass zunächst einmal Leistungen erbracht werden. Dies erfolgt meistens aber nur für ein Jahr. Danach steht der Versicherungsnehmer wieder vor dem Problem, dass er nicht weiß, ob weitergezahlt wird. Der Versicherte muss daher entscheiden, ob er die Befristung akzeptiert oder dagegen angeht. Was nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, ist nämlich, dass mit einer Befristung auch Nachteile einhergehen. Denn nach Ablauf der Befristung muss der Versicherte weiterhin seine Berufsunfähigkeit nachweisen. Die fortschreitende Zeit macht dies aber mitunter schwierig, sodass die Chancen auf eine (unbefristete) Berufsunfähigkeitsrente sinken. Liegt dagegen ein unbefristetes Anerkenntnis vor, kann sich der Versicherer nur durch ein sogenanntes Nachprüfungsverfahren von seiner Zahlungspflicht befreien. Hier muss aber der Versicherer beweisen, dass die Berufsunfähigkeit unter 50 % gesunken ist. Die Leistungspflicht entfällt zudem erst für die Zukunft nach Ablauf der Übergangsfrist gemäß § 174 Abs. 2 VVG.


2. Befristung ohne Begründung – BGH-Urteil vom 09.10.2019 – IV ZR 235/18

Schon der Bundesgerichtshof hatte entschieden, dass eine Befristung immer eines sachlichen Grundes bedarf und diese dem Versicherungsnehmer unaufgefordert mit der Befristung mitgeteilt werden muss (BGH, Urteil vom 09.10.2019 – IV ZR 235/18). Das Urteil basierte auf einem von Rechtsanwalt Dr. Alexander T. Schäfer geführten Prozess. Fehlt eine solche Begründung, ist die Befristung nicht wirksam und es liegt ein unbefristetes Anerkenntnis vor.


3. Rückwirkende Befristung – BGH-Urteil vom 23.02.2022 – IV ZR 101/20

Nicht selten sprechen die Versicherungsunternehmen auch eine rückwirkende Befristung aus. Das bedeutet, dass sie die Leistungspflicht nur für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum anerkennen. Folge einer solchen Befristung ist, dass der Versicherte weiter das Bestehen von Berufsunfähigkeit beweisen muss.

Damit umgehen die Versicherer das Nachprüfungsverfahren im Sinne des § 174 VVG, mit dem sie den Wegfall der Berufsunfähigkeit beweisen müssen. Der Bundesgerichtshof hat dies wegen der Umgehung einer ordnungsgemäßen Nachprüfung und wegen der Benachteiligung des Versicherungsnehmers für unzulässig erklärt (BGH-Urteil vom 23.02.2022 – IV ZR 101/20). Der Bundesgerichtshof hat aber nicht entschieden, ob eine rückwirkende Befristung auch dann unzulässig ist, wenn der Versicherungsnehmer die Leistungen wegen Berufsunfähigkeit erst zu einem Zeitpunkt beantragt, zu dem (auch nach seiner Ansicht) die Berufsunfähigkeit wieder weggefallen ist. Denn der Versicherungsnehmer erhielte dann wegen der Regelung des § 174 VVG auch Leistungen für eine Zeit, zu der er wieder zu mehr als 50 % seinem alten Beruf oder einer Verweisungstätigkeit nachgehen konnte.


4. Urteil des LG Mainz vom 23.01.2023 – 4 O 226/21

Die vom Bundesgerichtshof offengelassene Frage ist – soweit ersichtlich erstmals – nunmehr von einem Gericht behandelt und entschieden worden. Das Landgericht Mainz hat in einem von Rechtsanwalt Dr. Alexander T. Schäfer als Klägervertreter geführten Prozess geurteilt, dass auch dann, wenn ein Versicherungsnehmer Leistungen erst nach Wegfall der Berufsunfähigkeit beantragen sollte, der Versicherer kein rückwirkendes Anerkenntnis abgeben darf (LG Mainz, Urteil vom 23.01.2023 – 4 O 226/21). Dies bedeutet, der Versicherer muss bis zu einer ordnungsgemäßen Nachprüfung und dem Ablauf der in § 174 VVG vorgesehenen Übergangsfrist zahlen. Das Gericht hält dies auch nicht für unbillig. Denn auch bei einer Befristung geht der Versicherer davon aus, dass eine Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Der Versicherte hat daher Anspruch darauf, dass der Versicherer darlegt, warum diese nicht mehr bestehen soll. Gerade dafür ist das Nachprüfungsverfahren gedacht. Das Gericht ließ aber eine „Hintertür“ offen: Für den Fall eines naheliegenden Missbrauchs durch den Versicherungsnehmer soll eine Lösung über die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB), die Leistung zeitlich auch für die Vergangenheit zu beschränken, möglich bleiben. Für einen solchen Missbrauch gab es im Fall des Landgerichts Mainz aber keinerlei Anhaltspunkte, weshalb der Versicherer zur Leistung verurteilt wurde.


5. Rechtstipp für Versicherungsnehmer

Eine unwirksame Befristung sollte man als Versicherungsnehmer zunächst hinnehmen. Denn eine unwirksame Befristung führt zu einem unbefristeten Anerkenntnis. Allerdings sollte man sich auch hier immer anwaltlich beraten lassen, um eine Befristung eindeutig von einer Nachprüfung abzugrenzen und eine drohende Verjährung zu vermeiden.  

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Foto(s): Dr. Alexander T. Schäfer

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